Ana Thea Filipović zum Verhältnis zwischen der katholischen Kirche und den Jugendlichen in Kroatien

18. Oktober 2018
Zurzeit tagt im Vatikan die Bischofssynode zum Thema Jugend. Erstmals gab es eine Vorsynode, an der Jugendliche aus aller Welt ihre Erwartungen an die Bischöfe formulieren konnten. Waren auch kroatische Jugendliche dabei? Wie engagieren sich junge Menschen in Kroatien in der katholischen Kirche?
An der vorsynodalen Versammlung im März nahmen auch Jugendliche aus Kroatien teil. Insgesamt versammelten sich über 300 Jugendliche aus allen Teilen der Welt, wobei sich über die sozialen Netzwerke noch weitere 15‘000 Jugendliche aus unterschiedlichen Ländern an der Vorsynode beteiligten. Auf Basis des Beitrags der Jugendlichen wurde das Arbeitsdokument der Synode (Instrumentum laboris) ergänzt und abgeschlossen. Es ist mir nicht bekannt, dass Jugendliche aus Kroatien besondere Anmerkungen und Vorschläge gehabt hätten, aber sie schalteten sich vor Ort in die Arbeit der Vorsynode ein.

Auf die Frage, wie sich die Jugendlichen in der katholischen Kirche in Kroatien engagieren, lässt sich keine allgemeingültige Antwort geben: Viele Jugendliche sind – ähnlich wie die Erwachsenen und älteren Menschen – mehr traditionelle und kulturelle Katholiken, die bisweilen eher traditionelle Formen des Ausdrucks und des Feierns des Glaubens zeigen und so ihre Zugehörigkeit zur Kirche bekunden. Nach dem Fall des Kommunismus und der Möglichkeit des freien gesellschaftlichen Wirkens der Kirche entwickelten sich viele Aktivitäten, die auch eine bestimmte Zahl Jugendlicher einschließt. Jugendliche beteiligen sich an verschiedenen geistlichen, pastoral-katechetischen und karitativen Tätigkeiten. Sie nehmen an der geistlichen Erneuerung, Wallfahrten und Gebetstreffen teil. Besonders gern schließen sie sich verschiedenen Versammlungen junger Katholiken sowie ökumenischen Treffen an, sei es auf der diözesanen, der nationalen oder internationalen Ebene (Taizé-Treffen, Weltjugendtag). Die Studierenden beteiligen sich an der Studentenkatechese, Vorträgen und Podien, und die Jugendlichen im heranwachsenden Alter besuchen den Religionsunterricht in der Schule. In vielen Pfarrgemeinden gibt es Jugendchöre, und es werden Konzerte geistlichen Gesangs, Festivals, aber auch sportliche Aktivitäten und Wettbewerbe organisiert. Die Jugendlichen beteiligen sich auch an Camps für Jugendliche  sowie an karitativen Treffen und Aktivitäten. Sie versammeln sich vor allem innerhalb kirchlicher Bewegungen sowie im Rahmen von Gemeinschaften von Jugendlichen, die sich um Männer- und Frauenorden formieren.

In Kroatien stehen junge Menschen vor zahlreichen Schwierigkeiten. Die wirtschaftliche Situation und die verbreitete Arbeitslosigkeit führen dazu, dass viele sich zur Emigration entscheiden. Wie geht die Kirche mit diesen Herausforderungen um?
Die ökonomische Situation in Kroatien ist in der Tat leider nicht gut, so dass viele Jugendliche das Land verlassen. Der Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union am 1. Juli 2013 hat die Möglichkeiten zu einer Beschäftigung in einem anderen EU-Land erleichtert und treibt die Auswanderung der Jugendlichen an, vor allem derjenigen, die eine bessere Ausbildung erhalten haben. In den Ländern Westeuropas bestanden bereits zuvor kroatische katholische Gemeinschaften, sog. Kroatische katholische Missionen. Die jungen Katholiken, die heute ins Ausland aufbrechen, finden in den Missionen ein Stück Heimat und beteiligen sich gerne am Leben dieser Gemeinschaften, wo sie ihre Landsleute treffen, die ihnen bei der Lösung praktischer Lebensfragen helfen können.

Die Kirche in Kroatien sorgt sich wegen der Auswanderung der Jugend. Man versucht durch die Vergabe von Studienstipendien für Jugendliche mit schwachen Vermögensverhältnissen, dem Eröffnen von Studentenwohnheimen und ähnlichem etwas zu machen. Das ist allerdings nicht ausreichend. Die Kirche kann nicht mit verschränkten Armen da stehen und mit dem Finger auf die Politik zeigen, die nicht die notwendigen Schritte unternimmt und sich nicht ausreichend engagiert. Auch die Kirche muss sich gemeinsam mit den Jugendlichen engagieren und Teil ihres Lebens werden. Sie muss bei den Menschen in ihren Hoffnungen und Freuden sowie in ihren Ängsten und ihrer Trauer sein (vgl. Gaudium et spes 1). Die Jugendlichen sind Teil der Kirche und darum wird die Kirche – wenn sie ihnen zuhört und sie ernsthaft als gleichberechtigte Mitglieder begreift – zusammen mit ihnen nach Maßnahmen zur Förderung des Wohls der Menschen suchen, was deren geistliche, seelische und materielle Bedürfnisse umfasst.

