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Oliver Reisner zur Georgischen Orthodoxen Kirche

06. Juli 2017
Vor kurzem hat das Oberhaupt der Georgischen Orthodoxen Kirche, Katholikos-Patriarch Ilia II., die Einführung einer konstitutionellen Monarchie in Georgien vorgeschlagen. Vertreter der Regierungspartei „Georgischer Traum“ haben diesen Vorschlag begrüßt. Wie lässt sich vor diesem Hintergrund das Verhältnis von Staat und Kirche in Georgien beschreiben?
Die Idee einer konstitutionellen Monarchie in Georgien wird schon länger diskutiert. Die Georgische Orthodoxe Kirche unterstützt diese Idee mit mehr oder weniger Erfolg. Die Kirche versteht sich dabei als Garant der georgischen Tradition und Nation. In der Bevölkerung genießt sie eine sehr große Unterstützung, so dass ihr auch in politischen Fragen ein großes Gewicht beikommt. Von daher wagen es auch die Politiker nicht, sich offen gegen die Kirche zu stellen. Vielmehr begehen sie häufig einen Spagat, wie beispielsweise bei der Verabschiedung des Antidiskriminierungsgesetzes 2013. In diesem Fall haben sich die Politiker gegen die Kirche, die gegen das Gesetz opponiert hatte, gestellt, um die Visaliberalisierung mit der EU umzusetzen. So ist die Georgische Orthodoxe Kirche sicherlich ein starker Einflussfaktor im Land, doch momentan überwiegt im politischen Bereich meiner Ansicht das Interesse an einer Annäherung und Integration in die europäischen Strukturen.

Wie stellt sich das Verhältnis zwischen der Georgischen Orthodoxen Kirche als Mehrheitskonfession und den anderen im Land beheimateten Religionsgemeinschaften dar?
Die Georgische Orthodoxe Kirche beansprucht, die maßgebliche religiöse Instanz in Georgien zu sein. Vor diesem Hintergrund hat sie es auch durchgesetzt, dass die staatlich eingesetzte Agentur für religiöse Angelegenheiten mit Personen besetzt worden ist, die aus dem Umfeld der Georgischen Orthodoxen Kirche stammen. Von daher ist abzusehen, dass diese Agentur nicht unbedingt neutral handeln wird. Die anderen Religionsgemeinschaften haben somit einen schwereren Stand, auch wenn es heute nicht mehr zu Protesten überzeugter orthodoxer Christen gegen sog. „nichttraditionelle“ Glaubensgemeinschaften wie die Zeugen Jehovas kommt. Aber es gibt weiterhin Probleme bei der Rückübertragung z. B. ehemaliger katholischer Kirchen, die heute von der Georgischen Orthodoxen Kirche genutzt werden.

In diesem Jahr wird das deutsch-georgische Kulturjahr gefeiert. Wie bewerten Sie die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Georgien?
Ich würde sagen, die deutsch-georgischen Beziehungen sind sehr gut. Deutschland genießt in vielfältiger Weise ein hohes Ansehen in Georgien: als Partnerland für Studierendenaustausch, als Heimat vieler Investoren und Unternehmen, die in Georgien aktiv sind, und als Herkunftsland der kleinen Evangelisch-Lutherischen Kirche in Georgien. Zudem gibt es historisch enge Beziehungen: Die Bundesrepublik war vor 25 Jahren das erste Land, das die Unabhängigkeit Georgiens anerkannte und die erste diplomatische Vertretung in Tbilisi eröffnete. Im nächsten Jahr jährt sich außerdem der 100. Jahrestag der Unabhängigkeit der Ersten Demokratischen Republik Georgien, die auch vom damaligen Deutschen Reich als erstes anerkannt wurde. Es gibt also einigen Grund zu feiern, was die deutsch-georgischen Beziehungen anbelangt. Und in meiner Wahrnehmung gibt es eine beeindruckende Bereitschaft von lokalen Initiativen in Georgien, sich in das Kulturjahr einzubringen.

Prof. Dr. Oliver Reisner, Ilia State University, Tbilisi.