Türkei: Bartholomaios warnt vor Nationalismus im kirchlichen Bereich

20. Februar 2020

„In erster Linie sind wir orthodoxe Christen und dann erst Griechen, Russen, Bulgaren, Ukrainer oder sonst etwas“: Dies betonte der Ökumenische Patriarch Bartholomaios in einem Interview mit einem australisch-griechischen Radiosender. Seit dem Fall des Kommunismus sei leider ein Wiederaufleben des „Phyletismus“ im kirchlichen Bereich festzustellen, sagte der Patriarch von Konstantinopel laut einer Meldung des Informationsdienstes der Stiftung „Pro Oriente“. Unter „Phyletismus“ wird im orthodoxen Sprachgebrauch der in die Kirche eingedrungene Nationalismus des 19. Jahrhunderts verstanden.

Bartholomaios betonte in dem Interview auch die Notwendigkeit, im Hinblick auf die Zukunft Europas an die christlichen Traditionen zu erinnern: „Es ist unsere Pflicht, als Repräsentan-ten der Kirchen größere Anstrengungen zu unternehmen, damit die Europäer im Alltagsleben den Lehren des Evangeliums folgen. Wir dürfen unsere Wurzeln nicht abschneiden und nie vergessen, dass das Christentum die Grundlage der europäischen Zivilisation ist.“

Auch zu verschiedenen Aspekten des modernen Lebens nahm der Ökumenische Patriarch Stellung, etwa zur ethischen Bewertung wissenschaftlicher Entwicklungen und zu „Fake News“. Als Beispiel für den Missbrauch von Wissenschaft und Technik nannte Bartholomaios ausdrücklich das Klonen. Das Phänomen bewusster Falschmeldungen habe sich bis in den kirchlichen Bereich ausgebreitet: „Es ist eine Sünde, Menschen durch ‚Fake News‘ in die Irre zu führen.“

Eine scharfe Absage erteilte der Patriarch neo-osmanischen Bestrebungen zur neuerlichen Umwidmung der Hagia Sophia in eine Moschee: „Die Hagia Sophia gehört der ganzen Menschheit. Für uns wird sie immer eine historische, traditionsreiche und glorreiche christliche Kirche sein. Wir möchten, dass sie ein Museum bleibt, sodass Besucher aus aller Welt sie weiterhin bewundern können.“

Vor einer Woche hatte der Patriarch bei einer Begegnung mit Professoren und Studenten aus dem griechischen Grevena und in Gegenwart des orthodoxen Erzbischofs von Australien, Makarios (Grienizakis) den besonderen Dienst der „Mutterkirche von Konstantinopel“ unterstrichen. Dieser Dienst geschehe „bisweilen unter günstigen, bisweilen unter ungünstigen Umständen“, aber er sei sicher, dass „bessere Tage kommen werden“, so Bartholomaios. Konstantinopel sei der „spirituelle Nährboden“ der griechischen Nation, hier sei „die Arche, in der die geheiligten Schätze der Nation bewahrt werden“. Das Ökumenische Patriarchat setze eine jahrhundertelange Tradition fort, in deren Verlauf das Patriarchat nicht nur „seinen eigenen spirituellen Kindern“ gedient habe, sondern „der ganzen Orthodoxie, dem ganzen Christentum und der ganzen Menschheit“. Wörtlich fügte Bartholomaios hinzu: „Das Patriarchat ist das Herz der Orthodoxie. Es hat einen besonderen Wert für uns orthodoxe Griechen, aber noch mehr für alle orthodoxen Christen, die hier ihren Bezugspunkt haben“.

Was die jüngeren autokephalen orthodoxen Kirchen betreffe, müsse daran erinnert werden, dass sie in Konstantinopel ihre Autokephalie (Selbständigkeit) und „gewissermaßen ihre eigene Persönlichkeit“ gewonnen haben. Leider gebe es „undankbare Kinder“, die nicht anerkennen wollen, was sie aus Konstantinopel empfangen haben: die Taufe, die Kultur, das Alphabet usw. Die Mutterkirche von Konstantinopel habe sich selbst entäußert, um anderen etwas geben zu können, so Bartholomaios: „Sie war, ist und bleibt eine wahre Mutter.“ (Quelle: Katholische Presseagentur Kathpress, www.kathpress.at)