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Der beschwerliche Weg zu einem gemeinsamen Osterdatum

07. April 2021

Vor Kurzem hat Erzbischof Job (Getcha) von Telmessos vom Ökumenischen Patriarchat angeregt, dass die Ost- und Westkirchen ab dem Jahr 2025 – anlässlich des Jubiläums des Konzils von Nizäa (325, also vor fast 1700 Jahren) – das Osterfest an einem gemeinsamen Datum begehen. Der Präsident des Päpstlichen Rats zur Förderung der Einheit der Christen, Kardinal Kurt Koch, hat diesen Vorschlag begrüßt und erklärt, dass man sich in der Tat anstrengen sollte, um die Anregung in die Praxis umzusetzen.

Bekanntlich existieren derzeit zwei unterschiedliche Berechnungsmethoden für das Osterdatum, eine für die westliche Christenheit, das heißt, die römisch-katholische und die altkatholische Kirche, die Anglican Communion, die Kirchen der Reformation sowie weite Teile der Pfingstbewegung; und eine zweite für die meisten orthodoxen und orientalisch-orthodoxen Kirchen sowie die Assyrische Kirche des Ostens. Was die mit Rom unierten Ostkirchen betrifft, feiern einige, wie z. B. die Ukrainische Griechisch-Katholische Kirche, Ostern nach dem julianischen Kalender, und andere, wie z. B. die Maronitische Kirche, Ostern nach dem gregorianischen Kalender.

In manchen Jahren kann der Unterschied zwischen den beiden Daten bis zu fünf Wochen betragen. Manchmal können die beiden Systeme auch übereinstimmen, so etwa in den Jahren 2014 und 2017. Das nächste gemeinsame Osterdatum wird es erst wieder 2025 geben. So legen die Kirchen ein getrenntes Zeugnis ab, indem sie das Fest der Auferstehung Christi an zwei unterschiedlichen Sonntagen im selben Jahr begehen. Damit kompromittieren sie, wie viele meinen, ihre Glaubwürdigkeit und die Wirksamkeit, mit der sie die Frohbotschaft in die Welt tragen. Zudem sehen sich Familien, deren Mitglieder unterschiedlichen Kirchen angehören, einem Konflikt ausgesetzt, wenn sie unterschiedliche Fastenzyklen befolgen und zwei Osterdaten einhalten sollen.

In der Tat ist es einerseits etwas seltsam, dass an unterschiedlichen Orten dieses zentrale Ereignis des Kirchenjahres mehrmals hintereinander begangen wird. Wir haben es hierbei immerhin mit der Auferstehung Christi als Basis des gemeinsamen christlichen Glaubens zu tun, einem Zeichen der Einheit und Versöhnung, die Gott für die gesamte Schöpfung gewollt hat. Auf der anderen Seite wird das Paschamysterium nicht nur zu Ostern gefeiert, sondern in jedem authentischen Gottesdienst. Christus ersteht nicht nur einmal im Jahr auf, sondern die Liturgie kann die Feiernden jederzeit die Ereignisse der Erlösung real erfahren lassen. Es existieren darüber hinaus so viele ‚eigenartige‘ kulturelle Differenzen, wie etwa, dass Weihnachten gleichzeitig in den verschneiten Alpen und in der Hitze Australiens begangen wird. Dennoch ist es das Osterfest, das Fest des gekreuzigten und wiederauferstandenen Christus par excellence, das gesamtchristliche Fest der Feste, in dem das Ostermysterium seinen dichtesten und intensivsten Ausdruck findet.

Unterschiedliche Berechnung des Osterdatums
Das Bestreben, ein gemeinsames Osterdatum für alle Kirchen zu finden, ist keineswegs neu, sondern existiert schon sehr lange, schon seit den ersten Jahrhunderten der Christenheit. So setzten sich bereits die Teilnehmer des Ersten Ökumenischen Konzils von Nizäa im Jahr 325 mit diesem heiklen Thema auseinander und kamen überein, das Paschafest am ersten Sonntag nach dem ersten Vollmond nach der Frühjahrs-Tagundnachtgleiche zu begehen. Sie meinten auch, dass die christliche Berechnung des exakten Paschadatums nicht von der jüdischen Berechnung des Pessach-Festes abhängig sein sollte. (In späteren Jahrhunderten wurde diese Argumentation aufgenommen und leider so interpretiert, als würde sie implizieren, dass in Nizäa jedweder jüdische Einfluss abgelehnt worden wäre, obwohl in diesem Fall die Konzilsväter nur eine verpflichtende Abhängigkeit von der damals inexakten jüdischen Berechnung vermeiden wollten und dieser eine korrektere Methode vorzogen.)

