Bosnien-Herzegowina: Kritik an geplanter Messe für Bleiburg-Opfer in Sarajevo

Die für den 16. Mai geplante Messe zum Gedenken an die Opfer von Bleiburg in Sarajevo sorgt für viel Kritik. Während die Bischofskonferenz von Bosnien-Herzegowina die rein religiöse Bedeutung der Feier betont, sprechen Kritiker von einem Schlag ins Gesicht der Ustaša-Opfer. Da dieses Jahr aufgrund der Coronavirus-Epidemie keine Gedenkfeier im österreichischen Bleiburg stattfinden kann, feiert der Erzbischof von Sarajevo, Kardinal Vinko Puljić, die Hauptmesse in der Kathedrale von Sarajevo. Puljić war als Leiter der Messe in Bleiburg vorgesehen gewesen.

Alle drei Mitglieder des bosnischen Staatspräsidiums verurteilten die geplante Messe. Šefik Džaferović, der Vorsitzende des Staatspräsidiums, forderte Puljić auf, die Entscheidung zur Durchführung der Messe noch einmal zu überdenken. Bleiburg werde „offensichtlich“ für den Versuch genutzt, die „Ustaša-Ideologie zu rehabilitieren“, und das zu einer Zeit, wenn „ganz Europa den Sieg über den Faschismus begeht“. Wenn im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg in Sarajevo für jemanden gebetet werden sollte, dann seien das Tausende unschuldiger Opfer des faschistischen Ustaša-Regimes. Man dürfe sich nicht in die kirchliche Arbeit einmischen oder Messen verbieten, aber auch die Kirche müsse „den Botschaften, die sie mit ihren Handlungen aussendet, Rechnung tragen“, fügte Džaferović hinzu. Derselben Meinung ist auch Milorad Dodik, das serbische Mitglied des Staatspräsidiums. Željko Komšić, das kroatische Mitglied des Staatspräsidiums, empfahl Kardinal Puljić zumindest die Opfer der Kriegsverbrecher, von denen es unter den Ermordeten von Bleiburg viele gegeben habe, in die Gebete einzuschließen. Sarajevos Bürgermeister, Abdulah Skaka, bezeichnete Sarajevo als Symbol des Kampfes gegen alle Arten von Gewalt, Totalitarismus, Repressionen und Aggressionen. Es sei eine Stadt, in der Opfer würdig und menschlich geehrt würden, das erwarte er auch von der katholischen Kirche.

In einem offenen Brief drückten der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinschaft Bosnien-Herzegowinas, Jakob Finci, und der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Sarajevo, Boris Kožemjakin, ihr Unverständnis aus, dass der ermordeten Ustaša-Vertreter und anderer faschistischer Verbrecher gedacht werden soll. Als Nachfahren der mehr als 10‘000 jüdischen Opfer des Zweiten Weltkriegs in Bosnien-Herzegowina, von denen mehr als 7000 aus Sarajevo stammten, könnten dies die bosnischen Juden nicht akzeptieren.

Kardinal Puljić erklärte dagegen bei einem Treffen mit dem stellvertretenden Bürgermeister von Sarajevo, dass sich die katholische Kirche nie auf die Seite irgendeiner Regierung gestellt habe und schon gar nicht einer verbrecherischen. Er betonte, dass kein Verbrechen verteidigt werden könne, aber man sich „allen unschuldigen Opfern gegenüber, und eben auch denen aus dem kroatischen Volk, mit der gleichen Pietät verhalten sollte“. Am 13. Mai veröffentlichte die Bischofskonferenz von Bosnien-Herzegowina eine Erklärung zu den Vorwürfen. Darin berief sie sich auf die Religionsfreiheit und ihr Recht, ihre Bräuche zu leben. Sie verwies darauf, dass Gottesdienste und Gebete in der katholischen Kirche „nur eine religiöse Bedeutung haben und jede Art politischer, rechtlicher oder gerichtlicher Bedeutung ausschließen“. Für eine Person oder Gruppe zu beten, bedeute nicht, sie zu ehren oder ihre politischen Überzeugungen zu akzeptieren.

Auch das Oberhaupt der Islamischen Gemeinschaft in Bosnien-Herzegowina, Reis-ul-ulema Husein Kavazović, nahm die katholische Kirche in Schutz. Sie habe „das Recht, Entscheidungen autonom zu treffen“. Die negativen Reaktionen richteten sich an die Falschen, denn Schirmherr der Bleiburg-Gedenkveranstaltung sei das kroatische Parlament. Die bosnischen Politiker sollten ihre Kritik an eine „politische Adresse“ richten, statt die Verantwortung auf die Kirche zu schieben versuchen. Er warnte davor, die katholische Kirche anzugreifen, weil die Kroaten in Bosnien-Herzegowina ihr mehr vertrauten als der kroatischen Politik. Es sei wichtig, einander zu respektieren. Außerdem sollte man nicht von Glaubensgemeinschaften verlangen, dass sie historische Fakten ermitteln, die „der Staat, staatliche Gerichte und die Geschichtswissenschaft hätten ermitteln sollen.“

Ivan Šarčević, Franziskaner und Theologieprofessor in Sarajevo, äußerte sich in einem Artikel sehr kritisch zum Bleiburg-Gedenken. Bleiburg sei eine Art „Nationalheiligtum“ geworden, so wie in der kroatischen Kirche „alle ‚sakralen‘ Orte und Begegnungen in etwas national Heiliges zu verwandeln“ versucht werde. Bei allen großen Feiern seien Politiker und andere weltliche Vertreter beteiligt. Dabei gebe es „wenig Pietät gegenüber Opfern, so wenig prophetische Stimmen für soziale Gerechtigkeit, für den Abbau der staatlichen Mafia und des parteilichen nationalistischen Verbrechens, so wenig Empathie für fremdes Leiden und fremde Opfer“. Es sei ein „ungeschriebenes Gesetz“ geworden, dass die Politik bestimme, „wer wo predigen wird, insbesondere an Orten des Leidens“. (NÖK)