Russland: UOK–MP verurteilt ukrainisches Vereinigungskonzil als schismatisch

20. Dezember 2018

Der Hl. Synod der Ukrainischen Orthodoxen Kirche, die dem Moskauer Patriarchat untersteht (UOK–MP), hat das Vereinigungskonzil zur Gründung der neuen „Orthodoxen Kirche der Ukraine“ als schismatisch verurteilt. Die neue Kirche, die am 6. Januar in Istanbul vom Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios die Autokephalie erhalten soll, sei aus der „Vereinigung zweier unkanonischer Strukturen entstanden: der Ukrainischen Autokephalen Orthodoxen Kirche (UAOK) und der Ukrainischen Orthodoxen Kirche–Kiewer Patriarchat (UOK–KP)“, heißt es in einer Botschaft des Hl. Synods an die Geistlichen, Mönche und Gläubigen vom 17. Dezember. Daher handle es sich um eine „Vereinigung von Schismatikern und hat nichts mit der Ukrainischen Orthodoxen Kirche zu tun.“

Für die UOK–MP habe sich nichts geändert, da die „Schismatiker“ auch weiterhin im Schisma seien, während sie die einzige wahre Kirche in der Ukraine geblieben sei. Der Hl. Synod beklagte die Rolle des Patriarchats von Konstantinopel, dessen Handlungen dazu geführt hätten, dass die „Möglichkeit zur Wiederherstellung der Einheit der Orthodoxen in der Ukraine für lange Zeit, wenn nicht für immer, weggeworfen“ worden sei. Das kirchliche Leitungsgremium der UOK–MP dankte den Geistlichen und Laien, die „dem Druck in diesen schwierigen Zeiten widerstanden haben“.

Die zwei Bischöfe der UOK–MP, die am 15. Dezember in Kiew am Konzil teilgenommen hatten, wurden ihrer Ämter enthoben. Metropolit Oleksandr (Drabynko) von Perejeslav-Chmelnizkyj hatte sich im Vorfeld offen für die Autokephalie ausgesprochen und in Betracht gezogen, sich der neuen Kirche anzuschließen. Über Metropolit Simeon (Schostazkij) von Vinniza war sogar spekuliert worden, er sei der Favorit Konstantinopels für die Leitung der neuen autokephalen Kirche. Zudem gilt er als enger Freund des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko. Nach der Liturgie am 16. Dezember in Vinniza hat Simeon offenbar die anwesenden Gläubigen darüber informiert, dass er sich der neuen Kirche anschließe. Daraufhin hat angeblich die Hälfte der Anwesenden die Kirche verlassen. Der Hl. Synod der UOK–MP rief dazu auf, für die Rückkehr der beiden Abtrünnigen zu beten. Zugleich ernannte er den Vikarbischof Varsonofij (Stoljar) zum neuen Bischof von Vinniza. Metropolit Ilarion (Alfejev), der Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats, relativierte die Teilnahme der beiden Metropoliten, die natürliche schmerze, am Vereinigungskonzil. Unter den zwölf Aposteln sei ein Judas gewesen; bei 90 Bischöfen der UOK-MP hätte man also „sechs oder sieben Judasse erwarten können“.

Bereits vor dem Vereinigungskonzil hatte der russische Patriarch Kirill eine Botschaft an die Vorsteher der orthodoxen Lokalkirchen, Papst Franziskus, das Oberhaupt der anglikanischen Kirche, den Generalsekretär des Weltkirchenrats, den Generalsekretär der UNO, den Generalsekretär der OSZE, den französischen Präsidenten und die deutsche Bundeskanzlerin geschickt, in der er die Entwicklungen in der Ukraine beklagt. Die Einmischung staatlicher Stellen in die kirchlichen Angelegenheiten sei zu offensichtlichem Druck auf die Geistlichen der UOK–MP angewachsen, heißt es in dem Brief. Man könne vom Beginn einer umfassenden Verfolgung sprechen. In diesem Sinn stellte Kirill eine Verbindung zu den verschiedenen rechtlichen Schritten gegen Vertreter der UOK–MP her. Das Vorgehen der Behörden stelle eine klare Verletzung der verfassungsmäßigen Rechte und Freiheiten der ukrainischen Bürger dar. Der russische Patriarch rief deshalb die Empfänger des Briefs auf, den „Episkopat, die Geistlichen und die Laien der Ukrainischen Orthodoxen Kirche vor Diskriminierung und Druck durch die ukrainischen Behörden zu schützen und die Gewissens- und Religionsfreiheit zu verteidigen.“

