Elizabeth Theokritoff zu Orthodoxie und Ökologie

26. September 2019

Ökologie und Umweltfragen sind in den letzten Jahren zu einem vielbeachteten Thema geworden. Welche Rolle spielen sie in der orthodoxen Theologie?
Ökologie und Umweltthemen werfen im weiteren Sinn wichtige „theologische“ Fragen auf – Fragen über das theologische Verständnis der irdischen Schöpfung und der Rolle des Menschen darin. Während sich die westliche „Öko-Theologie“ oft auf die Herrschaft des Menschen über die Erde, später umgeformt zur Verwalterschaft, konzentriert hat, beharrt die orthodoxe Theologie auf den weiteren Kontext, in dem Geschöpfe in Beziehung zu einander stehen. Was ist Gottes Beziehung zu Seiner Schöpfung, und was ihre zu Ihm? Wie beruft Er die Geschöpfe dazu, einander zu dienen, um Seinen Plan für die ganze Schöpfung zur Erfüllung zu bringen? Die Beziehung zwischen Gott und der Schöpfung als Ganzes hat bei der Erneuerung der orthodoxen Theologie während des letzten Jahrhunderts eine wichtige Rolle gespielt und der heutigen Orthodoxie eine Fülle von Denken und Lehren gegeben, an die sie anknüpfen kann. Ein solches theologisches Denken über die Welt mag weit entfernt von Sorgen über die Reduktion von CO2-Emisionen oder dem Schutz gefährdeter Arten erscheinen, aber tatsächlich hat es einen tiefgreifenden Effekt auf unsere gesamte Vision der Welt, da es die Rahmenbedingungen formuliert, innerhalb derer wir all unsere Entscheidungen treffen. Daher geht es weniger um eine Frage nach der Rolle von Umweltthemen in der Theologie, als nach dem Weg, wie Theologie die Grundlage für ein Umweltethos zur Verfügung stellt.

Was ist die allgemeine Position orthodoxer Theologen zur Ökologie, falls es eine solche überhaupt gibt?
Die Orthodoxe Kirche hat keine Tradition, „Positionen“ zu aktuellen Themen auf die Art zu diskutieren, die im Westen populär geworden ist; wenn also „Ökologie“ auf diese Art präsentiert wird, erhält sie von den meisten orthodoxen Theologen wenig Beachtung. Aber mehrere prominente Theologen haben viel zu den zugrundeliegenden Fragen zu sagen, die von der ökologischen Krise aufgeworfen werden. Dazu zählen Metropolit Ioannis (Zizioulas) von Pergamon, Metropolit Kallistos (Ware) und John Chryssavgis sowie frühere so vorausschauende Autoren wie Vater Dumitru Stăniloae, Metropolit Anthony (Bloom) von Sourozh und Olivier Clément. Patriarch Bartholomaios von Konstantinopel ist zweifellos die bekannteste Stimme, seine häufigen Reden und Statements haben ihn international zum Anführer der christlichen Sorge für die Umwelt gemacht und zu einer wichtigen Inspiration für Papst Franziskus‘ Enzyklika Laudato Si werden lassen.

Orthodoxe teilen normalerweise die Überzeugung, dass das Modell dafür, wie Menschen die irdische Welt sehen und benutzen, in der Art verkörpert ist, wie das Irdische in der Kirche wahrgenommen wird: im sakramentalen Leben, in der Erschaffung und Verehrung der Ikonen und vor allem in der Eucharistie, in der wir davon sprechen, Gott „Sein Eigenes von Seinem Eigenen“ darzubringen. Die Welt gehört Gott, nicht uns: sie spricht von Ihm und drückt Seine Gnade aus. Was auch immer wir damit tun, sollte also eine Gabe zurück an Gott in Dankbarkeit sein. Und ein wichtiger Aspekt davon ist die Bereitschaft, die Güter der Erde mit anderen Menschen zu teilen und unser eigenes Wohlbefinden und unsere Bequemlichkeit zu opfern, um das zu tun. Im Anschluss an Zizioulas verwenden manche orthodoxe Theologen gern das Bild vom Menschen als „Priester der Schöpfung“, um diese Haltung des Gebens auszudrücken. Um das Bild nicht misszuverstehen, muss man allerdings den starken Sinn der Sobornost im orthodoxen Verständnis der Kirche bedenken: Die Kirche ist ein Körper, in dem der Priester einen Dienst erfüllt und die Rolle der Laien nicht weniger essenziell ist.

