Ein neues Kapitel in den Kirche-Staat-Beziehungen in Slowenien?

03. Juni 2021

Die slowenische Regierung hat jüngst angekündigt, den Dialog mit der katholischen Kirche zu verstärken. Dazu wurde ein neues Dialoggremium mit kirchlichen und staatlichen Vertretern gegründet. Was ist der Zweck dieses neuen Gremiums?
Bislang ist noch nicht ersichtlich, was der Zweck dieses neuen Gremiums ist. Laut offiziellen Regierungsquellen soll das Dialoggremium herausfinden, was die wichtigsten offenen Probleme zwischen der Republik Slowenien und der katholischen Kirche sind. Weitere Angaben gibt es nicht. Manche Experten glauben, dass Themen wie pastorale Aktivitäten in der Armee, in den Gefängnissen und Krankenhäusern auf der Liste stehen werden. Einige sehen Katechese an öffentlichen Schulen (in Slowenien gibt es an öffentlichen Schulen keine Katechese bzw. Religionsunterricht) oder Fragen der kirchlichen Finanzierung als weitere mögliche Themen. Andere würden auch nicht ein neues – zweites – internationales Abkommen mit dem Hl. Stuhl als finales Ziel ausschließen. Ein Dialog als solcher stand jedoch nie außer Frage. Gemäß dem ersten Abkommen zwischen der Republik Slowenien und dem Hl. Stuhl, das am 28. Mai 2004 in Kraft trat, sind der slowenischen Staat und die katholische Kirche bei Fragen, die als offen angesehen werden, zum Dialog verpflichtet.

Allerdings gibt es gute Gründe, das neue Gremium kritisch zu beobachten. Erstens ist es ein Ersatz für den 2015 gegründeten Rat, der als ein pluralistischer Raum aller Religionsgemeinschaften für Diskussionen zur Religionsfreiheit konzipiert war. Die gegenwärtige Regierung hat auch das 1993 gegründet Büro für Religionsgemeinschaften aufgelöst. Das hat zur Folge, dass die nicht-katholischen Religionsgemeinschaften keinen offiziellen Kommunikationskanal mehr mit dem Staat haben. Die besondere Aufmerksamkeit, die nun der größten Religionsgemeinschaft im Land zuteilwird, könnte ein Hinweis darauf sein, dass die gegenwärtige Regierung der katholischen Kirche eine höhere Position einräumen will. Zweitens gibt es mehrere Anzeichen, dass einige Regierungspolitiker und Geistliche, die zu den Initiatoren des neuen Gremiums gehören, Slowenien gerne wieder als „katholisch“ sehen würden – in Bezug auf viel engere Beziehungen zwischen Kirche und Staat. Sie akzeptieren zwar religiöse Pluralität als unbestreitbare Gegebenheit, doch würden sie gerne eine Art privilegierte Rolle der „Mutterkirche“ begründen. Ministerpräsident Janez Janša hat seine Absicht, Slowenien zur politischen Rechten auszurichten, offen zum Ausdruck gebracht. Somit lässt sich drittens die Interpretation nicht ausschließen, dass die Regierung mit dem Gremium einen versteckten Zweck verfolgt: eine Stärkung ihrer Position unter religiösen Wählern aus rein politischen Gründen. Schließlich erscheint die Zusammensetzung des Gremiums nicht sehr dialogisch: von staatlicher Seite nehmen praktizierende Katholiken und ein ehemaliges Mitglied der kommunistischen Partei teil, das wie viele andere Figuren aus dem vormaligen sozialistischen Europa zu einem der größten Verbündeten der Kirche wurde. Insgesamt scheint somit die religiöse Gleichstellung in Frage gestellt.

Wie ist allgemein das Verhältnis zwischen der katholischen Kirche und dem Staat?
Slowenien stellt sich religiös mehr und mehr pluralistisch dar. Vor dem Zweiten Weltkrieg waren 98 Prozent der Bevölkerung nominell Katholiken. Nun gehören ca. 60 Prozent der Bevölkerung der katholischen Kirche an. Zudem gibt es mehr als 50 weitere registrierte Religionsgemeinschaften in Slowenien, plus Dutzende weitere, die nicht registriert sind. Ein Großteil der slowenischen Gesellschaft ist säkular geprägt. Ungefähr 40 Prozent sind Atheisten, unter ihnen viele formelle Katholiken. Das zeigt, dass allein die Katholiken eine ziemlich heterogene Kategorie sind, ein Großteil ist eher autonom und selektiv in ihren Glaubensvorstellungen. Meiner Ansicht nach kann solch eine religiöse Zusammensetzung keine Grundlage für ein altmodisches Modell einer Kirche-Staat-Beziehung sein.