Alexandrien war dank seiner berühmten Astronomen das bedeutendste Zentrum für die Berechnung der Osterdaten gemäß dem nizänischen System, aber es war nicht das einzige; und so blieben unterschiedliche Berechnungen des Osterdatums und auch unterschiedliche Listen von Paschadaten (‚Paschalien‘) weiter bestehen. Rom, Irland und Gallien hielten lange Zeit an ihren eigenen Berechnungsweisen fest und passten sich erst viel später an Alexandrien an. Sogar die neue Hauptstadt des Imperiums, Konstantinopel, bediente sich einige Zeit lang eines anderen Berechnungssystems, als die ägyptische Metropole vorgab.

In den Jahren 46 und 45 vor unserer Zeitrechnung hatte Gaius Julius Cäsar eine Reform des römischen Systems der Zeitberechnung durchgeführt. Doch im Lauf der Jahrhunderte begann der nach ihm benannte julianische Kalender einige kleine Ungenauigkeiten aufzuweisen. Als sich diese mit der Zeit zu größeren Ungenauigkeiten auswuchsen, führte Papst Gregor XIII. im Jahr 1582 eine neue, genauere Zeitrechnung ein; in diesem Jahr folgte auf den 4. Oktober der 15. Oktober. Im gregorianischen Kalender wurden die Daten neu abgestimmt, so dass das Frühlingsäquinoktium stets auf den 20. oder 21. März fallen würde, so wie zur Zeit des ersten Konzils von Nizäa. Diese Änderung des Kalenders führte zur dringend notwendigen Verbesserung der Zeitrechnung; andererseits zog sie im Osten und Westen einen Bruch im Hinblick auf die Berechnung des Osterdatums nach sich, da ab diesem Zeitpunkt vielerorts zwei unterschiedliche Daten zur Anwendung kamen. Während sich der neue Kalender in Italien, Frankreich, Polen-Litauen und dem katholischen Habsburgerreich schnell durchsetzen konnte, wurde er in der anglikanischen Welt und den protestantischen Teilen des europäischen Kontinents, beispielsweise in den reformierten Niederlanden, erst viel später akzeptiert.

Im Jahr 1539, als er das erste Konzil von Nizäa kommentierte, hatte auch der Reformator Martin Luther eine Kalenderrevision in Bezug auf das Osterdatum befürwortet. Weil Luther erhebliche Kalenderdifferenzen zwischen unterschiedlichen Ländern und das damit einhergehende Chaos verhindern wollte, hoffte er, dass die Zivilbehörden eine einschlägige Korrektur mittels internationaler Zusammenarbeit ausführen würden; das geschah jedoch nicht. Des Weiteren hatten der Hof und das Parlament Englands vor, nach 1582 eine ähnliche Kalenderreform durchzuführen, aber ihre Pläne wurden von den anglikanischen Bischöfen konterkariert, weil letztere fürchteten, dass die vorgeschlagene Revision, so bald nach der vom Papst durchgeführten, einer Unterwerfung unter die Kirche Roms gleichkommen würde. Nur nach und nach – und nach oft heftigem Widerstand gegen die ‚päpstliche‘ Regelung, dem vor allem eine tiefe Abneigung gegen das Papsttum zugrunde lag – wurde der gregorianische Kalender auch in anderen, nicht-katholischen Teilen der westlichen Welt akzeptiert.