Es gibt einen breiten orthodoxen Konsens darüber, dass die irdische Welt als sakramental betrachtet werden sollte. Daher hat es etwas Frevlerisches an sich, sie zugunsten unserer Gier oder Launen auszunutzen. Wir erhalten sie zur Nutzung zugunsten der Beziehung zu Gott, und nicht nur einer individuellen Beziehung, sondern der einer ganzen Gemeinschaft von Geschöpfen.

Wie werden diese Positionen praktisch um gesetzt?
Orthodoxes Handeln ist meist langfristig angelegt; es ist eher darauf bedacht, ein ganzes Ethos zu formen, als einzelne Probleme anzugehen. Die vielleicht bekannteste Initiative sind die Religion, Science and Ecology-Symposien an Bord von Schiffen, die seit 1995 vom Ökumenischen Patriarchat organisiert werden. Die jüngste ähnliche Veranstaltung fand 2018 auf der Insel Spetses statt. Als „Symposien“ sind sie eher Gelegenheiten, sich zu treffen und Meinungen auszutauschen, als um Aktionspläne zu entwickeln. Aber deren langfristigen Auswirkungen, eine solche Bandbreite von Menschen zusammenzubringen, die von der Sorge um die Umwelt vereint sind, ist schwer zu überschätzen. Teilnehmer hören zu, lernen voneinander und knüpfen persönliche Verbindungen, die die solideste Basis für eine künftige Zusammenarbeit sind. Die Symposien schließen Umweltwissenschaftler und -aktivisten, UN-Klimaunterhändler und nachhaltige Kleinbetriebe, Menschen von den höchsten Ebenen bis zur Basis, die sich mit Politik, Wirtschaft und Naturschutzarbeit beschäftigen, Theologen und Vertreter verschiedener Religionen sowie humanitäre Helfer (auf Spetses waren das Personen, die auf allen Seiten der Migrationskrise involviert sind) ein. In einem kleineren Maßstab wird ein Raum für ähnlich fruchtbare Begegnungen zwischen Vertretern verschiedener Disziplinen und Theologen vom Institut für Theologie und Ökologie geschaffen, das 1991 von der Orthodoxen Akademie von Kreta eingerichtet wurde.

In vielen Teilen der orthodoxen Welt geben vor allem die Klöster vorbildliche ökologische Gemeinschaften ab und zeigen durch ihr Beispiel, wie eine rechte Beziehung mit der gesamten irdischen Schöpfung wesentlich für das christliche geistliche Leben ist. Mehrere Klöster auf dem Berg Athos arbeiten seit fast 30 Jahren mit Experten und Organisationen von außerhalb zusammen, um die Ökologie der Halbinsel zu bewahren. Beispielsweise räumen sie historische Fußwege auf dem Berg frei, um die Pilger zu ermutigen, zwischen den Klöstern zu Fuß zu reisen, und durch eine andauernde Serie von Lagern zur „geistlichen Ökologie“ erfahren junge Männer aus der ganzen Welt das Leben der Klöster, während sie an Naturschutz- und anderen Arbeiten teilnehmen. Traditionell funktionieren die meisten Klöster als mehrheitlich selbstversorgende Landwirtschaftsgemeinschaften; in den letzten Jahren entwickeln und lehren viele von ihnen bewusst nachhaltige Praktiken, indem sie traditionelle Weisheit und lokales Wissen mit den jüngsten Fortschritten in Bio-Landwirtschaftstechniken kombinieren. Ein frühes Beispiel dafür ist das große Frauenkloster Ormylia in Nordgriechenland. Beispielhaft sind auch das französische Kloster Solan, das sich durch Bio-Landwirtschaft und Verkauf seiner Produkte selbst erhält, oder das Nera-Kloster in Rumänien, das in den 1990er Jahren begann, eine Erneuerung der traditionellen Landwirtschaft mit dem Angebot von medizinischer Versorgung zu kombinieren, und nun eine Auswahl an Naturheilmitteln produziert. Das Kloster Chrysopigi auf Kreta führt neben der eigenen tiefen Sensibilität für seine Umwelt bei Landwirtschaft, Bau und Verwendung Programme in Umweltbildung für die lokalen Kinder und Jugendliche durch. Das zutiefst internationale Kloster Timiou Prodromou in der Nähe von Agia in Zentralgriechenland betreibt ebenfalls Bio-Landwirtschaft und berät lokale Bauern, zudem ist es umfassend in regionalen und internationalen Organisationen zur Bewahrung und zum Austausch von Saatgut engagiert. Wie Chrysopigi verdankt dieses Kloster viel von seiner Inspiration dem bekannten Vater (inzwischen Heiligen) Porphyrios (Bairaktaris), bekannt für seine Liebe zur Natur, die er als „kleine Liebe, die zur großen Liebe führt, die Christus ist“ ansah.