Die slowenische Verfassung schreibt die Trennung von Staat und Religionsgemeinschaften sowie Religionsfreiheit vor. Wir wissen, dass eine solche Lösung für die katholische Kirche seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil grundsätzlich kein Problem darstellt. Allerdings lässt sich durchaus sagen, dass die relativ strikte Trennung von Staat und Kirche in Slowenien im Vergleich zu einigen Nachbarländern für die größte Kirche im Land nicht zufriedenstellend erscheint. Viele Geistliche erhofften sich nach 1991 eine größere gesellschaftliche Rolle für die Kirche. So gab es Bestrebungen, Slowenien zu rekatholisieren, insbesondere zur Zeit von Erzbischof Franc Rode, der von 1997 bis 2004 die Erzdiözese Ljubljana leitete. Die drei Jahrzehnte nach dem Ende des sozialistischen Regimes waren daher von Spannungen über die Interpretation der Trennung von Kirche und Staat geprägt.

Zu hohe Erwartungen veranlassten einen bedeutenden Teil der Kirche auch zu riskanten wirtschaftlichen Unternehmungen, die katastrophale Auswirkungen auf die ganze Ortskirche hatten. Zwischen 2009 und 2013 wurde zweimal die Kirchenleitung – das sind vier Erzbischöfe – aufgrund des Eingreifens des Vatikans zum Rücktritt gezwungen. Drei Erzbischöfe mussten aufgrund ihrer Rolle bei den finanziellen Unternehmungen zurücktreten, die hochriskante Investments umfassten und die Erzdiözese Maribor in die Pleite führten. Viele Gläubige verloren dabei ihre Ersparnisse. Das Vertrauen in Kirche und Klerus ging nach diesen Ereignissen erheblich zurück. Überraschenderweise oder auch nicht entstand unter einem Teil des Klerus und der Gläubigen eine Kritik an Papst Franziskus, weil dieser 2013 eingegriffen hatte. Vor diesem Hintergrund lässt sich sicher besser verstehen, welche vielschichtigen Emotionen ausgelöst werden, wenn die Politik etwas im Verhältnis zur katholischen Kirche verändern will, oder wenn die Kirche einige „offene Fragen“ mit Politikern diskutieren möchte. Grundsätzlich würde ich allerdings sagen, dass die Slowenen bisher einen hohen Grad an Religionsfreiheit genießen. Meiner Ansicht nach leidet niemand an systematischen Ungerechtigkeiten in Bezug auf die Religionsfreiheit.

Unter der Janša-Regierung hat sich die politische und kulturelle Polarisierung in der slowenischen Gesellschaft vertieft. Wie positioniert sich die katholische Kirche in diesem Konflikt?
Ich würde die Beziehungen zwischen der gegenwärtigen Regierung und der katholischen Kirche als gegenseitig unterstützend charakterisieren. In Zeiten einer Pandemie ist es verständlich und unabdingbar, dass alle gesellschaftlichen Akteure zusammenarbeiten. Je größer die Kooperation, umso größer der kollektive Gewinn. Das Problem ist jedoch, dass die Regierung als eigennütziger Akteur handelt, dessen Ziel immer mehr politische Macht auf Kosten anderer ist – und das gerade in Zeiten, die Zusammenarbeit verlangen. Ein Ergebnis dieser Politik ist die wachsende politische Polarisierung. Bis auf wenige Ausnahmen unterstützen kirchliche Vertreter diese Politik oder schweigen dazu.

Interessant finde ich dabei die Kluft zwischen den Einstellungen von Papst Franziskus, wie sie in seinen Dokumenten ausgedrückt sind, und den Ansichten der politischen Rechten in Slowenien, die ein politischer Verbündeter der katholischen Kirche in Slowenien sein will. Während der Papst ein Kritiker des Neoliberalismus, der kapitalistischen Marktwirtschaft und populistischer (antimigrantischer) Politiker und ein Förderer einer Begegnungskultur ist, lässt sich sagen, dass die politische Rechte in Slowenien neoliberale Reformen, eine Twitterkultur der Hassrede und eine antimigrantische Rhetorik begünstigt. Paradoxerweise oder auch nicht befindet sich daher die politische Linke momentan viel mehr im Einklang mit den Positionen des Papstes.

Marjan Smrke, Dr., Ass. Professor an der Fakultät für Sozialwissenschaften der Universität Ljubljana.

Übersetzung aus dem Englischen: Stefan Kube.

Bild: Der Dom St. Nikolaus ist die Kathedralkirche des Erzbistums Ljubljana. (© Wikimedia Commons)