Ukraine: Filaret verliert Kontrolle über Eparchie Kiew

04. Juli 2019

Filaret (Denisenko), der langjährige Patriarch der unkanonischen Ukrainischen Orthodoxen Kirche–Kiewer Patriarchat (UOK–KP) und „Ehrenpatriarch“ der neuen Orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU), hat trotz aller Kritik und Warnungen am 20. Juni ein Landeskonzil der UOK–KP abgehalten. Daran nahmen jedoch nur zwei Bischöfe teil, die von der UOK–KP zur OKU gekommen waren, außerdem waren 200 Delegierte – Gläubige, die weiterhin der UOK–KP anhängen – und 50 Gäste anwesend. Die Versammlung verabschiedete eine Resolution, in der die Auflösung des Kiewer Patriarchats zurückgewiesen wird.

Filaret ist seit längerem mit seiner Rolle als „Ehrenpatriarch“ der OKU unzufrieden und hat bereits mehrfach behauptet, dass die UOK–KP trotz des Vereinigungskonzils vom 15. Dezember 2018 noch immer existiere. Diesen Standpunkt hält nun auch das Konzil fest. Zudem wird betont, dass Filaret weiterhin das Oberhaupt des Kiewer Patriarchats und dieses weiterhin im Besitz all seiner Mittel und seines Eigentums sei. Dazu gehören laut dem Beschluss alle Klöster und Gemeinden der Eparchie Kiew, auch das Michaelskloster, das von Metropolit Epifanij (Dumenko), dem Oberhaupt der OKU, geleitet wird.
Den Autokephalie-Tomos, mit dem das Ökumenische Patriarchat der OKU die Unabhängigkeit verliehen hat, wies das Landeskonzil ebenfalls zurück, weil es mit seinem Inhalt unzufrieden ist. Deshalb bleibe das Kiewer Patriarchat bei seinem Statut. An der Versammlung wurden außerdem zwei neue Bischöfe gewählt. Gegenüber Journalisten erklärte Filaret, dass in der Ukraine drei orthodoxe Kirchen parallel existieren können: die dem Moskauer Patriarchat unterstehende Ukrainische Orthodoxe Kirche (UOK), die OKU mit einem „begrenzten Tomos, der sie dem Ökumenischen Patriarchat unterordnet“ und eine dritte „unabhängige Kirche“, das Kiewer Patriarchat. Falls die OKU sich seiner Kirche anschließen wolle, sei niemand dagegen, wenn nicht, werde sie separat existieren, fügte Filaret hinzu.
In ihrer Stellungnahme erklärte die OKU, die Versammlung und ihre Beschlüsse hätten weder „rechtliche noch kanonische Auswirkungen“ auf die OKU. Es handle sich auch nicht um eine Spaltung, da lediglich ein kleiner Teil der OKU eine „neue Struktur“ gegründet habe. Auch die Bischofsernennungen seien in der OKU ungültig. Am 24. Juni beschloss der Hl. Synod der OKU, alle Gemeinden und Klöster Kiews Metropolit Epinfanij zu unterstellen. Bisher hatte Filaret der Eparchie Kiew und den dortigen Klöstern und Gemeinden vorgestanden und verlor somit seine offizielle Position in der OKU. Die beiden Bischöfe, die am Treffen teilgenommen hatten, wurden aus der OKU ausgeschlossen. Die beiden neugewählten Bischöfe wurden vom Dienst suspendiert. Filaret selbst wurde dank seiner Verdienste für die ukrainische Kirche nicht aus der OKU ausgeschlossen.
Filaret erklärte, diese Entscheidungen der OKU gingen ihn nichts an, da seine Kirche unabhängig sei, „wir distanzieren uns von der OKU“. Zudem beschuldigte er die OKU „räuberischer Besetzungen“ in Bezug auf seine Kirchen. Zwar beabsichtige er nicht, juristisch dagegen vorzugehen, da er den ukrainischen Gerichten nicht traut, will sich aber an die ukrainische und internationale Öffentlichkeit wenden. Diese soll die Ukraine dazu bringen, die „Rechte und Freiheiten“ der Bürger zu schützen.
Das Moskauer Patriarchat sieht in den jüngsten Entwicklungen ein Zeichen für den Irrtum Konstantinopels in der Ukraine-Frage. Es sei „nicht überraschend“, dass etwas, das aufgrund „vorübergehender politischer Interessen“ geschaffen wurde, die nächsten Wahlen nicht überlebe, sagte Nikolaj Balaschov, der stellv. Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats. Nun sei klar geworden, dass „situative Lügen nichts Gutes gebracht haben“. Besondere Trauer rufe bei ihm die Beteiligung – neben Politikern und Vertretern „nicht kanonischer religiöser Organisationen“ – des Patriarchats von Konstantinopel hervor. (NÖK)

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