Es gibt auch Initiativen von Eparchien und Gemeinden. Die Orthodoxe Akademie von Kreta gibt ein Beispiel und fordert alle ihre Besucher und Gäste mit ihrer Aufmerksamkeit für Energie- und Wassersparen sowie Verringerung des CO2-Fußabdrucks, einschließlich einer umfangreichen Photovoltaikanlage auf dem Dach, heraus. Sie organisiert auch spezifische Umweltbildungsprogramme für Kinder. Die Akademie, die schon in den 1980er Jahren ein Programm zu „alternativem Tourismus“ hatte, pflegt insbesondere den Fokus auf die lokale Umwelt und die Verbindung von Ort, natürlicher Umgebung und geistlichem Leben, beispielhaft dargestellt in ihrem Museum für kretische Kräuter und dazugehörenden geführten Spaziergängen sowie ihrem Projekt für Wege aus Natursteinen in Zusammenarbeit mit der Schule für Garten- und Landschaftsarchitektur in Rheinland-Pfalz. Das erste dezidierte Umweltzentrum wurde Metropolie von Limassol auf Zypern eingerichtet und bietet eine umfassende Spannbreite an Bildungsaktivitäten für Kinder und Erwachsene in Ökologie und Umweltbürgerschaft, Forschung, Publikationen und Kooperationen mit anderen Umwelt- und Wissenschaftsorganisationen. Dieses eindrückliche Projekt spiegelt die Vision des örtlichen Bischofs, Athanasios (Nikolaou), der auch einem Permakulturgarten und der Bio-Landwirtschaft im Drogenrehabilitationszentrum Agia Skepi seinen Segen gab, das er vor 20 Jahren in Filani gründete, als er noch Abt des Kloster Machairas gewesen war. In jüngerer Zeit haben Eparchien und Gemeinden in verschiedenen Teilen Russlands eine Vielfalt von praktischen Aktivitäten und Initiativen lanciert, mit einem Schwerpunkt auf „Menschen, die die Welt verändern“, die von Umweltbildung für Kinder über Waldsäuberungsaktionen bis zur Einrichtung von Heimen für verlassene oder misshandelte Tiere reichen; die Initiative wird von der Eparchie Melekess in Sibirien koordiniert.

Der Stellenwert des klösterlichen Vorbilds führt zu der überzeugenden Einsicht, dass eine bestimmte Haltung zum Rest der Schöpfung ein integraler Teil des geistlichen Lebens zu sein hat. Das bedeutet, dass unsere ökologischen Bemühungen sich nicht von anderen Bereichen des christlichen Lebens unterscheiden: Sie benötigen ständige Wachsamkeit gegen geistliche Fallstricke, die oft die besten menschlichen Absichten behindern, wie eine selbstgerechte Intoleranz gegenüber denen, die unseren Eifer nicht teilen. Das bedeutet einen geringeren Hang, sich auf das Thema des Moments zu fixieren, sei es Plastikabfall, Rinderzucht oder Verkehr. Und es schützt davor, von „Klimapanik“ oder „Öko-Angst“ überwältigt zu werden: Ökologie ist nur ein weiteres Gebiet, in dem wir imperfekte menschliche Wesen sind, die sich bemühen gewissenhaft zu sein.

Dr. Elizabeth Theokritoff ist Forscherin am Institute for Orthodox Christian Studies in Cambridge.

Übersetzung aus dem Englischen: Natalija Zenger.