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Ungarn: Altabt Várszegi wünscht sich stärkere Zivilgesellschaft

13. Dezember 2018

Eine stärkere Zivilgesellschaft und mehr pluralistischen Dialog in seinem Heimatland Ungarn wünscht sich der emeritierte Erzabt der Benediktinerabtei Pannonhalma, Asztrik Várszegi. Im "Kathpress"-Interview erinnerte Várszegi an die lange humanitäre Tradition der Benediktiner in Ungarn. In Pannonhalma hätten schon Ende des 18. Jahrhunderts französische Nonnen Zuflucht gefunden, später Äbte, die vor Napoleon fliehen mussten. Im Zweiten Weltkrieg wurden Juden versteckt und nach dem Aufstand 1956 auch kurzfristig Kommunisten. Dabei sei es nie um Politik gegangen sondern stets nur um die christliche Verpflichtung, Menschen in Not beizustehen, so Várszegi. Selbiges habe auch für die Aufnahme von Flüchtlingen 2015 gegolten.

"Wir haben damals im Rahmen unserer Möglichkeiten diesen Flüchtlingen geholfen", erinnerte Várszegi. Heute könne man das so nicht mehr tun, "denn es gibt keine Flüchtlinge mehr in Ungarn". Die ungarische Kirche helfe, etwa über die Caritas oder auch über Ordensgemeinschaften, Menschen in Not, wo immer sie könne, so der frühere Abt von Pannonhalma. Várszegi räumte aber ein, dass die Kirche zu gesellschaftspolitischen Fragen kaum die Stimme erhebe.

Nichtsdestotrotz versuchten etwa die Benediktiner von Pannonhalma Akzente zu setzen. Várszegi verwies auf eine Ausstellung im Kloster dieses Jahr, wo es um die Themen Vergebung und Versöhnung in Kirche und Gesellschaft ging. Zudem habe man im Rahmen einer Fotoausstellung auf das Schicksal von Flüchtlingen bzw. Migranten hingewiesen.

Várszegi hatte sich zu seiner Zeit als Erzabt in der Migrationsdebatte mehrfach gegen Hassparolen und ein Schüren von Emotionen und für mehr Pluralismus, auch im Bereich der Medien, ausgesprochen. "Ein Christ kann es sich nicht leisten, dem Bedürftigen keinerlei Hilfe zu geben", so ein von Várszegi oft formulierter Leitspruch. Aktuell wollte er sich "als Pensionierter" (Várszegi hat Ende 2017 seinen Rücktritt als Abt von Pannonhalma erklärt, mit der Weihe seines Nachfolgers im März 2018 endete sein Amt) zu politischen Fragen nicht äußern.

Várszegis Nachfolger Cirill Hortobágyi hatte freilich vor Kurzem zur Frage, ob er genauso handeln würde wie sein Vorgänger, der 2015 hilfsbedürftige Flüchtlinge im Benediktinerkloster aufnahm, mit einem eindeutigen "Ja" geantwortet: "Wenn Hilfsbedürftige vor unserem Tor erscheinen, werden wir genauso handeln." Das sei auch in erster Linie einfach ein Akt der gelebten Hilfe und keine politische Botschaft.

Várszegi war von 1991 bis März 2018 Erzabt von Pannonhalma und Präses der Ungarischen Benediktinerkongregation. Dem jeweiligen Erzabt von Pannonhalma kommt über das Kloster hinaus große Bedeutung zu. Er ist auch Ordinarius der Gebietsabtei Pannonhalma sowie Mitglied der Ungarischen Bischofskonferenz.

Pannonhalma ist ein zentraler Ort des kirchlichen und geistlichen Lebens in Ungarn. Die seit mehr als 1'000 Jahren bestehende und nach dem Heiligen Martin von Tours (316-397) benannte Abtei, in der heute 45 Benediktiner leben und arbeiten, ist neben der Domstadt Esztergom das wichtigste spirituelle Zentrum des Landes. Várszegi sorgte in seiner Amtszeit für den Erhalt und die Erneuerung der spirituellen, kulturellen und auch wirtschaftlichen Fundamente. Seit 1996 zählt Pannonhalma zum Weltkulturerbe. 2012 wurde die Basilika nach umfassender Renovierung wiedereröffnet.

Die Klostergemeinschaft ist Trägerin eines Gymnasiums mit 340 Schülern samt Internat sowie eines Seniorenheims für pflegebedürftige Geistliche. Zum Kloster gehören seit eh und je auch mehrere Wirtschafts- und Produktionsstätten. Seit einigen Jahren wurden auch die touristischen Angebote ausgebaut. Pannonhalma gehört der Vereinigung "Klösterreich" an. Mit etwa 300'000 Bänden, darunter wertvolle Handschriften und alte Drucke, beherbergt die Abtei eine der größten Benediktinerbibliotheken der Welt.

Várszegi äußerte sich am Rande der Herbsttagung der heimischen Ordensgemeinschaften (26. bis 29. November) in Wien-Lainz. Er hält einen der Hauptvorträge beim Ordenstag, der heuer unter dem Motto "Prophetische Präsenzen" steht. Beim Kulturtag der Orden am Mittwoch wird der Benediktiner einen Vortrag über Ordensgemeinschaften und ihr Kulturerbe in postkommunistischen Ländern halten. (Quelle: Katholische Presseagentur Kathpress, www.kathpress.at)