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Russland: Verstöße gegen Corona-Maßnahmen durch Geistliche strafbar

30. April 2020

Das Moskauer Patriarchat hat das Verbot, Kirchen in Moskau und Umgebung zu besuchen, noch einmal verlängert. Zunächst galt das Verbot für die Karwoche und das orthodoxe Osterfest, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Dann wurde es bis zum 28. April, dem diesjährigen Tag des österlichen Totengedenkens, ausgedehnt, und nun vom 29. April bis auf weiteres verlängert. Wenn sich die hygienische und epidemiologische Situation verbessert, soll etappenweise das gewohnte Kirchen- und Gemeindeleben wiederhergestellt werden.

Patriarch Kirill rief die Geistlichen auf, sich streng an die Maßnahmen zu halten. Zu Beginn der Ausbreitung der Infektion hätten diese leider nicht alle „als ernsthafte Bedrohung wahrgenommen“, heißt es in einer Mitteilung der Corona-Arbeitsgruppe der Russischen Orthodoxen Kirche (ROK). Geistliche hätten die „Ermahnungen der Ärzte und der Kirchenleitung ignoriert“, deshalb sei es in einigen Klöstern und Kirchen zu zahlreichen Ansteckungen gekommen. In einer Anordnung erinnerte Kirill daher die Geistlichen an ihre „persönliche Verantwortung für die Einhaltung der Maßnahmen“ in den ihnen anvertrauten Klöstern und Kirchen. Wenn aufgrund eines Verstoßes gegen die Anweisungen sich jemand mit dem Virus infiziert und daran stirbt, kann der Verantwortliche vor ein Kirchengericht gebracht werden.

Besondere Aufmerksamkeit hatte die Predigt von Igumen Sergij (Romanov) aus einem Kloster im Ural hervorgerufen, in der dieser die Coronavirus-Pandemie als Mythos bezeichnete und dazu aufrief, sich der Kirchenleitung und den staatlichen Behörden nicht zu unterwerfen. Im Internet stieß die Predigt auf scharfe Kritik. An Ostern fand zudem in der Kathedrale von Syktyvkar, der Hauptstadt der Republik Komi, ein Gottesdienst in Anwesenheit von Gemeindemitgliedern statt. Der Vorsteher der Eparchie beteuerte, dass alle Vorschriften streng eingehalten worden seien, so hätten die Besucher Abstand gehalten und die Kommunion aus Einweglöffeln erhalten. Allerdings ist auf einem Video zu sehen, dass die Gläubigen die Kommunion alle mit dem selben Löffel erhielten.

In einer Petition an Patriarch Kirill vom 25. April kritisierten besorgte Laien die fehlende „Einheit“ der ROK in der aktuellen Situation und die Missachtung der Corona-Maßnahmen durch einige Geistliche. Sie forderten die ROK auf, transparent über Fallzahlen in Klöstern und Kirchen zu informieren, damit sich die Gläubigen besser schützen können. Die ROK hatte bereits zuvor kursierende Gerüchte über geschönte Fallzahlen entschieden dementiert. Die Kirche sei in ihrer Informationstätigkeit „maximal offen“, betonte Vladimir Legojda, Leiter der Synodalabteilung für die Zusammenarbeit der Kirche mit der Gesellschaft und den Medien. Zudem kritisierte er, niemand verlange Fallzahlen von anderen Institutionen, weder von Ministerien noch Unternehmen noch Läden oder Apotheken.

Patriarch Kirill machte in seiner Osterbotschaft den Gläubigen Mut und versicherte, dass für diejenigen, die nicht zum Gebet in die Kirche kommen können, gebetet werde. Religiöse Fernsehsendungen in der Karwoche verzeichneten mehr Zuschauer als üblich. Im Vergleich zum Vorjahr schauten in Städten mit über 100‘000 Einwohner doppelt so viele Menschen diese Sendungen. Am meisten Zuschauer verzeichnete die Zeremonie des Heiligen Feuers in Jerusalem am Ostersamstag.

In seinen Osterwünschen dankte der russische Präsident Vladimir Putin Patriarch Kirill für die „fruchtbare Zusammenarbeit in der jetzigen schwierigen Zeit“. Auch der Gouverneur der Region Moskau danke dem Patriarchen für die Unterstützung der staatlichen Coronavirus-Maßnahmen durch die ROK. Den Aufruf Kirills an die Gläubigen, vorübergehend keine Kirchen zu besuchen, bezeichnete er als „weisen und rechtzeitigen Schritt“. Der Gouverneur von St. Petersburg zeigte sich ebenfalls dankbar für die Position der ROK und bedankte sich beim Leiter der Eparchie St. Petersburg, Metropolit Varsonofij (Sudakov), für die Zusammenarbeit. Varsonofij bat den Gouverneur, den Kirchen Aufschub bei der Begleichung der kommunalen Kosten zu gewähren. Der Gouverneur hat die lokalen Verwaltungen aufgefordert, dies zu ermöglichen, und Unternehmen dazu aufgerufen, die Religionsgemeinschaften zu unterstützen. Auch die Duma hat dem Energieminister vorgeschlagen, den Religionsgemeinschaften kommunale Kosten für sechs Monate zu erlassen. (NÖK)