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Türkei: Wiedereröffnung der Eisernen Kirche in Istanbul

25. Januar 2018
Am 7. Januar 2018 wurde nach langjährigen Restaurierungsarbeiten die Kirche Hl. Stefan, bekannt als die „Eiserne Kirche“, in Istanbul wiedereröffnet. Zu diesem Anlass reiste der bulgarische Ministerpräsident Bojko Borissov mit dem Großmufti von Bulgarien sowie Patriarch Neofit und drei weiteren Mitgliedern des Hl. Synods der Bulgarischen Orthodoxen Kirche (BOK) an. Seitens der Türkei wurde dieses Ereignis von Präsident Recep Tayyip Erdoğan, Ministerpräsident Binali Yıldırım und weiteren Staats- und Religionsvertretern gewürdigt. Im Zentrum der Feierlichkeiten standen der gemeinsame Kirchenbesuch der ranghohen Gäste und der anschließende kurze Gottesdienst, der von Patriarch Bartholomaios von Konstantinopel zusammen mit dem bulgarischen Patriarchen zelebriert wurde.

In ihren Reden werteten Erdoğan und Yıldırım das Engagement des türkischen Staates als eine Botschaft der religiösen Toleranz. Erdoğan bedankte sich bei der bulgarischen Regierung für deren Hilfe bei der 2008 abgeschlossenen Restaurierung der Dschumaja-Moschee in Plovdiv, eine der ältesten osmanischen Moscheen in Europa. Der bulgarische Ministerpräsident und Patriarch Neofit bedankten sich ihrerseits bei allen, die bei der komplizierten Restaurierung der Kirche mitgewirkt hatten.

Die Bezeichnung „Die Eiserne Kirche“ geht auf die Baugeschichte des Gotteshauses zurück. Ende des 19. Jahrhunderts beschloss der Hl. Synod der BOK den Bau einer repräsentativen Kirche am Goldenen Horn. In Istanbul lebten zu dieser Zeit viele Bulgaren, außerdem befand sich damals der Sitz des bulgarischen Kirchenoberhauptes dort. Angesichts der ungünstigen Bodenverhältnisse entschied sich der armenische Architekt Aznavur für einen Bau aus Gussteilen aus Eisen und Stahl. Diese wurden in Wien gefertigt und später in Istanbul zusammengebaut. Die 1898 geweihte Kirche Hl. Stefan ist heute eine der wenigen noch erhalten gebliebenen Eisenkirchen der Welt. Aus diesem Grund genießt sie den Status eines Kulturdenkmals des türkischen Staates, dessen Eigentum sie heute ist. Daher übernahm die türkische Regierung den Hauptteil der Restaurierungskosten, die restlichen Mittel steuerten der bulgarische Staat und Spender bei. Seit Beendigung des Schismas zwischen der BOK und dem Patriarchat von Konstantinopel 1945 unterliegen die bulgarischen Gemeinden in der Türkei der Jurisdiktion Konstantinopels. Damals wurde auch die Verlegung des Sitzes des bulgarischen Kirchenoberhauptes nach Sofia geregelt.

Die Feierlichkeiten wurden von der Politik überschattet: anstatt der für solche Fälle vorgesehenen Gottesdienstordnung erfolgten kurze Gebete mit Wasserbesprengung. Kirchliche Medien sahen darin eine Degradierung der Patriarchen zu Nebenfiguren. Ministerpräsident Borissov machte noch einmal sein Anliegen deutlich, als Vermittler zwischen der EU und Erdoğan zu fungieren und betonte die gemeinsame Zukunft in Europa. Offensichtlich hegt die Führung der Türkei ebensolche Hoffnungen, denn das Ereignis fand ungewöhnlich viel Präsenz in den türkischen Medien. Auch beim Besuch der deutschen Kanzlerin Angela Merkel am 20. Januar in Sofia hob Borissov die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei als eines der wichtigsten Themen der Periode der EU-Ratspräsidentschaft Bulgariens hervor.

Vladislav Atanassov, Studium der Theologie in Sofia und Heidelberg, wohnt in Nürtingen, Deutschland. Zurzeit arbeitet er an der Herausgabe eines Buches über die Geschichte der Bulgarischen Orthodoxen Kirche.