Österreich: Expertengruppe spricht sich für ein Verbot politischer Gedenkveranstaltungen in Bleiburg aus

02. Dezember 2021

In Österreich hat eine interdisziplinäre Expertengruppe die jährlichen Gedenkfeiern in Bleiburg untersucht und diese in ihrem Bericht kritisch beurteilt. Das Gremium aus Historikern, Juristinnen, Vertretern der katholischen Kirche sowie Vertreterinnen des Innenministeriums und des Bundeslandes Kärnten, in dem Bleiburg liegt, kam zum Schluss, dass es künftig an den Feierlichkeiten keine politischen Versammlungen mehr geben dürfe.

Die Expertengruppe war aufgrund zweier Beschlüsse des österreichischen Nationalrats 2020 eingesetzt worden und hat im November 2021 ihren Bericht veröffentlicht. Darin untersuchen die Expertinnen und Experten die historischen Hintergründe, darunter die Rolle Kroatiens von 1939 bis 1949, sowie die Geschichte der Gedenkveranstaltungen in Bleiburg, um dann auf den rechtlichen Rahmen dafür einzugehen. Grund für die Untersuchung war die in den letzten Jahren zunehmende Kritik an der jährlich im Mai stattfindenden Gedenkfeier in Bleiburg, zu der tausende Kroatinnen und Kroaten anreisen.

Im April und Mai 1945 flohen zusammen mit der Wehrmacht Angehörige der Slowenischen Heimwehr (Domobranci), Verbände der kroatischen Armee (Hrvatsko domobranstvo), faschistische Ustaša-Einheiten, serbische Tschetniks und Zivilisten unterschiedlicher nationaler Zugehörigkeit vor den heranrückenden Partisanen nach Kärnten. Ein Teil dieser Verbände ergab sich am 15. Mai 1945 in Bleiburg den Briten. In Befolgung der alliierten Vereinbarungen übergaben die Briten die Gefangenen an Jugoslawien, wo sie der Rache des neuen kommunistischen Regimes anheimfielen. Viele der Ausgelieferten wurden standrechtlich erschossen oder starben auf den Fußmärschen in die Lager. Seit der Unabhängigkeit Kroatiens gewann die Gedenkfeier an Bedeutung, in den letzten Jahren kamen jeweils über Zehntausend Gläubige zur Messe auf dem Loibacher Feld nahe Bleiburg. Die Veranstaltung zog aber auch vermehrt offen rechtextreme Einzelpersonen und Verbände an. Deshalb hatte die Diözese Gurk-Klagenfurt 2018 die Auflagen verschärft, um einen geistlichen Charakter der Feiern sicherzustellen.

Mit Blick auf die Geschichte kam die Expertengruppe zum Schluss, dass die Gedenkveranstaltungen von „in Österreich ansässigen ehemaligen Ustaša-FunktionärInnen und -AnhängerInnen, die in ein breites Netzwerk von pro-faschistischen Vereinen und Dachverbänden unter der Leitung von Ante Pavelić [dem Gründer der Ustaša und Staatsführer des faschistischen Unabhängigen Staats Kroatien (NDH) im Zweiten Weltkrieg] eingebunden waren, initiiert und getragen wurden“. Ausgehen von einem Allerseelengedenken 1952 „entwickelten sich die später Mitte Mai abgehaltenen Gedenkfeiern zu Kundgebungen mit faschistisch-rechtsextremem Hintergrund“.

Das Gremium kritisiert, dass bereits auf dem Friedhof Transparente zur Schau gestellt würden, die „mit einem Totengedenken in der herkömmlichen Form nichts gemein“ hätten. Das gelte auch für die Prozession zum Loibacher Feld und die dort abgehaltene Messe, die auch politische Reden enthalte. Zudem werde mit der Inschrift auf dem Gedenkstein auf dem Loibacher Feld die Armee eines faschistischen Regimes geehrt, zudem sei es immer wieder zu Vorfällen mit nationalsozialistischem Hintergrund gekommen.

Aufgrund seines Staatsvertrags ist Österreich laut der Expertengruppe völkerrechtlich verpflichtet, sich gegen alle Formen des Faschismus einzusetzen, also auch gegen das Gedenken und die Ehrung eines faschistischen Regimes, wie sie in Bleiburg stattfinden. Zu erkennen sei dies an den „mitgeführten Transparenten und Abzeichen“ – Symbolen, Uniformen, Fahnen des NDH – und den „gehaltenen Ansprachen“. Daher spricht sich das Gremium für ein Verbot der Versammlung in der Form, wie sie 2019 und den Jahren davor stattgefunden hatte, aus. 2020 und 2021 fand die Gedenkfeier aufgrund der Pandemie in Bleiburg nicht statt. Allerdings betonen die Fachleute, dass sie sich nicht gegen ein Totengedenken oder eine katholische Messe aussprechen.

Laut inoffiziellen Angaben überlegt das kroatische Parlament, unter dessen Schirmherrschaft das Bleiburg-Gedenken steht, die Feiern künftig wie 2021 in Udbina abzuhalten. Dort habe der Fokus auf der katholischen Messe gelegen, deren Organisation natürlich bei der Kirche liege. In Österreich begrüßten vor allem die Grünen, auf deren Druck die Expertengruppe beauftragt worden war, den Bericht und das Verbot weiterer Symbole faschistischer Organisationen. Die Partei kritisierte die jahrelange Untätigkeit der lokalen Behörden in Bleiburg und der katholischen Kirche – die zuständige Diözese hatte sich erst in den letzten Jahren von den Feiern distanziert. Der Kärtner Landeshauptmann Peter Kaiser forderte vom Innenministerium einen „konkreten Plan“, um das Verbot durchzusetzen. (NÖK)