Aserbaidschan: Patriarch Kirill beklagt Krise traditioneller Werte

21. November 2019

In einer Rede vor Vertretern verschiedener Religionsgemeinschaften in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku hat der russische Patriarch Kirill neue Herausforderungen für traditionelle Religionen skizziert, darunter gewalttätige Konflikte und Terrorismus. Dabei sprach er von einem „Krieg“, der „gegen die traditionellen Religionen geführt“ werde. Am gefährlichsten sei die breite Beteiligung junger Menschen, deren Ursachen er unter anderem in mangelndem Wissen über andere, aber auch die eigene Religion verortete. Zudem biete die „Krise des Systems traditioneller Werte Raum für die Aktivitäten extremistischer Rekrutierer“. Daher müssten die religiösen Anführer nicht nur Extremismus verurteilen, sondern auch in der Gesellschaft stabile Werte wie „Familie, Ehe, Respekt für Ältere, Respekt für Religion und die religiöse Wahl von Menschen“ kultivieren.

Kirill konstatierte eine zunehmende Säkularisierung der Gesellschaft, im Zuge derer Religionen als überflüssig und als Vertreter einer beschränkten Weltsicht und veralteten Moral dargestellt würden. Mit der Religion würden zugleich traditionelle moralische Werte verworfen, insbesondere die Ehe als Verbindung zwischen Mann und Frau sowie die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens. Die am Gipfel vertretenen Religionsgemeinschaften hätten trotz „objektiver Unterschiede in ihrer Doktrin die gleichen Ansichten in Bezug auf die öffentliche Moral“. Daher sei es ihre gemeinsame Pflicht, die moralischen Leitlinien des Lebens zu bewahren.

Ein weiteres Thema von Kirills Rede am Zweiten Gipfel der Anführer von Weltreligionen in Baku war der Nahe Osten. Die dortige christliche Präsenz sei dauerhaft beschädigt worden, zugleich verwies Kirill auch auf die „Verfolgung von Christen“ in afrikanischen Ländern. Im Nahen Osten sieht er jedoch auch eine Gelegenheit, Solidarität und Sorge für Glaubensgeschwister zu zeigen. Der Moskauer Patriarch zeigte sich überzeugt, dass die Religionsführer mithilfe eines Dialogs zur Lösung von Problemen beitragen können. Um zu überzeugen, müssten die Religionsgemeinschaften allerdings gemeinsam und solidarisch sprechen, forderte er.

Am Rand des Gipfels traf Patriarch Kirill den aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Aliyev. Dabei betonte Aliyev die Bemühungen Aserbaidschans um die Förderung des interkulturellen und interreligiösen Dialogs. Aserbeidschan und die Verwaltung der Muslime des Kaukasus organisierten den Gipfel zum zweiten Mal, der erste hatte 2010 in Baku zum Thema „Globalisierung, Religion, traditionelle Werte“ stattgefunden. Vertreter von 25 traditionellen Religionen aus über 70 Ländern nahmen gemeinsam mit rund 500 Experten, Diplomaten, Staatsvertretern sowie Vertretern internationaler Organisationen am Gipfel teil. Im Schlussdokument wurde der Stellenwert der internationalen Zusammenarbeit, des Verhältnisses von Religion und Staat, von Beziehungen zwischen Kulturen und Religionen sowie der Bewahrung von Werten und Traditionen betont. (NÖK)