Belarus: Papst sendet Sonderbeauftragten zu Lukaschenka

23. Dezember 2020

Papst Franziskus hat Erzbischof Claudio Gugerotti nach Belarus geschickt, um seine „Besorgnis über die aktuelle Situation im Land auszudrücken“. Gugerotti, der zurzeit Apostolischer Nuntius in Großbritannien ist, traf sich am 17. Dezember im Auftrag des Papstes mit Alexander Lukaschenka. Von 2011 bis 2015 war er Botschafter des Hl. Stuhls in Belarus, seit September 2020 ist Bischof Ante Jozić Nuntius in Belarus.

Als letzter Vertreter des Vatikans hatte im September Erzbischof Paul Richard Gallagher, der vatikanische Außenbeauftragte, Minsk besucht und den belarusischen Innenminister getroffen. Sein Besuch erfolgte, nachdem Erzbischof Tadeusz Kondrusiewicz, das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche in Belarus, an der Rückreise aus Polen nach Belarus gehindert worden war. Kondrusiewicz hatte für die Protestierenden Partei ergriffen und befindet sich noch immer im Exil.
Wenige Tage nach dem Treffen zwischen Lukaschenka und Gugerotti erklärte Innenminister Vladimir Makej gegenüber Journalisten, die Frage von Kondrusiewiczs Rückkehr werde gelöst werden. Lukaschenka respektiere Papst Franziskus und begeistere sich für dessen Tätigkeit. Aufgrund dieser Gefühle und der guten persönlichen Beziehung halte es Lukaschenka für möglich, auf die Bitte von Papst Franziskus einzugehen und die „entsprechende Anweisung zu geben, dass eine Lösung unter Berücksichtigung aller bestehenden rechtlichen Mechanismen gefunden wird“. Die bevorstehenden Feiertage seien ein zusätzliches Argument zugunsten einer Lösung, „ungeachtet einer Reihe negativer Aspekte, die mit dieser Person verbunden sind“.
Anfang Dezember hat zudem die belarusische Oppositionsführerin Svjatlana Tsichanouskaja mit einem Brief Papst Franziskus um Unterstützung gebeten. Am 16. Dezember nahm Tsichanouskaja im Namen des Koordinierungsrats in Brüssel den Sacharov-Preis 2020 entgegen. Den Preis des Europäischen Parlaments für geistige Freiheit erhielt der Koordinierungsrat, ein von Oppositionellen zusammengestelltes Gremium, das den Machtwechsel in Belarus erleichtern soll. David Sassoli, Präsident des Europäischen Parlaments, erklärte, die belarusischen Oppositionsvertreter seien für ihren Mut, ihre Ausdauer und Entschlossenheit im Kampf für Meinungs- und Gedankenfreiheit ausgezeichnet worden.
Vier der größten Glaubensgemeinschaften in Belarus veröffentlichten am 22. Dezember ein gemeinsames Statement zum Frieden. Unterschrieben ist das Dokument von Metropolit Veniamin (Tupeko), dem Oberhaupt der Belarusischen Orthodoxen Kirche, Bischof Ante Jozić, Mufti Abu-Bekir Schabanovitsch, dem Vorsitzenden der muslimischen religiösen Vereinigung in Belarus, und dem Hauptrabbiner der Vereinigung der jüdischen Gemeinden, Deutsch Schnejer Zalaman. Im Blick auf die bevorstehenden Feiertage erklärten sie, „Frieden auf der Erde“ sei die „Hauptaufgabe und -lektion des menschlichen Lebens“. Deshalb hätten ihre Vorfahren ihre Kirchen in derselben Straße gebaut und die Heimat gemeinsam verteidigt. Das Verständnis von Frieden und Nächstenliebe sei „allen Religionen gemeinsam“. Deshalb riefen sie zum Jahresende zu „Frieden, Vergebung und Versöhnung“ auf, und dazu, „Kränkungen zu vergessen und weiterhin unser gemeinsames Haus erneut und zusammen zu bauen“. (NÖK)

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