Vasilios N. Makrides zum Namensstreit zwischen Athen und Skopje

26. Januar 2018
In letzter Zeit ist Bewegung in den seit 27 Jahren dauernden Namensstreit zwischen Griechenland und Makedonien (FYROM) gekommen, es gibt Anlass zu vorsichtigem Optimismus. Wie reagiert die Orthodoxe Kirche von Griechenland auf die Annäherung?
Die Orthodoxe Kirche von Griechenland unter Erzbischof Hieronymos II. von Athen hat sich zurückhaltend bis negativ dazu geäußert, dass die Bezeichnung „Makedonien“ ein Bestandteil des Namens der früheren jugoslawischen Teilrepublik ist. Der Erzbischof hat sich diesbezüglich bereits mit dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras und dem Staatspräsidenten Prokopis Pavlopoulos getroffen. Dabei hat er sich aber für eine besonnene Haltung und gegen ein Referendum oder eine Massenkundgebung in dieser Frage ausgesprochen; all dies etwa im Gegensatz zur generellen Haltung seines Amtsvorgängers, Erzbischof Christodoulos, der für sein starkes öffentliches Auftreten bekannt war. Wäre Christodoulos heute noch Erzbischof, hätte er am wahrscheinlichsten eine öffentliche Kundgebung organisiert. Im Zusammenhang mit der Namensfrage hat Erzbischof Hieronymos zudem auf die in der Gesamtorthodoxie nicht anerkannte Makedonische Orthodoxe Kirche und deren Probleme insbesondere mit der Serbischen Orthodoxen Kirche hingewiesen. Man erkennt deutlich dabei, dass Hieronymos irgendwie zu balancieren versucht: Auf der einen Seite weiß er, dass es innerhalb der kirchlichen Hierarchie Bischöfe gibt, die noch eine harte Position vertreten und die auch an der Massenkundgebung vor wenigen Tagen in Thessaloniki teilgenommen haben, darunter der einflussreiche Metropolit Anthimos (Roussas) von Thessaloniki. Dieser hat u. a. durchgesetzt, dass die Hl. Synode sich zur Makedonien-Frage beraten soll, eine Sitzung, die für den 26. Januar geplant ist. Auf der anderen Seite ist Erzbischof Hieronymos generell für seine pragmatische und besonnene Haltung bekannt. Trotz seiner Bedenken in der Namensfrage hat er deutlich gemacht, dass er sich nicht in die Politik einmischen, sondern einfach konstruktiv aus patriotischem Interesse zur Lösung des Problems beitragen will.

Weshalb ist für Teile der Kirche die Makedonien-Frage so wichtig bzw. so emotional besetzt?
Das ist eine ziemlich komplexe Frage, die nicht allein die Kirche betrifft. Dazu muss man kurz auf die Vorgeschichte des Problems eingehen, das, wie bekannt, nach dem Zerfall Jugoslawiens in den 1990er Jahren entstand. Damals gab es bereits den Vorschlag einer Bindestrich-Bezeichnung der unabhängig gewordenen neuen Republik, wie z. B. Neu- oder Slavo-Makedonien, dies wurde jedoch von Griechenland abgelehnt, das von der benachbarten Republik immer den absoluten Verzicht der Bezeichnung „Makedonien“ gefordert hatte. Mittlerweile haben jedoch fast 140 Staaten dieses Land unter dem Namen „Republik Makedonien“ anerkannt, wobei die offizielle Bezeichnung, die international verwendet wird, FYROM („Former Yugoslav Republic of Macedonia“, „Ehemalige jugoslawische Republik Makedonien“) lautet. Selbstverständlich stärkte letztere Entwicklung eine nationalistisch orientierte Politik der Regierungen in Skopje, die sich durch gezielte Maßnahmen um die Konstruktion einer diachronen makedonischen Identität eigener Prägung von der Antike bis zur Gegenwart bemühten. Ein Besuch in der Hauptstadt Skopje genügt, um dies auf eindrucksvolle Weise zu zeigen. In diesem Rahmen beanspruchte die neue Republik den Namen Makedonien ausschließlich für sich selbst und lehnte verschiedene Kompromissvorschläge Griechenlands ab, das inzwischen seine ursprüngliche maximalistische Position grundsätzlich geändert hatte. Insofern gab es keinen Fortschritt mehr in den bilateralen Verhandlungen. Die jetzige, neue Regierung in Skopje hat dagegen von Anfang an signalisiert, dass sie bereit ist, einen Kompromiss in der Namensfrage einzugehen, was zu einer Wiederaufnahme der Verhandlungen durch den UNO-Vermittler Matthew Nimetz führte. Die Schnelligkeit, mit der dieser Prozess wieder aufgenommen wurde, sowie die besondere Situation, in der sich Griechenland aufgrund der Finanz- und Flüchtlingskrise momentan befindet, haben jedoch bei einem Teil der Bevölkerung einschließlich der Kirche gewisse Ressentiments geweckt. So sprachen viele Griechen sich gegen eine Kompromisslösung aus und kehrten zu der früheren griechischen maximalistischen Position zurück. Die jetzigen Reaktionen gegen die angestrebte Kompromisslösung sowie die Wiederbelebung des Nationalismus sind also zum großen Teil auf die durch die Finanzkrise bedingte Misere und Frustration im Lande zurückzuführen. Ein weiteres Problem stellt die jetzige linke Regierung unter Ministerpräsident Tsipras dar, denn die griechische Linke ist im Allgemeinen nicht für ihre klare Unterstützung von nationalen Themen und patriotischen Interessen bekannt. Nicht zu vergessen ist zudem, dass der Koalitionspartner der jetzigen Regierung die rechtspopulistische Partei „Unabhängige Griechen“ (ANEL) ist, die einer Kompromisslösung prinzipiell negativ gegenübersteht, was zu weiteren Komplikationen führen könnte. Dennoch gibt es unmissverständlich sowohl in Athen wie in Skopje den eindeutigen Willen, eine dauerhafte Lösung im Namensstreit zu finden. Insofern – trotz einiger noch zu überwindenden Schwierigkeiten (z. B. die Änderung bestimmter Artikel in der Verfassung FYROMs, die aus griechischer Sicht irredentistische Träume und Pläne offenbaren) – scheint die Lösung des Problems näher als je zuvor zu sein, was im Endeffekt weder neuerweckte Nationalismen noch die Hardliner der Kirche verhindern können.

Dr. Vasilios N. Makrides, Professor für Religionswissenschaft (mit Schwerpunkt Orthodoxes Christentum) an der Philosophischen Fakultät der Universität Erfurt.