Polen: Bischöfe fordern Hilfe für Flüchtlinge an der polnischen Grenze

21. Oktober 2021

Der Primas von Polen, Erzbischof Wojciech Polak, hat den polnischen Innenminister Mariusz Kamiński um Hilfe und medizinische Versorgung für die Flüchtlinge an der polnisch-belarusischen Grenze gebeten. Zuvor hatte sich eine Gruppe von 21 Medizinern an den Erzbischof gewandt, ihren mit weiteren NGOs gestellten Antrag auf Einreise ins Ausnahmegebiet an der polnisch-belarusischen Grenze zu unterstützen, um Migranten medizinische Hilfe zukommen zu lassen. Vom Ministerium hatten die Mediziner keine Antwort erhalten.

Die polnische Regierung hat den gesamten Grenzstreifen zu Belarus zum Ausnahmegebiet erklärt, in dem mehrere Migranten festhängen. Hilfsorganisationen haben keinen Zugang zu ihnen. In den vergangenen Wochen starben nach offiziellen Angaben sieben Migranten an der Grenze zwischen Belarus und Polen. Die Regierung in Warschau beschuldigt den belarusischen Machthaber Alexander Lukaschenka, in organisierter Form Flüchtlinge aus Krisenregionen an die EU-Außengrenze zu bringen. Die erste Kammer des polnischen Parlaments hat bereits dem Projekt einer dauerhaften Befestigung der Grenze zugestimmt, die den seit August aufgezogenen Stacheldrahtverhau ersetzen soll. Lukaschenka hatte Ende Mai als Reaktion auf verschärfte westliche Sanktionen angekündigt, sein Land werde Migranten nicht mehr an der Weiterreise in die EU hindern.

In seinem Brief an den Innenminister schrieb Erzbischof Polak: „Angesichts der aktuellen – und wie wir wissen, dramatischen – Situation von Einwanderern und Flüchtlingen halte ich es für einen großen Mangel, dass es keine Einigung bezüglich eines gemeinsamen Handelns zur Rettung von Menschenleben gibt. Die von Regierungsseite so oft betonte Tatsache, dass Flüchtlinge im politischen Kampf brutal ausgebeutet werden, entbindet uns nicht von der Achtung der Rechte und Würde jedes Menschen als unseres Nächsten. Sie rechtfertigt auch in keiner Weise die Unterlassung von Maßnahmen zur Rettung von Menschenleben und Gesundheit. Ich bin davon überzeugt, dass wir unter Wahrung des Rechts und der Pflicht, die nationalen Grenzen zu verteidigen und für die Sicherheit unserer Bürger zu sorgen, in der Lage sind, Migranten, die sich in einer schwierigen Situation befinden, mit unseren gemeinsamen Anstrengungen zu helfen, wobei wir uns auch auf die erklärte Bereitschaft von Nichtregierungsorganisationen stützen können, darunter die oben erwähnte Gruppe von Medizinern. Was die Bitte der Mediziner betrifft, so fordere ich den Minister auf, konkrete und dringende Gespräche zu führen, die es dank gemeinsamer Vereinbarungen ermöglichen werden, die notwendigen humanitären Maßnahmen an unserer Ostgrenze durchzuführen.“

Bereits am 4. Oktober hatte der Vorsitzende der Polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Stanisław Gądecki, zu humanitärer Hilfe für die Flüchtlinge aufgerufen. Er forderte die von der Caritas bereits 2016 vorgeschlagene Einrichtung humanitärer Korridore, die den bedürftigsten Opfern eine kontrollierte Umsiedlung ermöglichten und sie vor der chaotischen Migration durch Schlepperbanden schützen würde. Erzbischof Gądecki erwähnte die Idee humanitärer Korridore auch beim Treffen einiger polnischer Bischöfe mit Papst Franziskus am 15. Oktober und bedauerte den Aufbau neuer Mauern in Europa.

Regula Zwahlen