Was die Orthodoxie betrifft, so verhandelte Papst Gregor XIII. mit Patriarch Jeremias II. von Konstantinopel über eine Kalenderreform. Obwohl der Papst anführte, dass seine Reform in Übereinstimmung mit den Vorgaben des Konzils von Nizäa erfolgen sollte, konnte keine Einigung erzielt werden. In den Jahren 1583, 1587 und 1593 wiesen lokale Synoden in Konstantinopel die gregorianische Zeitrechnung mehrfach als unzulässige Innovation zurück, um so der in ihren Augen langjährigen göttlichen Kirchentradition treu zu bleiben. Darüber hinaus führte die Übernahme des gregorianischen Kalenders durch den katholischen König in Polen-Litauen zu Kontroversen. Einerseits gestattete der König der ruthenisch-orthodoxen Bevölkerung, am julianischen Kalender festzuhalten, andererseits versuchten lateinische Bischöfe, die neue gregorianische Zeitrechnung der (großen) orthodoxen Bevölkerung aufzuzwingen.

Meletianischer Kalender
Im Jahr 1902 rief Patriarch Joachim III. von Konstantinopel in einer Enzyklika die anderen orthodoxen Kirchen auf, die christliche Einheit wieder herzustellen, und befürwortete unter anderem eine Untersuchung der Kalenderfrage. Doch schon 1904 begann die Heilige Synode von Konstantinopel selbst, die Initiative des Patriarchen zu bremsen, und argumentierte, dass noch keine ausreichende Klarheit bestehe. 1920 hielt das Patriarchat von Konstantinopel alle Kirchen Christi dazu an, eine ‚Gemeinschaft der Kirchen‘ zu gründen, und sprach sich dafür aus, das gegenseitige Misstrauen zu beenden und die Liebe zwischen den Kirchen zu stärken. Der Text beinhaltete eine ganze Reihe von praktischen Vorschlägen, um dieses Ziel zu erreichen, wie etwa Austauschprogramme für Theologiestudierende oder die Feier der wichtigsten liturgischen Feste gemäß einem gemeinsamen Kalender.

Im Jahr 1923 traf eine angeblich pan-orthodoxe Konferenz eine weitreichende Entscheidung, die allerdings für die einzelnen Kirchen nicht offiziell bindend war, nämlich dass die Orthodoxie den revidierten julianischen Kalender (so die Ausdrucksweise für den gregorianischen Kalender in einer überarbeiteten, präziseren Form) übernehmen sollte. Diese Vereinbarung betraf nur die unverrückbaren jährlichen Feste, nicht den beweglichen Osterzyklus. Um eine Einigung auf einen gemeinsamen Kalender jener orthodoxen Kirchen, die den gregorianischen Kalender angenommen hatten oder noch annehmen würden, und den orthodoxen Kirchen, die weiterhin den julianischen Kalender nutzten, voranzutreiben, wurde ein Kompromiss geschlossen: alle orthodoxen Kirchen würden das Osterdatum weiterhin nach dem julianischen Kalender berechnen. Der meletianische Kalender, benannt nach dem Patriarchen Meletios IV. (Metaxakis), der den Vorsitz bei der Konferenz im Jahr 1923 führte, ist ein gemischter Kalender, der die gregorianische Zeitrechnung mit der Berechnung des Osterdatums nach julianischem Kalender verbindet. Die Verwendung des meletianischen Kalenders bedeutet also, dass auch die orthodoxen Kirchen, die der gregorianischen Methode zur Berechnung fixer Festtage folgen, weiterhin die Zyklen der Großen Fastenzeit und des Paschafestes nach dem julianischen Kalender feiern. Allerdings übernahm die orthodoxe Kirche in Finnland den gregorianischen Kalender in toto, das heißt inklusive der gregorianischen Berechnung des Osterzyklus. Damit feiern orthodoxe Finnen nun Karfreitag und Ostern am selben Tag wie die Lutherische Kirche, die bedeutendste Religionsgemeinschaft in Finnland.

