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In Memoriam: Seiner Seligkeit Patriarch Lubomyr Kardinal Husar

07. Juni 2017


Andriy Mykhaleyko

Am 31. Mai 2017 ging der irdische Weg Seiner Seligkeit Lubomyr Kardinal Husar, des Oberhauptes der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche (UGKK; 2001–2011), zu Ende. Lubomyr Husar zählt zu jenen Hierarchen, die das Öffentlichkeitsbild der UGKK seit der Unabhängigkeitserklärung der Ukraine (1991) am stärksten geprägt haben. Er war nicht nur für seine Kirche eine prägende Persönlichkeit. Seine persönliche Ausstrahlung und Überzeugungskraft, seine irenische und offene Art des Umgangs mit den Menschen, die Fähigkeit, mit einfachen Worten komplizierte Fragen zu beantworten, sein tiefer Glaube und sein filigranes Humorgefühl sprengten die konfessionellen Grenzen und eroberten die Herzen von glaubenden und nicht glaubenden Menschen. Um seinen Rat baten Präsidenten und Minister, seiner Meinung wurde zumeist Rechnung getragen, seine Worte fanden Gehör bei Geschäftsleuten, Wissenschaftlern/innen, Künstlern/innen und Musikern/innen. Seine Predigten und sein pastorales Fingerspitzengefühl begeisterten viele ukrainische Jugendliche.

Obwohl die Gläubigen der UGKK in der konfessionellen Landschaft der Ukraine nur etwa 8 Prozent ausmachen, gewann Lubomyr Husar Zuneigung und Respekt über die Grenzen seiner Kirche hinweg und galt unbestritten als größte moralische Autorität im Land: 2008 hatte Lubomyr Husar eine Vertrauensquote von 21 Prozent in der Bevölkerung der Ukraine (Umfrage des „Fonds Demokratische Initiativen“, eines unabhängigen Zentrums zur Erforschung der gesellschaftspolitischen Meinung), und 2015 nahm er den ersten Platz unter den moralischen Autoritäten des Landes ein, „deren Worte und Taten unbeschränkte Befürwortung und Respekt genießen“ (Umfrage der Zeitschrift „Nowoje Vremja“).

Seine Aufgeschlossenheit wurde ihm, wenn man seine Biographie betrachtet, mit in die Wiege gelegt. Geboren am 26. Februar 1933 im westukrainischen Galizien (damals Polen), zog er zusammen mit seiner Familie Ende des Zweiten Weltkriegs 1944 in den Westen, zuerst nach Österreich und dann 1949 in die USA. Dort studierte er Theologie und sammelte als Priester (seit 1958) erste seelsorgliche Erfahrungen. Nach dem Wechsel nach Rom promovierte Husar über den Metropoliten Sheptytskyj als Pionier des Ökumenismus (Abschluss 1972 an der Urbaniana). In Rom trat er 1972 in die Mönchsgemeinschaft der Studiten ein und wurde bald zum Archimandriten gewählt.

Eine wichtige Zäsur in seiner Biographie war seine Bischofsweihe 1977 in Rom. Der Kontext, in dem die Weihe stattfand, offenbarte das damalige zeitgeschichtliche Drama seiner Kirche, die in der Heimat von den Sowjets verboten worden war. Der damalige Vorsteher der UGKK, Josyf Slipyj, machte sich große Sorgen um die Zukunft der von ihm geleiteten Kirche in der Ukraine und im Ausland und entschloss sich, ohne vorher den Apostolischen Stuhl zu informieren (!), drei Kandidaten im Geheimen in Rom zu Bischöfen zu weihen. Einer von diesen dreien war Archimandrit Husar. Die Bischofsweihen wurden jedoch wegen der damaligen „vatikanischen Ostpolitik“ und der fehlenden Genehmigung seitens Roms bis 1996 nicht anerkannt. 19 Jahre lang blieb Husar ein ‚Untergrundbischof‘ in der Freiheit. Aus dem Gefühl tiefer Verbundenheit mit seiner Heimat kehrte er 1993 in die Ukraine zurück und ließ sich in einem Kloster in der Nähe von Lviv/Lemberg nieder. Im Dezember 2001 wurde Husar als Nachfolger von Myroslav Ivan Kardinal Lubachivskyj zum Oberhaupt der UGKK gewählt und bekleidete dieses Amt bis zu seinem Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen im Jahr 2011.

Unter den vielfältigen Aufgaben, die Seine Seligkeit Lubomyr als Kirchenoberhaupt zu bewältigen hatte, nahm die Ökumene einen besonderen Platz ein. Bereits in der ersten Ansprache bei seiner Amtseinführung am 28. Januar 2001 setzte das neue Oberhaupt der UGKK die Arbeit für die Einheit in Christo auf seine Prioritätenliste, denn er verstand sich den ökumenischen Bemühungen seiner Vorgänger, allen voran des Metropoliten Sheptytskyj, verpflichtet, knüpfte an ihre Vorarbeiten an und entwickelte sie in ununterbrochener Kontinuität theoretisch, mit praktischen Vorschlägen und bei konkreten Begegnungen mit den Orthodoxen weiter. In seinem Werdegang als Theologe, Wissenschaftler, Priester und Mönch war er sowohl in der östlichen als auch in der westlichen Theologie bewandert, kannte die UGKK in der Ukraine und der westlichen Diaspora.

Er leitete allerdings eine Kirche, die aufgrund der kirchenpolitischen Begebenheiten für einen Störfaktor und für ein ernsthaftes Hindernis in der Ökumene gehalten wurde. Trotz der negativen Wahrnehmung und Skepsis setzte sich Husar mit den komplizierten und historisch belastenden Fragen der zwischenkirchlichen Beziehungen auseinander und entwickelte eigene Ideen zur Überwindung der in der Ukraine existierenden zwischenkonfessionellen Kontroversen. In den Mittelpunkt stellte er das gemeinsame Erbe der christlichen Kiewer Tradition seit der Taufe der Kiewer Rus’ (988) als gemeinsamen Schatz von Orthodoxen und Katholiken. Es darf daher nicht verwundern, dass Patriarch Lubomyr Husar jegliche ökumenische Initiative in der Ukraine und in anderen Ländern unterstützte und diese mit Rat und Tat förderte.

Die Kirche hier auf Erden hat ihren treuen Sohn verloren, hat jedoch zugleich „einen mächtigen Fürsprecher in der himmlischen Kirche gewonnen“, so die Meinung vieler Gläubigen der UGKK. Der Herr schenke ihm ewiges Gedächtnis! Sein Werk, seine Gedanken, sein Leben und seine Liebe zur Kirche und zu den Menschen mögen uns Mut verleihen, nach seinem Vorbild zu leben und handeln.