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Ukraine: Uneinigkeit bei den ukrainischen Orthodoxen in Autokephalie-Frage

01. November 2018

Die Entscheidung des Ökumenischen Patriarchats, die Kirchenspaltung innerhalb der ukrainischen Orthodoxie zu beheben und deren Autokephalie voranzutreiben, hat in der Ukraine große Freude ausgelöst. Auf dem Weg zu einer autokephalen Ukrainischen Orthodoxen Kirche zeichnen sich jedoch auch weitere Hindernisse ab. So sind sich die Oberhäupter der beiden bisher nicht-kanonischen ukrainischen orthodoxen Kirchen – Patriarch Filaret (Denisenko) von der Ukrainischen Orthodoxen Kirche–Kiewer Patriarchat (UOK–KP) und Metropolit Makarij (Maletitsch) von der kleineren Ukrainischen Autokephalen Orthodoxen Kirche (UAOK) – über das weitere Vorgehen nicht einig.

Laut der beiden von Konstantinopel in die Ukraine entsandten Exarchen soll an einer Versammlung der ukrainischen Bischöfe ein Oberhaupt für die neue Kirche gewählt werden, dem dann der Autokephalie-Tomos überreicht würde. Offen ist, welchen Titel das neue Oberhaupt tragen soll. Die UOK-KP drängt auf die baldige Einberufung einer Bischofssynode, während Metropolit Makarij zunächst wichtige Fragen klären möchte. Weder die Struktur noch der Name noch die Statuten der neuen Kirche seien festgelegt, bemerkte der Metropolit in einem Interview. Er befürchtet, dass Filaret allein entscheiden will. Angeblich hat dieser zu Makarij gesagt, die Statuten der UOK–KP sollten übernommen werden, Name und Struktur stünden bereits fest. Makarij erinnerte deshalb an die gescheiterten Vereinigungsverhandlungen von 2015, als sich die beiden Kirchen nicht auf einen Namen und ein Wahlverfahren für das Oberhaupt einigen konnten.

In einem Radiointerview entgegnete Patriarch Filaret, Makarijs Anliegen sollten an der Versammlung gelöst werden, nicht vorher. Dort „findet die Vereinigung statt, dort wird auch das Oberhaupt gewählt, dort wird auch das Statut verabschiedet. Und das alles findet offen statt, unter Teilnahme aller Bischöfe“, erklärte Filaret. Laut dem Sprecher der UOK–KP, Erzbischof Evstratij (Zorja), hofft das Kiewer Patriarchat, die Synode noch dieses Jahr durchführen zu können. Zum Stand der Vorbereitung könne er sich aber nicht äußern, da mehrere Parteien daran beteiligt seien und die Konsultationen vertraulich seien. Nach der Überreichung des Autokephalie-Tomos werde die Kirche „Ukrainische Orthodoxe Kirche“ heißen, erklärte Evstratij weiter. Diese Entscheidung sei mit Vertretern des Ökumenischen Patriarchats getroffen worden. Die bisher einzige kanonische Ukrainische Orthodoxe Kirche (UOK–MP) untersteht dem Moskauer Patriarchat und benutzt diese Bezeichnung. Evstratij fordert, dass ihr dies gesetzlich verboten werde, nämlich durch die Annahme eines Gesetzesentwurfs, der im ukrainischen Parlament hängig ist. Das Gesetz würde Religionsgemeinschaften, deren Zentrum sich in einem „Aggressor-Staat“ befindet, dazu verpflichten, in ihrer offiziellen Bezeichnung den Namen der übergeordneten Struktur aufzunehmen. Das Gesetzesprojekt ist einer von mehreren umstrittenen Gesetzesentwürfen, die die Religionsgemeinschaften in der Ukraine betreffen.

Patriarch Filaret stellt sich zur Leitung der neuen Kirche zur Verfügung und sieht bisher keinen möglichen Konkurrenten für den Posten. Falls die Bischofsversammlung es ihm zutraue, wolle er die Arbeit zu Ende führen. Für einen der wenigen Bischöfe der UOK–MP, der es in Betracht zieht, Teil der neuen Lokalkirche zu werden, kommt Filaret als Oberhaupt jedoch nicht in Frage. Metropolit Sofronij (Dmitryk) von Tscherkassy und Kanev befürwortet die Autokephalie für die ukrainische Orthodoxie und findet, die UOK–MP solle die Chance nutzen. Im Gespräch mit den Exarchen des Ökumenischen Patriarchats hatte er betont, dass der Tomos der UOK–MP überreicht werden müsse. Als Oberhaupt schlägt er Archimandrit Kirill (Hovorun) vor, dessen Bildung, Wissen und Integrität er rühmt.

Damit ist Sofronij der zweite Bischof der UOK–MP, der sich öffentlich für die Autokephalie ausgesprochen hat. Zuvor hatte Metropolit Oleksandr (Drabynko) von Perejeslav-Chmelnyzkyj und Vyschneve in einem Interview erklärt, er sehe keinen Grund, einer vereinigten Lokalkirche nicht beizutreten, falls weiterhin alles auf kanonischem Weg umgesetzt werde. Bei den jetzigen Ereignissen handle es sich nicht um den ersten Versuch, diesen „Traum zu verwirklichen“. Die Frage eines Übertritts zur vereinigten Kirche müssen die Geistlichen seiner Meinung nach mit den Gläubigen ihrer Gemeinde besprechen und entscheiden, erklärte der Metropolit. (NÖK)

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