Positives Echo auf den Papstbesuch in der Slowakei

23. September 2021

Die Zahl der Teilnehmenden an den öffentlich zugänglichen Messen und Veranstaltungen mit Papst Franziskus ist deutlich unter den Erwartungen geblieben. Warum war das Interesse in der slowakischen Bevölkerung so gering?
Der viertägige Besuch des Papstes in der Slowakei vom 12. bis 15. September hat nicht nur bei den Gläubigen, sondern in der gesamten Gesellschaft großes Interesse geweckt. Schon während der Vorbereitungen wurde viel darüber diskutiert, welche Themen der Papst ansprechen würde. Die im Vorfeld veröffentlichten Zahlen der Gläubigen, die den Papst erwarten, wurden mit 350’000-400’000 angegeben, was die Veranstaltung zur größten Versammlung in Europa während der Pandemiezeit gemacht hätte. Nur wer geimpft war, konnte sich für einige Orte der Begegnung mit dem Papst anmelden. Eine Woche vor dem Besuch wurden die Bedingungen geändert, so dass sich auch Getestete und Genesene für den Besuch anmelden konnten.

Nach dem Besuch zeigen die Zahlen, dass bei den Begegnungen mit dem Papst in Košice, Prešov, Bratislava und Šaštín insgesamt 100’000 Besucher anwesend waren. Das geringere Interesse der Menschen kann mehrere Gründe haben. Im europäischen Vergleich gehört die Slowakei mit einer Durchimpfungsrate von lediglich 42 Prozent zu den Ländern mit einem hohen Misstrauen gegenüber Corona-Impfungen. Bei der Anmeldung für den Papstbesuch wurde die Impfung zur Bedingung gemacht. Daher organisierten mehrere Pfarreien Busse für die Gläubigen, um den Papst in Budapest zu treffen, wo die pandemischen Bedingungen für die Teilnahme lockerer waren als in der Slowakei.

Ein weiterer Grund ist, dass die Pandemiezeit viele Gläubige gelehrt hat, ihre Spiritualität virtuell über den Bildschirm zu erleben. Dies zeigt sich auch bei der Teilnahme an den Sonntagsgottesdiensten, wo selbst bei einer lockeren Regelung die Besucherzahlen niedriger sind. Der Besuch des Papstes war daher für viele eine erfüllende Erfahrung, auch wenn sie die Fernsehübertragung verfolgten. Der dritte Grund ist, dass viele slowakischen Gläubigen dem Papst nicht so wohlgesonnen gegenüberstehen wie Papst Johannes Paul II, bei dessen Besuch im Jahr 1995 gegen 300’000 Menschen zu einem Gottesdienst kamen. Der derzeitige Papst ist für viele Gläubige zu liberal und in einigen Bereichen unverständlich, etwa in der Migrationsfrage oder in seinem Umgang mit Minderheiten.

Wer hat an den Veranstaltungen teilgenommen und wie war die Stimmung vor Ort?
Erster Programmpunkt seines Pastoralbesuchs in der Slowakei war ein ökumenisches Treffen in der Hauptstadt Bratislava, gefolgt von einem privaten Treffen mit Mitgliedern des Jesuitenordens. Am zweiten Tag fand im Garten des Präsidentenpalastes ein Treffen mit Vertretern des Staates und der Zivilgesellschaft statt. Den Höhepunkt des Programms bildete das Treffen mit Priestern und Katecheten. Eine der Botschaften an den Klerus lautete, nicht zu versuchen, die Welt zu bekämpfen und sich nicht in der Festung des defensiven Katholizismus zu verbarrikadieren. Es folgten ein Besuch in einem Armenzentrum in Bratislava und ein Treffen mit der jüdischen Gemeinde, bei dem der Papst betonte, dass „wir uns schämen zuzugeben: Wie oft ist der unaussprechliche Name des Allerhöchsten für unbeschreibliche Akte der Unmenschlichkeit benutzt worden!“

Der dritte Tag war in der Ostslowakei gewidmet: eine griechisch-katholische Liturgie, ein Treffen mit jungen Menschen sowie ein Besuch in der Roma-Siedlung Lunik IV am Stadtrand von Košice. Der letzte Tag war für einen Gottesdienst im Wallfahrtsort Šaštín reserviert. Dabei erwähnte der Papst mehrfach das notwendige Eintreten für die Armen und Schwachen. Er motivierte die Teilnehmer auch, „den Glauben nicht auf einen Zuckerguss zu reduzieren, der das Leben versüßt“.

In seiner Rede vor den Geistlichen hat Papst Franziskus zu Freiheit, Kreativität und Bereitschaft zum Dialog aufgerufen und dabei auch leise Kritik geübt. Wie wurde diese Rede von der slowakischen Kirche aufgenommen?
Kurz nach dem Besuch ist es noch zu früh, um zu beurteilen, welche Früchte die Botschaften des Papstes tragen werden. Die veröffentlichten Reaktionen der Kleriker sind positiv. Doch statt dem Aufruf zu Dialog und Freiheit zu folgen, betonten mehrere Priester nach dem Ende des Besuchs eine andere Botschaft des Papstes: Sie griffen einen beiläufigen Hinweis von Franziskus auf, dass eine Predigt in der Messe nicht länger als zehn Minuten dauern sollte. Die Botschaften des Papstes finden jedoch insgesamt ein sehr positives Echo, vor allem unter den Gläubigen, die sich seit langem kritisch zur Ausrichtung des Mainstream-Katholizismus im Kampf gegen die Welt äußern und von der Kirche mehr Diskussion erwarten, nicht nur gegenüber der Zivilgesellschaft, sondern auch innerhalb der Kirche.

Wie sind die Reaktionen auf den Papstbesuch in der Gesellschaft und Politik in der Slowakei?
Die freundschaftlichen Begegnungen zwischen dem Papst und der slowakischen Präsidentin waren ein starkes Symbol. Sie stehen im Gegensatz zu den Aussagen eines slowakischen Bischofs vor zwei Jahren, dass jeder, der für eine liberale Präsidentin in den Wahlen stimmt, eine schwere Sünde begeht. Eines der wichtigsten Ergebnisse des Besuchs ist, dass Franziskus viele Botschaften für die Versöhnung in der Gesellschaft hinterlassen hat. Seine Mahnungen zur Notwendigkeit des Dialogs, ohne Barrikaden zu errichten, sind für das gesamte postkommunistische Europa relevant. Er hat auch viele Gläubige ermutigt, die sich für mehr Offenheit einsetzen. Auf der anderen Seite nehmen traditionalistische Gruppen von seinen Ansprachendie Überzeugung mit, dass der Papst kein Liberaler ist und gegen die Homo-Ehe und die „Gender-Ideologie“ ist.

Jozef Žuffa, Doz. Dr. theol., Pastoraltheologe an der Theologischen Fakultät der Universität Trnava, Slowakei.

Bild: Papst Franziskus am 15. September in Šaštín. (© Clovek a vira/ TK KBS/Zuzana Kostkova)