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Russland: Patriarch regt Erwähnung Gottes in der Verfassung an

20. Februar 2020

Der russische Patriarch Kirill hat vorgeschlagen, Gott in der Präambel der russischen Verfassung zu erwähnen, weil die „Mehrheit der russischen Bürger an Gott glaubt“. Damit meine er nicht nur die Orthodoxen, sondern auch die Muslime und „viele, viele andere“. Schließlich heiße es auch in der russischen Nationalhymne „von Gott geschütztes Heimatland“, daher sei eine analoge Formulierung in der Verfassung legitim.

Kirill findet den Zeitpunkt angemessen, eine solche Änderung zu diskutieren. In Russland werden zurzeit weitere Verfassungsänderungen erarbeitet, die der russische Präsident Vladimir Putin gefordert hat. Unterstützung erhielt Kirill vom Leiter der Zentralen Geistlichen Administration der Muslime Russlands, Talgat Tadschuddin. Dieser möchte noch weiter gehen und in der Verfassung verankern, dass traditionelle Religionen vom Staat „moralisch und materiell“ unterstützt werden.

Sergej Gavrilov, der Leiter des Duma-Komitees für die Entwicklung der Zivilgesellschaft sowie für Fragen religiöser und gesellschaftlicher Organisationen, findet, der Vorschlag des Patriarchen verdiene eine breite Diskussion. Änderungen der Präambel müssten die „Grundlage nicht für ein heuchlerisches, sondern ein tiefes Verständnis des Patriotismus sein, der keine Spaltung des Landes aufgrund nationaler oder religiöser Zugehörigkeiten erlaubt“. Der Sprecher des Parlaments von St. Petersburg schloss sich Kirills Position ebenfalls an. Denn Russland sei ein „orthodoxes Land“, eine „imperiale Kraft“ und „die letzte Hoffnung Gottes auf der Erde“. Die Anpassung wäre „wichtig für die Festigung unserer Gesellschaft, die Steigerung der Spiritualität, der Sittlichkeit und Sorge um den Nächsten“. Auch die Kommunistische Partei Russlands hat laut ihrem Vorsitzenden nichts gegen die Nennung Gottes in der Präambel.

Widerspruch kommt von Irina Kirkova, der stellv. Vorsitzenden des Rats für Menschenrechte beim Präsidenten Russlands, die auch Teil der Arbeitsgruppe zur Ausarbeitung der Verfassungsänderungen ist. Aufgrund der zahlreichen Religionen Russlands und von Art. 14 der Verfassung, der Russland als säkularen Staat definiert, sei der Vorschlag problematisch. Mit einer Erwähnung Gottes würde die Präambel somit einer Verfassungsnorm widersprechen, so Kirkova. Zudem wäre die Änderung für russische Atheisten inakzeptabel, doch die Verfassung müsse allen Bürgern entsprechen. Metropolit Ilarion (Alfejev), der Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats, sieht in Kirills Vorschlag jedoch keinen Widerspruch zum weltlichen Charakter des russischen Staats. Auch in vielen europäischen und westlichen Staaten werde Gott in der Verfassung erwähnt, während dort selbstverständlich ebenfalls gläubige und nicht gläubige Menschen lebten. Außerdem brauchten alle Menschen Gott, auch diejenigen, die nicht an ihn glaubten.

Erzpriester Dimitrij Smirnov, Leiter der Patriarchalkommission für Fragen der Familie, schlug vor, die besondere Rolle des russischen Volks für die Staatsbildung ebenfalls in die Verfassung aufzunehmen. Es solle festgehalten werden, dass das „russische Volk das staatsbildende Volk ist“, so Smirnov. Obwohl viele Völker, die seit Jahrhunderten in Russland lebten, an der Gründung und Stärkung des Staats beteiligt gewesen seien und ihm heldenhaft gedient hätten, verfüge nur das russische Volk über den „Instinkt zur Schaffung eines Staates“. Das sei die Wahrheit und leicht zu beweisen, darin bestehe auch keine Beleidigung  eines anderen Volkes, sagte Smirnov gegenüber Radio Komsomolskaja Pravda. (NÖK)