In einem gesonderten Brief vom 20. Dezember informierte Patriarch Kirill die Vorsteher der orthodoxen Lokalkirchen über die Ereignisse in der Ukraine. Die UOK–MP habe entsprechend ihrem Beschluss vom 7. Dezember nicht am Vereinigungskonzil teilgenommen. Zu seinem „großen Schmerz“ hätten sich am illegalen Konzil Vertreter des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel beteiligt, so habe Metropolit Emmanuel (Adamakis) von Frankreich den Vorsitz gehabt. Das neugewählte Oberhaupt habe kurz darauf verkündet, dass Filaret Denisenko, der Patriarch der bisherigen schismatischen Ukrainischen Orthodoxen Kirche–Kiewer Patriarchat, den Titel eines „Ehrenpatriarchen“ tragen werde. Zudem werde er während seines ganzen Lebens bei der Entwicklung der neuen Kirche helfen. Kirill ist überzeugt, dass „heute in der Ukraine nicht ein Interessenkonflikt zwischen den Patriarchaten von Moskau und Konstantinopel zu beobachten ist, wie das einige darzustellen versuchen, sondern etwas viel gefährlicheres: die tiefe Trennung des Vorstehers und der Hierarchen der Kirche von Konstantinopel von der orthodoxen kanonischen Tradition.“ Dies sei eine „Herausforderung für die ganze orthodoxe Welt“. Es gebe „keinen Zweifel“, dass es künftig in Bezug auf eine beliebige Lokalkirche zum „ukrainischen Szenario“ kommen könne. Schließlich rief Kirill die orthodoxen Oberhäupter dazu auf, die neue Kirche nicht anzuerkennen und keine Verbindungen zu ihr aufzunehmen.

Der Interreligiöse Rat Russlands veröffentlichte ebenfalls eine Mitteilung, in dem er seine „tiefe Sorge“ über die Ereignisse in der Ukraine ausdrückt. Der Staat habe die Aufgabe, sich für Frieden einzusetzen, nicht die Gesellschaft zu spalten. Er hält die „Nutzung der Religion zur Gewinnung politischer Dividenden, die Missachtung des in allen zivilisierten Gesellschaften anerkannten Rechts auf Gewissens- und Religionsfreiheit, die grobe Einmischung des Staates in das Innenleben der Religionsgemeinschaften für unzulässig.“ Gläubige dürften nicht „Geiseln der persönlichen Ambitionen“ von Politikern werden. Der Rat hoffe, dass die ukrainischen Behörden die „Weisheit und Kraft“ fänden, das „gottgegebene Geschenk der Freiheit zu respektieren“ und ohne Gewalt den Gläubigen das Recht zuzugestehen, ihre „konfessionelle Zugehörigkeit zu wählen“.

Das Oberhaupt der Polnischen Orthodoxen Kirche hat in einem Brief an den Kiewer Metropoliten Onufrij (Berezovskij), seine Sorge und seine Unterstützung für die UOK–MP ausgedrückt. Auch Bischof Joanikije (Mićović) von Budimlje und Nikšić von der Serbischen Orthodoxen Kirche sprach dem Klerus und den Gläubigen der UOK–MP seine volle Unterstützung zu. Trotz der „Angriffe, Unterdrückung, Drohungen und Diskreditierungsversuche“ erfülle die UOK–MP weiterhin ihre Aufgabe und genieße „immense Autorität und den Respekt der anderen Lokalkirchen“. Metropolit Daniel (Nikolov) von Vidin von der Bulgarischen Orthodoxen Kirche bezeichnete das Konzil in einem Interview als „unkanonisch“. Er hatte sich zuvor mit zwei anderen bulgarischen Metropolit für die Durchführung eines panorthodoxen Konzils zur Lösung der Ukraine-Frage ausgesprochen. (NÖK)

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