Regionale Angleichungen des Osterdatums
Da der Osterzyklus nach dem meletianischen gemischten Kalender mit dem des julianischen Kalenders übereinstimmt, feiern die orthodoxen Kirchen des byzantinischen Ritus – mit der einzigen Ausnahme der Kirche von Finnland und einiger kleiner Gemeinschaften in der westlichen Welt – Ostern zum selben Termin wie die orientalisch-orthodoxen Kirchen (die koptische, eritreische, äthiopische und syrische Kirche und viele armenische Gemeinschaften), da die meisten dieser Gemeinschaften dem julianischen Kalender folgen. Allerdings hat das armenische Katholikat von Etschmiadzin den gregorianischen Kalender in toto übernommen, inklusive des Osterzyklus.

Andererseits feiert die römisch-katholische Kirche in Griechenland, Ägypten, Äthiopien, Eritrea und einigen anderen Ländern die Karwoche, das Osterfest, Christi Himmelfahrt und Pfingsten an denselben Tagen wie die lokalen orthodoxen und orientalisch-orthodoxen Kirchen. Tatsächlich verfolgt die katholische Kirche die Politik, vorübergehende Lösungen auf lokaler und regionaler Ebene zu finden, obwohl auch dies nicht durchgehend umgesetzt wird. Zentrale Anliegen sind dabei sowohl eine Verbesserung der ökumenischen Beziehungen zu den zwei orthodoxen Kirchenfamilien als auch interne Regelungen innerhalb der katholischen Kirche selbst. Im Gegensatz dazu feiert die römisch-katholische Kirche in Bulgarien, Rumänien und Serbien – Länder, in denen die Orthodoxie die dominierende Konfession darstellt – den Osterzyklus weiterhin nach dem gregorianischen Kalender. In Serbien ist ein wichtiger Grund hierfür, dass die dortigen Katholiken dies gewöhnt sind, bzw. auch dass viele der dortigen Katholiken slowenischer und kroatischer Abstammung sind; die gegenwärtige Praxis macht es ihnen leichter, mit ihren Verwandten in Slowenien und Kroatien in Verbindung zu bleiben. Dennoch ließe sich fragen, ob es für römisch-katholische Gläubige in Serbien, Rumänien und Bulgarien möglich wäre, den orthodoxen Osterzyklus zu übernehmen und damit dem Beispiel zu folgen, das bereits in Griechenland und andernorts gesetzt worden ist.

Die katholischen Ostkirchen, etwa die Ukrainische Griechisch-Katholische Kirche sowie die Melkiten und Chaldäer im Nahen Osten, feiern Ostern vielerorts am selben Datum wie ihre orthodoxen und orientalisch-orthodoxen Glaubensgefährten. In der westlichen Diaspora jedoch halten sich viele ostkatholische Pfarrgemeinden an den gregorianischen Kalender. Eine weitere wichtige Ausnahme sind die libanesischen Maroniten, die bereits 1606 den gregorianischen Kalender übernahmen. Im Libanon und in Syrien feiern auch die Melkiten, syrisch-katholischen Gemeinden und die armenisch-katholische Kirche Ostern nach dem gregorianischen Kalender. Hier zeigt sich die derzeitige katholische Strategie, die schon 1965 durch ein Komitee, das vom damaligen vatikanischen Sekretariat zur Förderung der Einheit der Christen eingesetzt wurde, empfohlen wurde: In Regionen, in denen die katholische Kirche andere christliche Glaubensgemeinschaften zahlenmäßig übertrifft, soll sie die Einheit anstreben, indem sie die gregorianische Berechnung beibehält und die orthodoxen und orientalisch-orthodoxen Kirchen einlädt, ihr zur folgen. Allerdings leisteten im Libanon und in Syrien die orthodoxen und orientalisch-orthodoxen Kirchen der katholischen Einladung keine Folge; sie halten an der julianischen Berechnung fest und auch die orthodoxe Konsultation von 1977 zur gesamtchristlichen Festlegung eines fixen Osterdatums hielt eine solche Anpassung für unklug. Im Gegensatz dazu versucht die katholische Kirche überall dort, wo die Orthodoxie die dominante Kirche darstellt, den julianischen Kalender zu übernehmen. Während dieses Prinzip in einer Reihe von Ländern Anwendung fand, wurde diese Anpassung jedoch, wie bereits erwähnt, in anderen Ländern nicht vollzogen, so etwa in Serbien und Albanien.

