Serbien: Neuer Patriarch zu Ökumene, LGBT-Rechten und Ukraine

11. März 2021

Der neue serbische Patriarch Porfirije hat sich zurückhaltend zu einem möglichen Besuch des Papstes in Serbien geäußert. In einem Interview mit dem staatlichen serbischen Fernsehsender RTS erinnerte er daran, dass bereits sein Vorgänger, Patriarch Irinej, einen solchen Besuch zur Stärkung der Beziehungen zwischen der Serbischen Orthodoxen Kirche (SOK) und der römisch-katholischen Kirche im Prinzip begrüßt hätte. Doch gebe es noch keine konkrete Initiative, zudem könne er in dieser wichtigen Frage nicht allein, sondern nur gemeinsam mit der Bischofsversammlung entscheiden.

Ausdrücklich würdigte er die Entscheidung von Papst Franziskus, eine Dialogkommission zwischen den beiden Kirchen zur umstrittenen Rolle des Zagreber Erzbischof Alojzije Kardinal Stepinac während des Zweiten Weltkriegs einzusetzen, als „große Geste“. Auch wenn die Sichtweisen auf Stepinac nach wie vor unterschiedlich seien, sei man sich nähergekommen: „Diese Treffen […] führten zu etwas Paradoxem: wir kamen einander immer näher, so dass einer den anderen besser versteht. Wir blieben nur jeder bei seinen Positionen, doch wenn wir fortfahren uns auszutauschen, nicht über dieses Thema, sondern auch über andere Themen, glaube ich, dass wir leichter einen Weg ohne Unruhen und ohne Problem finden werden.“ Mit Blick auf das Vernichtungslager Jasenovac, das während des Zweiten Weltkriegs vom faschistischen „Unabhängigen Staat Kroatien“ (NDH) betrieben wurde, betonte der Patriarch, dass „wir alles tun müssen, um eine Versöhnung zu erreichen“. Die Erinnerung müsse bewahrt und das Gedenken gepflegt werden, aber als Christ müsse man sich zugleich gegen negatives Gedenken wehren, man müsse in die Zukunft blicken. In der Erinnerungskultur dürfe man nicht in Rachsucht und Hass gefangen sein, weil „diese Spirale des Bösen kein Ende haben wird“.

Aufhorchen ließ auch, dass Patriarch Porfirije im Interview Verständnis für die Schwierigkeiten von LGBT-Menschen zeigte. Für die Kirche sei die Ehe ein Bund zwischen Mann und Frau, aber er verstehe Menschen mit einer anderen sexuellen Orientierung, die zahlreiche administrative Probleme hätten, vor Herausforderungen stünden und Druck ausgesetzt seien. Im Hinblick auf ein mögliches Gesetz über gleichgeschlechtliche Partnerschaften lehnt er die Bezeichnung Ehe dafür ab, nicht jedoch eine Regelung ihres Status an sich. Kritisch sieht er den „gesellschaftspolitischen Druck der EU“ in diesen Fragen.

Hinsichtlich der Auseinandersetzung um die Autokephalie in der Ukraine bestritt Porfirije, dass die SOK auf der Seite der Russischen Orthodoxen Kirche (ROK) stehe. Die SOK stehe in diesem Fall und prinzipiell „immer auf der Seite der Kanones und der Ordnung“. Das Vorgehen des Ökumenischen Patriarchats in der Ukraine entspreche diesen nicht und die ROK sei in ihren Rechten verletzt worden. Von Druck aus Konstantinopel – weil die SOK trotzdem die eucharistische Gemeinschaft mit dem Ökumenischen Patriarchat nicht abgebrochen hat – wollte Porfirije ebenfalls nichts wissen.

Mit Blick auf die Coronavirus-Epidemie betonte der Patriarch die Pflicht, sich an alle Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Krankheit zu halten. Aber dabei sollten auch Fragen der geistigen Gesundheit berücksichtigt werden, dazu müssten Soziologen und Psychologen sowie letztlich auch Geistliche beigezogen werden. Er hält es für möglich, auch unter diesen Umständen Gottesdienste und alle religiösen Riten so zu organisieren, dass die epidemiologischen Maßnahmen eingehalten und so andere vor sich selbst geschützt werden.

Seit längerem dauert eine Auseinandersetzung um die Orthodoxe Theologische Fakultät an der Universität Belgrad an, in der ein Teil der Fakultätsvertreter ihre akademische Unabhängigkeit und Freiheit in Gefahr sieht, während der Hl. Synod wiederholt Dozenten seinen Segen entzogen hat. Dabei sieht Porfirije die Kirchenleitung klar im Recht, über die theologische Bildung zu entscheiden. Die Kirche müsse das „erste und das letzte Wort“ haben, das sei bei den theologischen Fakultäten an staatlichen Universitäten „in Kroatien, Slowenien und der EU“ überall der Fall.

Am 24. Februar traf Porfirije erstmals in seiner neuen Funktion den serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić zu einem Gespräch über wichtige Fragen des Verhältnisses zwischen Kirche und Staat. Dabei ging es auch um Kosovo und die zukünftigen politischen Verhandlungen darüber. Vučić betonte den Stellenwert der Staat-Kirche-Beziehung und sagte, wenn sie zusammenarbeiteten, werde Serbien in Europa in vielen Fragen „den ersten Platz einnehmen“. Andernfalls sei Serbien ein leichtes Opfer. Zudem sicherte er der Kirche staatliche Unterstützung zu, so bei der Renovation von Kirchgebäuden und den „allerfeinsten Abschlussarbeiten“ in der Sveti-Sava-Kathedrale; auch einen Park vor der Kathedrale will der Staat bauen. Es gebe „viele Ideen, Geld in Orte zu investieren, wo Serben gelitten haben“, erklärte der Präsident weiter. Porfirije betonte, er sei kein Politiker und er finde, die Kirche sei ein „synodaler Organismus, der, wie schwierig und manchmal auch unmöglich das ist, darauf zielt, zu versammeln, Brücken zu bauen, Klingen abzustumpfen und Polarisierungen zu überwinden“. Zudem erklärte er, – was auch der Standpunkt der Bischofsversammlung sei – alles zu tun, „damit es unserem Volk möglichst gut geht, aber dass das nicht zum Schaden anderer Völker geschieht, im Bewusstsein, dass wir ausschließlich durch Dialog und Gespräch einander kennenlernen und den Wert der jeweils anderen erkennen können“, um die „leider zahlreichen“ Missverständnisse überwinden zu können.

Anfang März musste sich Patriarch Porfirije in Quarantäne begeben, da er Kontakt mit einem später positiv auf das Coronavirus getesteten Priester hatte. Sein Vorgänger, Patriarch Irinej, war im November 2020 an den Folgen einer Coronavirus-Infektion gestorben, vor ihm waren Metropolit Amfilohije (Radović) von Montenegro, Bischof Milutin (Knežević) von Valjevo und der exkommunizierte ehemalige Bischof Artemije (Radosavljević) der Krankheit erlegen. Nun ist am 4. März der emeritierte Bischof Atanasije (Jevtić) von Zahumlje und der Herzegowina in Trebinje an Covid-19 gestorben. Beerdigt wurde der hoch angesehene Theologe am 6. März im Kloster Tvrdoš in der Nähe von Trebinje. In der Herzegowina verhängte der Gemeinde- und Städtebund der östlichen Herzegowina eine zweitägige Trauer, während der die Flaggen auf Halbmast waren. (NÖK)

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