"Die Orthodoxie" im Krieg

02. Juni 2022

Irena Pavlović

„Die Orthodoxie“ ist seit Jahren eine gespaltene Orthodoxie. Die aktuelle Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine hat den Konflikt innerhalb der Weltorthodoxie zusätzlich verschärft und das ohnehin niedrig einzustufende gegenseitige Vertrauen und Verstehen zwischen den Kirchen geschwächt.

Die Folgen des aktuellen „Risses“ in der Weltorthodoxie sind so gravierend, dass eine Perspektive auf die Versöhnung zwischen den orthodoxen Kirchen selbst in Frage gestellt wird. Viel wichtiger: neben diesem innerorthodoxen Konflikt befindet sich „die Orthodoxie“ derzeit im brutalen, militärisch ausgetragenen Krieg. Und „die Orthodoxie“ im Krieg versagt wiederholt. Wiederholt wird der Krieg religiös gerechtfertigt. Dieses Mal von einem Patriarchen selbst. Diese Positionierung des russischen Patriarchen Kyrill I. wirft viele Fragen auf, insbesondere: Wie ist die Haltung des Patriarchen zu verstehen und ist diese Haltung durch die orthodoxe Theologie bzw. ein Fehlen der sozialethischen Reflexionen zu erklären?  

Um diese Fragen skizzenhaft zu beantworten, werde ich zunächst die zentralen Narrative der Kriegskommunikation vom Patriarchen Kyrill I. sowie dem Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomäus I., dem Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie, vorstellen. Diese wurden gewählt, weil sie als typisch für eine eskalative bzw. deeskalative Kriegskommunikation zu betrachten sind. Keineswegs möchte ich damit suggerieren, dass diese repräsentativ für die jeweiligen Patriarchate sind oder einen binären Reduktionismus in der Wertung der Patriarchaten befürworten. Im Gegenteil, ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich auf die Pluralität der Positionen und Deutungen des Krieges innerhalb der russisch-orthodoxen Kirche hinweisen. In einem weiteren Schritt werde ich die zentralen theoretischen Ansätze über Religion und Gewalt skizzieren, die für eine Einordnung der Rolle der russisch-orthodoxen Kirche bzw. des Patriarchen hilfreich sind. Schließlich werde ich die zwei wichtigsten sozialethischen Reflexionen über Krieg und Frieden anhand von relevanten Dokumenten der orthodoxen Kirchen vorstellen und der Frage nachgehen, ob diese die Kriegskommunikation der kirchlichen Akteure beeinflussen können.

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