Kroatien: Bischof Hranić entschuldigt sich bei Missbrauchsopfern nach katastrophaler Pressekonferenz

20. April 2023

In einer öffentlichen Erklärung hat sich Erzbischof Đuro Hranić von Đakovo-Osijek bei den Opfern sexuellen Missbrauchs, deren Familien und den Gemeindegliedern in der Pfarrei Sotin sowie bei denjenigen, die über den Fall berichtet haben, und der ganzen kroatischen Öffentlichkeit entschuldigt. Der Erzbischof sah es in der am 31. März verbreiteten Erklärung als Fehler an, dass er den tatverdächtigen Priester Zlatko Rajčevac während der Untersuchung nicht aus dem Pfarreidienst genommen habe. „Leider habe ich erst kürzlich erkannt, nachdem ich das öffentliche Zeugnis eines Opfers sowie die Stimme der kirchlichen und allgemeinen Öffentlichkeit gehört und mich selbst vor dem gekreuzigten Herrn geprüft habe, welch großes Versäumnis und Fehler ich begangen habe, als ich mich um den Priester sorgte und nicht das Leiden der Opfer und ihr Bedürfnis nach Schutz, das sie von mir ersuchten, gesehen habe“, so Hranić.

Auslöser für diese Erklärung war eine Pressekonferenz von Erzbischof Hranić zehn Tage zuvor, an der er zwar wortreich betont hatte, dass es in der Kirche keinen Platz für Gewalt gegenüber Minderjährigen gebe, er aber seinen Umgang mit Rajčevac verteidigte und kaum Verständnis für die Perspektive der Opfer zeigte. Auf Nachfragen des Journalisten Hrvoje Šimičević, der den Fall seit Jahren verfolgt, warum er Rajčevac auch nach Bekanntwerden der Missbrauchsvorwürfe 2016 bis zu dessen Pensionierung im März 2020 trotz Bitten der betroffenen Gemeindeglieder in der Pfarrei belassen habe, antwortete Hranić, dass dieser „bereits alt und krank“ gewesen sei und „seine ganze Welt zusammengebrochen“ wäre. Zudem machte Hranić deutlich, dass er den Aussagen des Priesters mehr Glauben als den Berichten der Mutter eines betroffenen Mädchens geschenkt hatte.

Im Januar 2020 erhob die kroatische Staatsanwaltschaft Anklage gegen Rajčevac, der aber ein Jahr später, im Mai 2021, starb. Am Begräbnis des Priesters nahm auch Hranić teil und würdigte den Verstorbenen als „Menschen voller Empathie, sehr feinfühlig, der seine Gemeindeglieder liebt“. Auf Nachfrage des Journalisten Šimičević, warum er als Bischof an dem Begräbnis des angeklagten Täters teilgenommen und ihn ausgerechnet mit diesen Worten gewürdigt habe, antwortete Hranić: „Ich bin ein Bischof und muss zum Begräbnis meiner Priester gehen.“

Die Pressekonferenz schlug in der kroatischen Öffentlichkeit große Wellen: Šimičević sprach von einer „schweren moralischen Katastrophe eines Erzbischofs“. Tonči Matulić, Professor für Moraltheologie an der katholischen Fakultät in Zagreb, mahnte eine Umkehr der Perspektive an: die Opfer müssten in der Kirche im Mittelpunkt stehen und nicht die Täter. Die Theologin Ana Marija Raffai erklärte, dass es sich bei Missbrauch nicht nur um Einzelfälle handele, sondern dies ein strukturelles Problem der Kirche sei, so dass sich etwas an den Strukturen ändern müsse. Auch die Apostolische Nuntiatur in Kroatien reagierte angesichts der öffentlichen Debatte: Sie bescheinigte Erzbischof Hranić am 29. März, formal die kirchlichen Vorschriften im Umgang mit Missbrauchsfällen eingehalten, aber nicht die „nötige und angemesse Empathie gegenüber den Opfern“ gezeigt zu haben, wie an der Pressekonferenz ersichtlich geworden sei.

Zwei Tage später trat Hranić vor die Presse und gab seine öffentliche Erklärung ab, in der er seine Versäumnisse und Äußerungen an der Pressekonferenz vom 21. März bedauerte. Er verstehe jetzt besser, wie wichtig es sei, dass „das Opfer im Mittelpunkt unserer Reaktion auf eine Missbrauchsmeldung“ steht, und dass „Verdächtige strafbarer Handlungen in Übereinstimmung mit den gültigen kirchlichen Vorschriften behandelt werden sollten“. (NÖK)