Skip to main content

Armenien: Kirche warnt vor Genozid in Berg-Karabach

21. September 2023

Die Armenische Apostolische Kirche hat ihre „tiefe Sorge“ angesichts der jüngsten Kampfhandlungen in Berg-Karabach zum Ausdruck gebracht. Der großangelegte militärische Angriff Aserbaidschans auf die umkämpfte Region, bei dem friedliche Siedlungen beschossen würden, finde unter dem „falschen Vorwand einer ‚Antiterroroperation‘“ statt. Die Kirche verurteilte die erneuten Feindseligkeiten scharf und rief die internationale Gemeinschaft auf, die aserbaidschanische Führung in die Schranken zu weisen und „angemessen auf die völkermörderischen Handlungen Aserbaidschans zu reagieren“.

Am 19. September hatte Aserbaidschan das Gebiet von Berg-Karabach angegriffen, das nach dem letzten Krieg 2020 unter der Kontrolle der dortigen armenischen Bevölkerung geblieben war. Die völkerrechtlich zu Aserbaidschan gehörende, mehrheitlich von Armeniern bewohnte Region betrachtet sich seit einem ersten Krieg in den 1990er Jahren als unabhängig, unterstützt wird sie darin von Armenien. Nach 24 Stunden massiven Beschusses musste die Führung Berg-Karabachs in einen Waffenstillstand einwilligen, der offenbar von den russischen Friedenstruppen vor Ort vereinbart wurde. Der aserbaidschanische Präsident erklärte den Einsatz für beendet, die Souveränität über das Gebiet sei wiederhergestellt. Als Bedingungen für die Waffenruhe hatte Aserbaidschan die Entwaffnung der Kampfeinheiten Berg-Karabachs, die Auflösung der staatlichen Strukturen des international nicht anerkannten Gebiets und Gespräche zur „Reintegration“ der Region gestellt. Die Angst vor Vertreibung und Zwangsmaßnahmen ist groß. Armenien hat nach eigenen Angaben keine Truppen eingesetzt, wogegen in Jerewan Proteste stattfanden.

Die Armenische Apostolische Kirche teilte mit, es fänden tägliche Gebete in ihren Kirchen zur Unterstützung der Bevölkerung von Berg-Karabach statt. Als die Kampfhandlungen ausbrachen, befand sich gerade eine Delegation des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) in Armenien, um sich über die Situation in der Region zu informieren. Bei ihrem Besuch bei Katholikos Karekin II., dem Oberhaupt der Armenischen Apostolischen Kirche, erklärte die Delegation ihre Bereitschaft, zu einer friedlichen Lösung des Konflikts um Berg-Karabach beizutragen. Der Katholikos dankte dem ÖRK für sein Engagement und seine Appelle zur Aufhebung der Blockade des Latschin-Korridors.

Am 19. September stand ein Besuch des Latschin-Korridors auf dem Programm. Aufgrund der Kampfhandlungen konnte die ÖRK-Delegation allerdings nur in die Nähe des Korridors reisen. ÖRK-Generalsekretär Jerry Pillay zeigte sich besorgt darüber, dass die gut 100‘000 Einwohnerinnen und Einwohner Berg-Karabachs keinen Zugang zu humanitärer Hilfe erhalten. Erzbischof Vicken Aykazian, Vize-Moderator des ÖRK-Zentralkomitees, warnte eindringlich vor einem erneuten Genozid. Er rief die Oberhäupter wichtiger Staaten auf, den „Genozid, der jetzt stattfindet, nicht zu übersehen“. Rita Famos, Ratspräsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz und ebenfalls Teil der ÖRK-Delegation, appellierte an die Weltöffentlichkeit, ihre Aufmerksamkeit auf die Region zu lenken. Den Schweizer Bundesrat forderte sie auf, im UN-Sicherheitsrat den Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan zu thematisieren. Auch Papst Franziskus und der russische Patriarch Kirill riefen zu einer friedlichen Lösung des Konflikts auf. (NÖK)

"Was vom 13. bis 15. September geschah, widerspricht allen Vereinbarungen des Waffenstillstands von 2020"
Interview erzbischof mkrtchyan

Die jüngsten schweren Gefechte zwischen Armenien und Aserbaidschan haben auch die Diözese Vayots Dzor in Armenien in Mitleidenschaft gezogen. Erzbischof Abraham Mkrtchyan schildert die aktuelle Lage und das Engagement der Kirche.


Zur hochgefährdeten Lage in Armenien
Hintergrund  brief baerbock armenien

In einem Brief an die deutsche Außenministerin fordern mehrere Wissenschaftler:innen die Bundesregierung auf, zu Aserbaidschans völkerrechtswidriger Aggression gegenüber Armenien klar Stellung zu beziehen und alle ihr zur Verfügung stehenden Instrumente zu ergreifen, um Aserbaidschan von weiteren Angriffen abzuhalten.


Stellungnahme: Drohende Vernichtung armenischen Kulturerbes in Bergkarabach
De stellungnahme arzachkonferenz 28.7.2022 1

Rund 30 internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern haben im Juli an einer Konferenz über das kulturelle Erbe von Bergkarabach und seine aktuelle Gefährdung diskutiert und einen gemeinsamen Aufruf zu dessen Schutz publiziert.


Eine traumatisierte Gesellschaft: Armenien ein Jahr nach dem Karabach-Krieg
Hintergrund harutyunyan armenien 1 jahr nach dem krieg

Gut ein Jahr nach dem zweiten Karabach-Krieg leiden große Teile der armenischen Gesellschaft und die zahlreichen aus Berg-Karabach nach Armenien Geflüchteten noch immer unter dessen Folgen. Wertvolle Unterstützung erhalten sie aus der Diaspora und von ausländischen Hilfswerken.


Aufruf zum Schutz der Kulturgüter in Berg Karabach
Aufruf kulturgüter bergkarabach

Anlässlich eines vom Konfessionskundlichen Institut in Bensheim initiierten Fachgesprächs über Gefährdungen der christlichen Kulturdenkmäler in Berg Karabach haben Wissenschaftler*innen verschiedener Disziplinen einen Aufruf zum Schutz dieser Kulturgüter verabschiedet.


NÖK Nachgefragt: Die Lage in Armenien nach dem Krieg um Berg-Karabach
Nök nachgefragt harutyunyan

Am 10. November hat ein von Russland vermitteltes Waffenstillstandsabkommen den mehrwöchigen Krieg um Berg-Karabach beendet. Harutyun Harutyunyan schildert die aktuelle Lage sowie die Reaktionen der Gesellschaft und der Kirche in Armenien auf den Waffenstillstand.


Die neuste Eskalation eines alten Krieges aus der Perspektive der Armenischen Apostolischen Kirche
Harutyunyan konflikt bergkarabach

Ende September ist der "gefrorene Konflikt" um Berg-Karabach zwischen Armenien und Aserbaidschan wieder ausgebrochen, die Kampfhandlungen fordern Tote und Verletzte. Harutyun G. Harutyunyan geht auf die Reaktionen der Armenischen Apostolischen Kirche ein.