Die Diversität der kirchlichen Landschaften in aller Welt zeigt sich umso stärker, wenn wir die Situation in Indien betrachten. In Kerala und andernorts in Indien begehen die große Syro-malabarische Kirche (östlich-syrischer Tradition) und die kleinere Syro-malankarische Kirche (westlich-syrischer Tradition) Ostern nach dem gregorianischen Kalender und feiern so gemeinsam mit den anderen katholischen Gläubigen, nämlich mit denen des römischen Ritus sowie mit den anglikanischen Kirchen Südindiens und Nordindiens und der Mar-Thoma-Kirche. Die indische Syrisch-Orthodoxe Kirche und die andere große syrisch-orthodoxe Kirche Indiens haben, mit Zustimmung des syrisch-orthodoxen Patriarchates von Antiochien, ebenso die gregorianische Osterberechnung übernommen und feiern sogar Weihnachten zum gregorianischen Datum. Des Weiteren feiert auch die kleine assyrische Kirche in Trichur (Kerala), die bis 1988 am julianischen Kalender festhielt, seither Weihnachten und Ostern an denselben Tagen wie die anderen christlichen Gemeinschaften.

Ein fixes Osterdatum?
Ein Vorschlag zur Einigung auf ein gemeinsames Osterdatum sind die Bemühungen, ein fixes Osterdatum zu finden, das nicht auf den veränderlichen Zyklus des Mondes rekurriert, sondern unveränderlich bleibt. Im Verlauf des 20. Jahrhunderts haben protestantische Kirchenführer wiederholt Vorschläge zu einem fix bestimmten Osterdatum eingebracht. Im Jahr 1963 erklärte das Zweite Vatikanische Konzil in einem Appendix zur Konstitution über die Heilige Liturgie, dass der Feier des Osterfestes an einem fixen Sonntag im gregorianischen Kalender nichts entgegenstünde, vorausgesetzt dass alle Betroffenen, insbesondere die nicht-katholischen christlichen Gemeinschaften (wörtlich „die Brüder, die nicht in Gemeinschaft mit dem Heiligen Stuhl leben“) dem zustimmen. Auch der Ökumenische Rat der Kirchen hat mehrfach für ein fixes Osterdatum plädiert. Papst Franziskus hat ebenfalls an eine Reihe von orthodoxen Kirchenführern geschrieben und ihnen ein fixes Osterdatum vorgeschlagen.

Doch all diese Versuche hatten keinen Erfolg. Zwar brächte ein festgelegtes Datum einige Vorteile mit sich, insbesondere für nicht-kirchliche Kalender und langfristige Planung, doch sind die theologischen Nachteile offensichtlich. Ein erster Nachteil wäre, dass die enge Verbindung zwischen der Berechnung des jüdischen Pessachfestes und der christlichen Osterfeier verloren ginge. Dies ist nicht nur ein astronomisches und ein Kalenderproblem, sondern hat mit den jüdischen Wurzeln der christlichen Tradition und Liturgie zu tun; das christliche Ostern ist eng verknüpft mit dem jüdischen Pessachfest. Ein weiterer theologischer Nachteil eines fixen Osterdatums wäre sein Widerspruch zu den Bestimmungen des ersten Konzils von Nizäa, ganz zu schweigen vom biblischen Zeugnis selbst und wesentlichen Elementen der christlichen Tradition. Es kann daher nicht verwundern, dass die orthodoxen und orientalisch-orthodoxen Kirchen einem fixen Osterdatum weiterhin ablehnend gegenüberstehen, wie auch viele andere christliche Theologen, inklusive mir selbst.

