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Slowakei: Kirche sieht EU-Paternalismus bei Menschenrechten

04. Oktober 2018

In bisher nicht dagewesener Schärfe hat der Vorsitzende der Slowakischen Bischofskonferenz, der Pressburger Erzbischof Stanislav Zvolenský, das Menschenrechts- und Demokratieverständnis der Europäischen Union kritisiert. Konkret bezog er sich in einer Erklärung, die auf der Website der Slowakischen Bischofskonferenz nachzulesen ist, auf die jüngsten Publikationen und Anregungen der Arbeitsgruppe für die Menschenrechte im Rat der EU (Groupe de travail du Conseil de l'Union européenne sur les Droits de l'Homme/COHOM).

Die Verantwortlichen müssten sich bewusst sein, dass sie mit dem in Vorbereitung befindlichen Entwurf der Richtlinien für die Vergabe von Finanzmitteln "gerade jetzt, da die antieuropäischen Stimmungen zunehmen, zum Desintegrationsprozess beitragen". Die COHOM bereitet derzeit einen Entwurf der menschenrechtlichen Richtlinien im Bereich der Nichtdiskriminierung in der Beziehung zu Drittländern vor.

Die Genehmigung zahlreicher Finanzinstrumente, auf deren Grundlage die EU Nicht-Mitgliedstaaten, sei es im Zuge von Beitrittsprozessen oder zur Entwicklungsförderung, in den nächsten Jahren dutzende Milliarden Euro zur Verfügung stellen werde, solle nach diesen Richtlinien erfolgen, erläuterte Zvolenský. Das Flüssigmachen dieser Finanzmittel werde an die Erfüllung vieler Bedingungen geknüpft wie etwa eine Korrektur der Legislative oder Vorbereitung konkreter Projekte nach bestimmten Prioritäten. Dies sei etwa bei einem effektiven Funktionieren der öffentlichen Angelegenheiten, Antikorruptionsmaßnahmen, Verbesserung der Lebensbedingungen oder in der Sozialpolitik durchaus am Platz, so der Erzbischof von Bratislava. Abzulehnen sei hingegen, "dass die EU nach außen hin gewisse ideologische Konzepte durchsetzen möchte, während in ihrem Inneren über viele Themen keine gleichen Ansichten herrschen".

Konkret monierte Zvolenský Gender- und LGBTI-Bestimmungen. An Stelle der Gleichheit von Mann und Frau solle "die Gendergleichheit durchgesetzt werden, an Stelle des idealen Umfelds für die Kindererziehung in der von Mann und Frau gebildeten Familie die eigenmächtige Deklaration und Änderung des Geschlechts, der sexuellen Orientierung und eines beliebigen Lebensstils". Kultur, Traditionen, Stereotype und historische Tatsachen würden "als negative Erscheinungen präsentiert, die beseitigt oder gestrichen werden sollen".

"Aus dem Blickwinkel der Rechtssicherheit nicht nur für die Bürger von Drittländern", so Zvolenský weiter, sei es "alarmierend, dass die im betreffenden Rat sitzenden Minister die rechtsverbindlichen Grenzen überschreiten, die in den EU-Grundverträgen beschlossen wurden", so der Vorsitzende der Slowakischen Bischofskonferenz, der an der Päpstlichen Universität Gregoriana das Doktorat des Kirchenrechts erworben hat. Aber auch "in Richtung nach innen" sehe man "immer häufiger Fälle, in denen der Gerichtshof und seine Richter die von den Regierungen legitim vereinbarten und bei den Abänderungen der Grundverträge der EU in Lissabon einstimmig unterschriebenen Grenzen überschreitet".

Die Bürger erinnerten sich noch gut an das Scheitern einer europäischen Verfassung, da die Regierungen keinen Konsens aller Mitglieder gefunden haben, und zwar "auch aus kulturellen Gründen und wegen des Fehlens transparenter und demokratischer Prozesse". Bedauerlicherweise gewinne man bei einem Vergleich den Eindruck, "dass die EU in der Stille versucht durchzudrücken, was nicht verbindlich vereinbart werden konnte". Einer der Belege dafür sei auch "das Faktum, dass die Beschlussfassung der erwähnten Direktiven über die Nichtdiskriminierung ohne Kontrolle der Öffentlichkeit" erfolge. Und dies, obwohl sich die EU zur Transparenz aller Prozesse bekenne, so Erzbischof Zvolenský in seiner Erklärung im Vorfeld des 70-Jahr-Jubiläums der UNO-Menschenrechtsdeklaration. 

"Gerade zu einem Zeitpunkt, da die antieuropäischen Stimmen zunehmen", sollten sich die Repräsentanten der EU vor Augen halten, "dass sie mit der Verschleierung der vorbereiteten Dokumente, die nicht dem Dialog mit den Bürgern unterzogen werden, selber zum Desintegrationsprozess beitragen. Im Interesse der Erhaltung des gemeinsamen europäischen Projekts", so Erzbischof Zvolenský, sollte es "unser gemeinsamer Wunsch sein, dass die EU zu ihrem Motto der Einheit in der Vielfalt zurückkehrt und aufhört, in ihrem Inneren und nach außen stillschweigend Ideologien unterzuschieben, die sie im offenen und demokratischen Prozess nicht durchzusetzen vermag". (Quelle: Katholische Presseagentur Kathpress, www.kathpress.at)