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Polen: Bischöfe verurteilen Gewalt gegen „Gleichstellungs-Marsch“ in Białystok

31. Juli 2019

Der Sprecher der Polnischen Bischofskonferenz, Priester Paweł Rytel-Andrianik, und Erzbischof Tadeusz Wojda von Białystok haben die Gewalt gegen Teilnehmende am „Marsch für Gleichstellung“ (Marsz Równości) vom 20. Juli in der nordostpolnischen Stadt Białystok verurteilt. Mitglieder rechter und katholischer Gruppierungen hatten die 800 Teilnehmenden der von „Regenbogen-Białystok“ organisierten Demonstration mit Flaschen, Steinen und Petarden so heftig attackiert, dass die Polizei Tränengas einsetzen musste; über 30 Personen wurden festgenommen. Der Marsch wurde von Beginn an von zahlreichen Gegendemonstranten mit Losungen wie „Gott, Ehre und Vaterland“ begleitet, wobei die Gruppen durch einen Polizeikordon getrennt waren.

Der Sprecher der Polnischen Bischofskonferenz, Paweł Rytel-Andrianik, betonte am 21. Juli, dass jede Form der Aggression gegen die Lehre Jesu Christi verstoße und inakzeptabel sei. Jedem Menschen sei Wertschätzung entgegen zu bringen, Gewalt und Verachtung seien in keinem Fall gerechtfertigt und müssten einstimmig verurteilt werden. Dies wurde auf der Website der Bischofskonferenz mit einem Zitat des Vorsitzenden der Polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Stanisław Gądecki, aus einem Interview mit der katholischen Wochenzeitung Niezdiela vom 16. Juli untermauert: „Diese Personen sind nicht in erster Linie Homosexuelle, Lesben, Bisexuelle oder Transsexuelle – sie sind vor allem unsere Brüder und Schwestern, für die Christus sein Leben gab und die er zur Erlösung hinführen will. Im Namen der Treue zu unserem Erlöser und im Namen der Liebe zu unseren Schwestern und Brüdern müssen wir jedoch das ganze Evangelium verkünden – ohne die Forderungen zu vermeiden, die es enthält, und ohne aufzuhören, das als Todessünde zu bezeichnen, was in Wahrheit eine ist. Wenn wir nicht so handeln würden, würden wir unsere Nächsten der Wahrheit berauben, die auch für sie gilt.“

Erzbischof Tadeusz Wojda von Białystok erklärte, er habe anlässlich des Marschs in den Gemeinden zu Gebet und Mahnwachen aufgerufen, die auch ein schönes und wertvolles Zeugnis der Kirche gewesen seien, doch Gewalt und Verachtung gegenüber den Nächsten seien in der Nachfolge Christi nicht akzeptabel: „Nun rufe ich auf zum Gebet für die Sorge um die Familie, um die Reinheit der in ihr herrschenden Sitten.“ Er hatte zuvor in den Gemeinden einen Brief verlesen lassen, in dem er den Gleichstellungs-Marsch als „unserer Gesellschaft fremd“ bezeichnete und am 20. Juli zum Gebet in der Kathedrale und zu einem außerhalb der Kathedrale stattfindenden „Familienpicknick“ als Protest gegen den LGBT-Marsch aufrief.

Der Leitende Bischof der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen, Jerzy Samiec, und Bischof Paweł Hause, in dessen Masurischer Diözese Białystok liegt, reagierten auf Twitter scharf auf die Welle der Gewalt. Bischof Samiec betonte: „Gott braucht nicht unseren Schutz, sehr wohl aber die Bürgerrechte.“ Auf die Rolle der katholischen Kirche angesprochen, meinte er: „Es ist nicht meine Rolle, andere Kirchen oder ihre Geistlichen zu bewerten. Tatsache ist aber, dass wir Geistlichen unsere Worte sehr sorgfältig abwiegen müssen, um nicht von jemandem falsch verstanden und instrumentalisiert zu werden.“ Leider seien LGBT-Personen und ihre Familien zur Zielscheibe im Wahlkampf geworden. Bischof Hause sagte in einem TV-Interview: „Manchmal hört man, dass man Personen aus LGBT-Kreisen heilen muss. Ich weiss nicht? Sicherlich jedoch muss man einen kranken Patriotismus heilen.“

In der Woche nach dem Marsch in Białystok sorgte zusätzlich eine Aktion der Wochenzeitschrift Gazeta Polska für Schlagzeilen, die für ihre Ausgabe vom 24. Juli einen Sticker mit der Aufschrift „LGBT-freie Zone“ ankündigte, auf dem die Regenbogenfarben mit zwei schwarzen Balken durchgestrichen sind. Dies löste einen medialen Sturm der Entrüstung aus – u.a. erinnere der Sticker an die Ausgrenzungspolitik der Nazis. Das Presseunternehmen Empik kündigte an, diese Ausgabe nicht zu verkaufen, weil es keine Diskriminierung und Rechtsbruch dulde. Am 24. Juli entschied das Kreisgericht Warschau, dass die Zeitschrift die Verteilung des Stickers stoppen müsse.

In rund 20 polnischen Städten gab es in der letzten Juli-Woche Solidaritäts-Kundgebungen für die LGBT-Bewegung, am 28. Juli nahmen Tausende an einem Anlass unter dem Motto „Polen gegen Gewalt“ in Białystok teil.

Regula Zwahlen