Serbien: Patriarch Irinej warnt vor ukrainischer Autokephalie

06. September 2018

Im ukrainischen Kirchenstreit hat nun auch das Oberhaupt der Serbischen Orthodoxen Kirche (SOK) Stellung bezogen. In einem 15-seitigen Schreiben an den Ökumenischen Patriarchen, das der griechischen kirchlichen Nachrichtenagentur Romfea exklusiv vorliegt, warnte Patriarch Irinej Bartholomaios am Vortag vor dessen Treffen mit dem russischen Patriarchen Kirill vor einer Anerkennung der Autokephalie für die Ukrainische Orthodoxe Kirche.

Anlass des Schreibens sei die Sorge des Hl. Synods der SOK und ihres Patriarchen um die Einheit der Orthodoxen Kirche, nachdem Bartholomaios den „ukrainischen Schismatikern“ gegen den Willen der Russischen Orthodoxen Kirche die Autokephalie ermöglichen wolle. Eine solche Entscheidung empfindet Irinej als „katastrophal“, wie es später im Schreiben heißt. Irinej hat dabei auch die Autokephaliebestrebungen der Makedonischen Orthodoxen Kirche im Blick und schreibt: „Die Ketzerei des Ethnophyletismus ist eines der Hauptunglücke der heutigen Orthodoxie.“ Die heutigen säkularen Staaten benutzten die Kirche für ihre Ideologien und Macht. Um dies zu erreichen, suchten sie Zuflucht in einem gefährlichen Ethnophyletismus und in einer säkularisierten, staatszentristischen Mentalität, die eine „Bedrohung des katholischen und universellen Charakters der Kirche Gottes darstelle und damit auch ihres Auftrags gegenüber den Völkern.“

Die Politiker der Staaten und Völker, die heute die Autokephalie forderten, seien von Kommunisten geschaffene Gebilde (Ukraine, „Nord-Makedonien“, Montenegro), so Patriarch Irinej weiter. Ihre heute oft atheistischen Staatsoberhäupter strebten nicht an, gläubige Mitglieder einer autokephalen Kirche sein zu wollen, sondern diese für ihre eigenen Zwecke zu missbrauchen, um ihre säkulare, „im Grunde atheistische“ Ideologie zu festigen. An Bartholomaios richtet Irinej die Frage: „Ist die Zustimmung der Kirche zu so einem Missbrauch erlaubt?“

Patriarch Irinej fordert Konstantinopel auf, „keinesfalls übereilte Maßnahmen zum Schaden der panorthodoxen Einheit“ zu ergreifen und damit die Spaltung, die das Ökumenische Patriarchat eigentlich zu überwinden suche, zu verlängern. Irinej hält den Versuch, die ukrainischen „Schismatiker“ – namentlich den „Patriarchen von Kiew, Filaret Denisenko – in die kanonische Gemeinschaft zurückzuholen, ohne dass sie Reue zeigten und ohne ihre Rückkehr zur Russischen Orthodoxen Kirche (ROK), von der sie sich losgesagt hätten, für „gefährlich und katastrophal, möglicherweise sogar fatal“. Zudem werde eine Rehabilitierung der ukrainischen Schismatiker von der serbischen Kirche als „unfreundlicher Akt gegenüber der Märtyrerkirche der russischen Länder“ gewertet, den man von der „Großen Märtyrerkirche Christi“ (also Konstantinopel) nicht erwarten würde.

Irinej argumentiert weiter, die Metropolie von Kiew habe seit mehr als 300 Jahren dem Moskauer Patriarchat unterstanden und es habe keine Beschwerden gegeben. Die historischen Quellen würden nicht die These stützen, dass Moskau nicht die „Jurisdiktion über Kiew“ habe. Noch auf dem Konzil von Kreta 2016 seien die derzeit 14 autokephalen Kirchen innerhalb ihrer kanonischen Territorialgrenzen bestätigt worden. Ohne Einbezug der ROK und der SOK könne Bartholomaios daher keine Entscheidungen über die kirchlichen Strukturen in der Ukraine und in Makedonien treffen. Das Ökumenische Patriarchat könne in Fragen der Autokephalie nur die Rolle eines Koordinators einnehmen.

Irinej betont in dem Schreiben auch die aus seiner Sicht großen Gefahren für die SOK in Montenegro. Dort nenne sich eine „Parasynagoge oder eine Sekte ohne göttliche Gnade“ selber „Kirche von Montenegro“, während man in Makedonien schon ankündige, nach der Gewährung der Autokephalie an Kiew selber als autokephale Kirche anerkannt zu werden. Der nicht-kanonische Klerus in beiden Staaten hoffe ähnlich wie Filaret Denisenko in Kiew rehabilitiert zu werden. Irinej bewertet dies aus kirchenrechtlicher Sicht als „tragisch absurd“.

Elena Panagiotidis, Redakteurin bei der Neuen Zürcher Zeitung.