Die Synode sollte ein Anlass für neue kirchliche Initiativen sozialen Engagements zum Nutzen der Jugend sein. Angemessene Antworten auf die heutigen Bedürfnisse der Jugendlichen erfordern die Mitwirkung aller in der Kirche, sowohl von Klerikern als auch von Laien, von Männern und Frauen, von Jungen und Alten. Angemessene Antworten auf die gegenwärtigen Probleme suchen auch eine Zusammenarbeit mit der Gesellschaft. Die Kirche in Kroatien ist noch immer in großem Maße von einer vorkonziliaren Aufteilung der Kirche in Kleriker und Laien geprägt. Die Vorstellung, dass nur die Kleriker die Kirche bilden, lässt sich auf allen Ebenen antreffen. In unserer Kirche herrscht auch weiterhin Skepsis gegenüber der Zivilgesellschaft – eine Abwehrhaltung, die die Kirche in sich selbst einschließt. Ohne Offenheit und Dialog mit der zeitgenössischen Welt und den Herausforderungen der gegenwärtigen Kultur kann sich das Christentum schwerlich verständlich machen und die Botschaft des Evangeliums in die heutigen Verhältnisse und das Leben der Menschen inkarnieren.

Was sind die Erwartungen an die Jugendsynode?
Die Erwartungen der jungen Gläubigen an die Synode sind keineswegs gering, dennoch unterscheiden sie sich natürlich. Für einige Jugendliche ist die Synode ein Symbol für die notwendige Erneuerung und den neuen Frühling der Kirche. Ein Teil der jungen Generation verbindet mit der Synode eine ähnliche Erwartung wie die Konzilsgeneration mit dem Konzil. Gerade die jungen Christen, die enger mit der Kirche verbunden sind, finden sich oftmals in einer Situation wieder, dass sie nicht nur ihren Glauben, sondern auch ihre Kirche verteidigen müssen. Dabei befinden sie sich in einem Zwiespalt, denn auch sie selbst sehen die zahlreichen Schwächen und den Missbrauch in der Kirche. Die Jugendlichen nehmen die Diskrepanz zwischen der Botschaft Jesu und den historisch bedingten Interpretationen seiner Botschaft wahr. Insbesondere sind sie empfindlich für den Widerspruch zwischen dem Evangelium, den evangelischen Werten, die die Kirche auf der einen Seite predigt, und nicht-evangelischen Werten, die auf der anderen Seite nicht selten in der Struktur der Kirche dominieren – in Vorschriften, Sitten, Denkweisen sowie in Formen des Verständnisses und der Ausübung von Macht. Die Jugendlichen wünschen sich dagegen eine glaubwürdige Kirche, die das lebt, was sie predigt.

Lebensunsicherheit, Angst vor dem globalen Arbeitsmarkt sowie dem möglichen Verlust der traditionellen kulturellen, nationalen und religiösen Identität erzeugt jedoch bei einem Teil der Jugendlichen das Bedürfnis nach existenziellen und gesellschaftlichen Autoritäten, die sich eben in einer traditionellen und klerikalen Volkskirche verkörpern. Daher resultiert der Hang zu einem doktrinären und liturgischen Traditionalismus oder zu einer emotionalen-charismatischen Spiritualität, die ihnen anhaftet und die ein Teil des jungen Klerus fördert. Diese jungen Laien sowie der Klerus, der sie leitet, tendieren zu einem Widerstehen der Welt, statt des Suchens eines Dialogs mit der Gegenwart.

Wenn wir uns fragen, was die schweigende Mehrheit der Jugendlichen denkt, die weiter weg von der Kirche ist und deren Denken vielleicht im Religionsunterricht in der Schule zu erfahren ist, oder auf Internetseiten sowie an anderen Orten und Gelegenheiten, dann wird ersichtlich, was die Jugendlichen in der Kirche stört und warum sie sich von ihr entfernen. Diese Jugendlichen können nur schwer den Klerikalismus annehmen, der der Einheit entgegensteht sowie Ungleichheit und Ausschließung in der Kirche verursacht. Sie fühlen sich innerhalb der Kirche nicht als Gleichberechtigte verstanden, aber ohne Beteiligung an Entscheidungen ist es schwer, das Leben der Kirche mitzugestalten. Mädchen und junge Frauen können das Beharren auf einer patriarchalen Auslegung der Glaubenstradition und einer autoritären Auffassung von Macht in der Kirche nicht mehr verstehen. Die Jugendlichen sind Teil der heutigen Kultur und sie erwarten von der Kirche, dass diese offen über wichtige anthropologische und gesellschaftliche Fragen der Gegenwart diskutiert. Die Kirche, die in ihrer Zeit lebt, muss sensibel für die jeweilige Zeit sein. Die Botschaft Jesu ist immer zeitgemäß, und die Freiheit Jesu befreit von der Angst.

Die Bischofssynode, die sich dem Thema „Die Jugendlichen, der Glaube und die Berufungsunterscheidung“ widmet (dabei geht es keineswegs nur um „geistliche“ Berufungen, sondern um unterschiedliche Berufungen in der Kirche und in der Gesellschaft), wird die Fragen und Bedürfnisse, die Ängste und Sorgen, aber auch die Sehnsüchte und Hoffnungen sowie das Engagement und den Beitrag der Jugend für eine bessere Kirche und eine bessere Welt ans Licht bringen. Die Eigenheiten jedes gesellschaftlichen, kulturellen und kirchlichen Kontextes sind von großem Reichtum und ein Antrieb zum wechselseitigen Lernen in der Kirche und zu ihrer Erneuerung durch das Öffnen für den Hl. Geist, der in der Gemeinschaft der Gläubigen spricht. Die Synode wird sicherlich keine Revolution bringen, aber die Teilnehmer werden an Erfahrung reicher sein, die auf fruchtbaren Boden fallen und auf langen Wegen Frucht in der Ausdauer hervorbringen können.

Ana Thea Filipović, PhD, außerordentliche Professorin am Lehrstuhl für Religionspädagogik und Katechetik, Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Zagreb.

Übersetzung aus dem Kroatischen: Stefan Kube.