Ukraine: Kirchen verurteilen Massaker an der Zivilbevölkerung in Butscha und anderen Kiewer Vororten

08. April 2022

Der Allukrainische Rat der Kirchen und Religionsgemeinschaften hat sich entsetzt über die massenhafte Tötung von Zivilisten in den Vororten von Kiew gezeigt und die Tat als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt: „Der Monat der zeitweiligen Besetzung von Butscha, Irpin, Hostomel und der umliegenden Dörfer durch die russischen Truppen hat nicht nur zu einer großflächigen Zerstörung der schönen, neu erbauten Wohngebäude, Spielplätze, Krankenhäuser und weiterer sozialer Infrastruktur geführt, sondern auch zur totalen Vernichtung der zivilen Bevölkerung der Region“.

Es gebe Beweise, dass die russischen Soldaten ukrainische Frauen und sogar Kinder vor den Augen von Angehörigen gefoltert, vergewaltigt, erschossen und in Massengräbern oder einfach auf den Straßen liegen gelassen hätten. „Die Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit […] sind ein triftiges Argument zugunsten umfassender […] Sanktionen gegen die russische Wirtschaft in allen Bereichen und sollte die Staatsoberhäupter, die NATO und die EU endlich dazu ermutigen, der Ukraine alle notwendigen Waffen zu liefern, um Russland als Terrorstaat zu besiegen“, so der Rat. Die ganze Welt sollte erkennen, dass dies keine „ukrainische Krise“ oder „ein Krieg Russlands gegen die Ukraine“ sei, sondern ein „Krieg der Menschlichkeit, moralischen Werte und Tugendhaftigkeit mit dem konzentrierten Bösen, das eine satanische faschistische Natur hat“. Die Erklärung des Rats schließt mit den Worten: „Wir beten für den vollständigen Sieg der Ukraine über dieses Böse, für die Niederlage der russischen Besatzungstruppen, den Sturz des menschenverachtenden Regimes in Russland sowie für ein Augenöffnen und Reue der von der Propaganda verblendeten russischen Bürger.“

Auch die Oberhäupter der Kirchen verurteilten die mutmaßlichen Kriegsverbrechen scharf. Großerzbischof Svjatoslav (Schevtschuk) von der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche sprach in seiner Videobotschaft zum 39. Kriegstag von „schrecklichen Kriegsverbrechen“. Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs wendet sich Schevtschuk täglich an die Öffentlichkeit. Solche Bilder habe Europa gesehen, als Städte und Dörfer von den Nazis befreit wurden, sagte Großerzbischof Svjatoslav. Es sei wichtig, dass die „ganze Welt das sieht und hört“, betonte er weiter. Beklemmend sei, dass die „russische Armee lastwagenweise geplünderte Güter aus der Ukraine fährt“, die diesen unschuldig Getöteten gehört hätten, die sie „vom Angesicht der Erde löschen wollten“.

Metropolit Epifanij (Dumenko) von der Orthodoxen Kirche der Ukraine erklärte im Fernsehen, dass die Ermordung der Zivilbevölkerung in den Vororten ein unfassbares Geschehen sei. Die Verbrechen würden mit der Ideologie der „Russischen Welt“ gerechtfertigt, die vom russischen Patriarchen Kirill mitbegründet worden sei. Diese Ideologie „rechtfertigt Mord, Gewalt, Krieg“ und stehe deshalb „auf gleicher Stufe wie die Ideologie des Nazismus“ und müsse „zurückgewiesen und verurteilt“ werden. Epifanij sieht die ukrainische Regierung in der Verantwortung, die „Ukrainer vor dem Einfluss dieser Ideologie“ zu schützen, so wie auch „prorussische Kanäle“, die das Bewusstsein der Ukrainer beeinflusst hätten, und Parteien im Parlament verboten worden seien. Die Ukrainer müssten vor „dem weiteren institutionellen Einfluss, den das Moskauer Patriarchat auf die Ukraine ausübt, geschützt werden“. Auf Twitter bezeichnete Epifanij die Massentötungen von Zivilisten als „Zeichen eines Genozids“. Alles, was jetzt in der Umgebung von Kiew, in Mariupol und anderen Städten und Dörfern der Ukraine zu beobachten sei, zeige, dass „der russische Tyrann, das Volk, das ihn unterstützt, und ihre Truppen in unser Land gekommen sind, um die Ukraine von den Ukrainern zu ‚befreien‘“, schrieb er.

In einem kurzen Statement bezeichnete auch Metropolit Onufrij (Berezovskij) von der Ukrainischen Orthodoxen Kirche (UOK) die Ereignisse in Butscha als „schrecklich“. Das Oberhaupt der Kirche, die dem Moskauer Patriarchat untersteht, erklärte, die Täter überlasse er dem Göttlichen Gericht, vor dem sich niemand verstecken könne. Den Angehörigen drückte er sein Mitgefühl aus und versprach, für die Toten zu beten. (NÖK)

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