Die Serbische Orthodoxe Kirche vor der Patriarchenwahl

11. Februar 2021

Wie wählt die Serbische Orthodoxe Kirche einen neuen Patriarchen?
Gemäß der Verfassung der Serbischen Orthodoxen Kirche wird der Patriarch, der den Titel „Erzbischof von Peć, Metropolit von Belgrad und Karlovci und serbischer Patriarch“ trägt, von den Mitgliedern der Heiligen Bischofsversammlung (d. h. von den Metropoliten und Bischöfen) gewählt, die drei Kandidaten auswählen, die über 50 Prozent Unterstützung haben. Dann wird ein Mönch (normalerweise ein Archimandrit) bestimmt, der, nachdem die Namen der drei Kandidaten in Umschläge und in ein Evangeliar gelegt worden sind, ein Gebet spricht und dann einen Briefumschlag entnimmt, wodurch die Gnade des Hl. Geistes manifestiert wird. Dann gibt der älteste Bischof, der auch den Vorsitz im Wahlgremium führt, den Namen des neu gewählten Patriarchen bekannt und fragt ihn, ob er die Wahl annimmt. Wenn der neu gewählte Patriarch die Wahl akzeptiert, spricht er die Bischofsversammlung an. Dann wird die Nachricht der Öffentlichkeit bekannt gegeben, und am nächsten Tag findet in der Kathedrale in Belgrad die Inthronisierung des neu gewählten Patriarchen satt. Später im Jahr wird im Patriarchenkloster Peć, dem historischen Sitz der Serbischen Orthodoxen Kirche, eine Inthronisierungszeremonie organisiert.

Aufgrund dieses Wahlprocederes war es dem Staat während der kommunistischen Ära nicht möglich, sich in die Wahl des Oberhauptes der Serbischen Orthodoxen Kirche einzumischen, und diese Art der Wahl wurde bis heute beibehalten. Sie hat ihre Grundlage im Neuen Testament (Apg 1,15-26) und stellt eine Art Kombination aus menschlichem Verlangen (weil die Mitglieder des Wahlgremiums drei Kandidaten auswählen) und Gottes Verlangen (weil am Ende die endgültige Wahl Gott überlassen bleibt) dar.

Vor welchen Herausforderungen steht der neue Patriarch?
Der Patriarch ist ein Symbol für die Einheit der Kirche. Seine Hauptaufgabe wird es daher sein, diese Einheit zu widerzuspiegeln, sich um sie zu kümmern und sie zu fördern. Es ist allerdings zu erwarten, dass der neue Patriarch bestimmte Probleme im Zusammenhang mit der kirchlichen Bildung, der Stärkung des sozialen Dienstes der Kirche, dem in Serbien sehr beliebten Digitalisierungsprozess und dem Dialog mit anderen Kirchen angehen wird. Der Dienst als Patriarch ist komplex und mehrdimensional, daher sollten wir abwarten, was der neue Patriarch in den Mittelpunkt seiner Interessen stellen wird.

Was erwartet bzw. erhofft sich die serbisch-orthodoxe Diaspora in Westeuropa vom neuen Patriarchen?
Die Gläubigen in der Diaspora erwarten vom neuen Patriarchen, dass er weiterhin für die Einheit der Kirche sorgt, aber auch ein geistlicher Vater und ein Vorbild für das christliche Leben ist. Da mittlerweile mehr als die Hälfte der Serben außerhalb Serbiens lebt, ist zu erwarten, dass der neue Patriarch den Gläubigen in der Diaspora besondere Aufmerksamkeit schenkt.

Milan Kostrešević, Doktorand und Assistent am Departement für Christkatholische Theologie der Universität Bern und Präsident der AGCK Schweiz.

Bild: Sveti Sava-Kathedrale in Belgrad.