Ukraine: Reaktionen anderer Kirchen auf den ukrainischen Kirchenstreit

04. Oktober 2018

Mehrere orthodoxe Kirchen haben zum ukrainischen Kirchenstreit Stellung bezogen. Während seines Besuchs in Polen veröffentlichten der griechisch-orthodoxe Patriarch von Alexandria und ganz Afrika, Theodoros II., und das Oberhaupt der Orthodoxen Kirche von Polen, Metropolit Sawa, eine gemeinsame Erklärung und riefen zu einer Lösung des Kirchenstreits auf.

„Wir appellieren im Geiste der brüderlichen Liebe an alle, auf die es bei der Beseitigung der kirchlichen Missverständnisse im Zusammenhang mit der Erlangung der Autokephalie der ukrainischen Kirche ankommt, alles, was in ihrer Macht steht, dafür zu tun, damit der Konflikt beigelegt wird und die Kirchenordnung auf ukrainischem Boden eintritt“, heißt es in der gemeinsamen Erklärung vom 21. September, die beide in Warschau unterschrieben haben. Metropolit Ilarion (Alfejev), der Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats, reiste am 23. September zu einem Arbeitstreffen mit Patriarch Theodoros II. nach Warschau.

Anlässlich der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Belgrad reiste Metropolit Ilarion am 26. September in die serbische Hauptstadt und traf dort mit dem Oberhaupt der Serbischen Orthodoxen Kirche, Patriarch Irinej, zusammen. Beide Seiten betonten dabei ihre „gänzlich übereinstimmenden Haltungen zu Problemen aus dem Leben der Orthodoxen Kirche“. Unterstützung fand Ilarion auf jeden Fall bei Bischof Irinej (Bulović) von Novi Sad, der das Vorgehen des Ökumenischen Patriarchats in der Ukraine scharf kritisierte. Dieses würde zwar mit dem Ziel, das „Schisma zu überwinden und die kirchliche Einheit in der Ukraine wiederherzustellen“, erklärt, beruhe aber auf einer „neuformulierten Lehre“, dass Konstantinopel das Recht habe, eigenmächtig zu entscheiden. Am „traurigsten“ sei aber, dass die „Operation Ukraine“ zum Scheitern verurteilt sei, denn Kirchenspaltungen könne man nicht mit halbherzigen Maßnahmen überwinden. Zudem verwies Irinej darauf, dass die Ukrainische Orthodoxe Kirche, nämlich die kanonische, dem Moskauer Patriarchat unterstehende, nie um Autokephalie gebeten habe. Es gehe also um Autokephalie für „schismatische Gruppen in der Ukraine“. Trotz dieser scharfen Töne aus Serbien trafen sich jedoch Patriarch Irinej und Patriarch Bartholomaios Ende September in Thessaloniki.

Das Oberhaupt der Orthodoxen Kirche von Zypern, Erzbischof Chrysostomos II., hat am 26. September die Bereitschaft seiner Kirche bekundet, im ukrainischen Kirchenstreit eine Vermittlerrolle zu übernehmen. Die Aussage des Erzbischofs wurde allerdings auf der Website des ukrainischen Außenministeriums so wiedergegeben, als hätte sich Chrysostomos II. für die Zuerkennung der Autokephalie ausgesprochen. In Nikosia wurde jedoch darauf verwiesen, dass sich die Haltung von Chrysostomos II. nicht geändert habe, seit im Juli 2018 sein Delegat bei den 1030-Jahr-Feiern der Taufe der Rus in Moskau, Metropolit Georgios (Papachrysostomou) von Paphos, Patriarch Kirill versichert habe, dass die Kirche von Zypern im Hinblick auf Autokephalie für die Ukraine immer die Position der Russischen Orthodoxen Kirche unterstützen werde.

Einen ähnlichen Vorfall gab es bezüglich eines Treffens des ukrainischen Außenministers Pavel Klimkin mit Erzbischof Paul Gallagher, Sekretär für die Beziehungen mit den Staaten im Vatikanischen Staatssekretariat, am 25. September, worauf die Apostolische Nuntiatur in der Ukraine ein Statement veröffentlichte, in dem es heißt: „Die Apostolische Nuntiatur möchte noch einmal die Position des Hl. Stuhls in der Frage der Schaffung einer einzigen Ukrainischen Orthodoxen Lokalen Kirche darlegen: Es handelt sich um eine innere Angelegenheit der Orthodoxen Kirche, der Hl. Stuhl hat dazu nie Stellung genommen und hat nicht die Absicht, dies zu tun.“

Am 30. September veröffentlichte die Georgische Orthodoxe Kirche ihre offizielle Position mit der Bitte an die Patriarchen von Moskau und Konstantinopel, die Angelegenheit untereinander zu klären: „Wir sind der Meinung, dass es bei der gegenwärtigen Etappe notwendig ist, sich vorzeitiger Bewertungen solange zu enthalten, bis eine offizielle und endgültige Position beider Seiten auf der Grundlage kanonischer Normen festgelegt ist. Dieses Thema ist sehr heikel und muss zwischen den beiden Patriarchen entschieden und erörtert werden. Es versteht sich, dass beide Seiten die Verantwortung vor Millionen orthodoxer Gläubigen spüren, sich um die Einheit der Orthodoxen Kirchen sorgen, und wir hoffen, dass sie versuchen werden, alle Möglichkeiten einer friedlichen Lösung der Probleme zu finden. Wir beten dafür.“
Regula Zwahlen

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