Russland: Gedenken an Zarenfamilie in kleinerem Rahmen

24. Juli 2020

Die jährliche Prozession zum Gedenken an die Zarenfamilie, die 1918 von den Bolschewiki in Jekaterinburg ermordet wurde, hat dieses Jahr aufgrund der Coronavirus-Epidemie in deutlich kleinerem Rahmen stattgefunden. Dennoch nahmen an den Feierlichkeiten am 16. und 17. Juli rund 10‘000 Gläubige teil. Zum 100. Jahrestag der Ermordung 2018 waren rund 100‘000 Gläubige an der Prozession mitmarschiert, 2019 waren es ca. 60‘000.

Die lokalen Behörden hatten die Gläubigen aufgrund der Coronavirus-Situation eindringlich aufgerufen, zuhause zu bleiben. Laut der Eparchie Jekaterinburg wurden die geltenden Hygienemaßnahmen befolgt, darunter die Maskenpflicht, das Desinfizieren der Hände und das Temperaturmessen bei Teilnehmern der Gottesdienste und der Prozession. Freiwillige hätten die Gläubigen dazu ermahnt, Abstand zueinander zu halten. Auf den Fotos auf der Website der Eparchie tragen jedoch die wenigsten Gläubigen und Geistlichen eine Maske, allerdings fanden die Gedenkfeierlichkeit alle unter freiem Himmel statt.

Am 16. Juli feierte Metropolit Kirill (Nakonetschnyj) von Jekaterinburg abends mit mehreren Bischöfen zusammen die Liturgie auf dem Platz vor der Kirche auf dem Blut, die an der Stelle steht, wo in der Nacht vom 16. auf den 17. Juli 1918 die Zarenfamilie erschossen wurde. Anschließend führte die Prozession nach Ganina Jama, eine zu einem ehemaligen Bergwerk gehörende Grube, in die Toten geworfen worden waren. Bei der Ganina Jama steht seit 2000 ein der Zarenfamilie gewidmetes Kloster, wo die Pilger frühmorgens mit Glockengeläut empfangen wurden. Metropolit Kirill feierte dort einen kurzen Gedenkgottesdienst. Der orthodoxe Fernsehsender Spas übertrug die Gedenkveranstaltungen.

Viele der Pilger besuchten am nächsten Tag noch die 130km von Jekaterinburg gelegene Stadt Alapajevsk. Dort war am 18. Juli 1918 die Schwester der Zarin, Großfürstin Jelisaveta Fjodorovna, von den Bolschewiki umgebracht worden. Mit ihr wurden weitere Angehörige der Zarenfamilie sowie die ebenfalls heiliggesprochene Nonne Barbara Jakovleva ermordet.

Ebenfalls ein Verehrer der letzten Zarenfamilie ist der Schema-Mönch Sergij (Romanov), der in letzter Zeit mit kontroversen Aussagen zum Coronavirus und dem Verfassungsreferendum in Russland sowie der Besetzung eines großen Frauenklosters im Ural für Aufregung gesorgt hat. Inzwischen wurde ihm nicht nur vom Eparchialgericht Jekaterinburg seine Priesterwürde entzogen und von einem Bezirksgericht eine Buße 90‘000 Rubeln auferlegt. Ein weiteres Gericht in der Oblast Sverdlovsk, dessen Hauptstadt Jekaterinburg ist, hat ihn zu einer Buße von 18‘000 Rubeln (ca. 224 Euro) verurteilt. Sein Vergehen ist das „Schüren von Hass oder Feindschaft sowie die Herabsetzung der Menschenwürde“. Dabei bezog sich das Gericht auf Sergijs Videobotschaften, in denen er zum Ungehorsam gegenüber kirchlichen und staatlichen Maßnahmen gegen die Verbreitung des Coronavirus aufgerufen und diejenigen verflucht hatte, die Kirchen schlossen, sowie andere Verschwörungstheorien verbreitet hatte. Zur Verhandlung erschien der Angeklagte wie auch bei früheren Gerichtsterminen nicht. Unterstützung erhielt Sergij von einer obskuren, in Russland als Sekte betrachteten Gruppierung, die sich mit einem Brief an die Eparchie Jekaterinburg für ihn eingesetzt hat. Die Gruppe verehrt zugleich Stalin und den letzten Zaren Nikolaj II., ähnlich wie Sergij selbst, in dessen Mönchszelle ein Bild Stalins hängt. (NÖK)