Montenegro: Grundsatzabkommen zwischen orthodoxer Kirche und Staat unterzeichnet

11. August 2022

Der serbische Patriarch Porfirije und der montenegrinische Ministerpräsident Dritan Abazović haben am 3. August ein Grundsatzabkommen zwischen der Serbischen Orthodoxen Kirche (SOK) und dem Staat Montenegro unterzeichnet. Neben den Unterzeichnern waren mehrere montenegrinische Minister sowie Mitglieder des Hl. Synods der SOK, Metropolit Joanikije (Mićović) von Montenegro und den Küstenländern, Bischof Vasilije (Vadić) von Srem, Bischof Fotije (Kačavenda) von Zvornik und Tuzla, und Bischöfe und Geistliche aus Montenegro anwesend. Die Unterzeichnung des Grundsatzabkommens, das 20 Artikel umfasst, fand ohne Medien und ohne Ankündigung in Podgorica statt.

Patriarch Porfirije bedankte sich bei Abazović und seinen Mitarbeitern für ihre Bemühungen, dank derer die Angelegenheit, die sich seit 2012 hinziehe, auf festliche Weise abgeschlossen werden konnte. Das Abkommen im Einklang mit der Verfassung und den Gesetzen Montenegros sei sowohl für die Kirche als auch für den Staat nötig. Die SOK habe nie mehr angestrebt, als andere Glaubensgemeinschaften haben, aber es sei „selbstverständlich, logisch und normal“, dass sie auch nicht weniger habe akzeptieren können. Porfirije gratulierte auch allen Bürgerinnen und Bürgern Montenegros ungeachtet ihrer Religionszugehörigkeit und Nationalität und verwies auf die vielen Gemeinsamkeiten dank der jahrhundertelangen gemeinsamen Geschichte. Es sei „ein Luxus, Zeit auf das zu verschwenden, was uns unterscheidet, und die Unterschiede zu vermehren und vergrößern“. Die Jahrhunderte hätten gezeigt, dass „wir einander brauchen“.

Ministerpräsident Abazović twitterte nach der Unterzeichnung, eine „wichtige Frage ist ad acta gelegt“. Nun gehe es weiter, mit dem Fokus auf einer Verbesserung der Lebensstandards. In der offiziellen Mitteilung der Regierung erklärte Abazović, es sei ihm eine „außerordentliche Ehre und Befriedigung“, einen Prozess zu Ende gebracht zu haben, der „leider schon viel zu lange dauert“. Die Regierung sei entschlossen, allen Glaubensgemeinschaften „völlig identische Rechte“ zu geben. Mit der Unterzeichnung, glaubt er, werde eine „Botschaft des Friedens und der Toleranz“ vermittelt.

Die Verhandlungen über ein Grundsatzabkommen zwischen der SOK und Montenegro dauerten seit 2012 und waren von vielen Schwierigkeiten begleitet. Die SOK ist die größte Religionsgemeinschaft in Montenegro und eine große Mehrheit der orthodoxen Gläubigen im Land bekennt sich zu ihr. Mit der lange Jahre regierenden Demokratischen Partei der Sozialisten (DPS) bestanden viele Konflikte, der Tiefpunkt war das Ende 2019 verabschiedete neues Religionsgesetz, gegen das die SOK Massenproteste organisierte. Im August 2020 kam es zu einem Regierungswechsel, was die Lage entspannte, da danach das umstrittene Religionsgesetz abgeändert wurde. Doch auch mit der als kirchennah und proserbisch geltenden Regierung von Zdravko Krivokapić gelang der Abschluss der Verhandlungen zum Grundsatzabkommen nicht. Dieser ließ die angekündigte Unterzeichnung im Mai 2021 platzen. Die seit Ende April 2022 im Amt befindliche Minderheitsregierung unter Abazović nahm die Verhandlungen mit der SOK wieder auf. Die letzte Verhandlungsrunde zwischen Abazović und Patriarch Porfirije hatte Ende Juni in Belgrad stattgefunden. Am 30. Juni zeigten sich die beiden an einer Medienkonferenz mit dem Diskussionsverlauf zufrieden und zuversichtlich in Bezug auf einen baldigen Abschluss.

Die Unterzeichnung rief sofort Kritik von Aktivisten und verschiedenen politischen Parteien hervor. Die DPS kündigte an, ein Misstrauensvotum gegen Abazović zu lancieren, da das Abkommen gegen die montenegrinische Verfassung verstoße. Das Abkommen werde nach der Wahl einer neuen Regierung sofort suspendiert. (NÖK)

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