Erklärung von Aleppo
Im März 1997 fand eine bedeutende Konsultation zur Frage des gemeinsamen, ökumenischen Osterdatums im syrischen Aleppo statt. Sie wurde mitveranstaltet vom Rat der Kirchen im Mittleren Osten und von der Kommission für Glaube und Kirchenverfassung des Ökumenischen Rates der Kirchen, in die auch die römisch-katholische Kirche eingebunden ist. In Aleppo wurde eine Erklärung verfasst, mit dem Titel „Auf dem Weg zu einem gemeinsamen Osterdatum“ (Towards a Common Date for Easter). Das Aleppo-Dokument lenkt mit Recht die Aufmerksamkeit auf die Zentralität der Auferstehung Christi als Basis des gemeinsamen christlichen Glaubens Zudem macht es auch einige wegweisende Vorschläge:

a) Es soll die Vorschrift aus dem ersten Ökumenischen Konzil von Nizäa übernommen werden, wonach Ostern auf den ersten Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond fallen muss.

b) Die Berechnung der notwendigen astronomischen Daten (Frühlings-Tagundnachtgleiche und Vollmond) muss mittels der genauesten wissenschaftlichen Methoden erfolgen und den Jerusalem-Meridian zum Ausgangpunkt nehmen.

Das Aleppo-Dokument wurde ausdrücklich von offiziellen Repräsentanten der katholischen Kirche, des Patriarchats von Konstantinopel und vielen anderen christlichen Gemeinschaften unterstützt. Von daher ist es etwas seltsam, dass Papst Franziskus ein fixes Osterdatum vorgeschlagen und damit das Aleppo-Dokument nicht zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen gemacht hat. Darüber hinaus veröffentlichte die wichtige Nordamerikanische Orthodox-Katholische Theologische Konsultation zwei Erklärungen (1998 und 2010), in denen sie die Empfehlungen des Aleppo-Dokuments wärmstens begrüßt und voll akzeptiert. Auch der Päpstliche Rat zur Förderung der Einheit der Christen, die anglikanische Lambeth-Konferenz, der Lutherische Weltbund, die Ukrainisch-Katholische Universität in Lviv, der Nationale Rat der Kirchen in den USA und andere mehr haben sich für ein gemeinsames Osterdatum ausgesprochen und die meisten hießen auch das Aleppo-Dokument gut.

Im Gegensatz zum Patriarchat von Konstantinopel reagierten jedoch viele andere orthodoxe Kirchen überhaupt nicht, zumindest nicht auf offizieller Ebene. Dies scheint eigenartig, da das Aleppo-Dokument ausdrücklich anstrebt, einen tragfähigen Weg zu finden, wie die Lehre des Konzils von Nizäa in unserer modernen Zeit angewendet werden kann. Zugleich trifft dies auch für eine ganze Reihe von katholischen und anderen westlichen Gemeinschaften zu. Für die meisten von ihnen ist das Aleppo-Dokument ein toter Buchstabe geblieben, ein interessantes Statement für Gelehrte und Kalenderexperten, jedoch scheinbar ohne Relevanz für die alltägliche pastorale Realität.

Hindernisse auf dem Weg zu einem gemeinsamen Osterdatum
Ich befürchte, dass zwischenkirchliche Hindernisse die Umsetzung von ‚Aleppo‘ ernsthaft behindert haben. Nicht-theologische Faktoren, wie etwa soziokulturelle Divergenzen und Unterschiede in religiöser Volkskultur sowie ein Mangel an Vertrauen und ökumenischer Bildung, haben einen bedeutenden Anteil daran, dass die christlichen Konfessionen in dieser Hinsicht von Stillstand und Stagnation gekennzeichnet sind. Sind sie reif und mutig genug, um sich nach vorne zu bewegen?

Sicherlich sind viele Christinnen und Christen in Ost und West heute bereit, in diese Richtung zu gehen. Doch gleichzeitig zeigt eine Vielzahl von Gruppen keinerlei Willen, einen solchen Schritt zu tun. Ich denke an manche westlichen Milieus, die unglücklicherweise die Orthodoxie und den byzantinischen Ritus für rückständig und exotisch halten. Manche Evangelikale halten sie sogar für nicht-biblisch und abgöttisch, während einige katholische Gruppen und die Lefebvrianer einseitig die Überlegenheit ihres eigenen römischen Ritus preisen. Für viele andere Katholiken und Protestanten sind gemeinsame Daten für Ostern (und Weihnachten) irrelevant, weil sie diese Frage nicht interessiert.

Ich denke auch an unterschiedliche orthodoxe Gruppen beispielsweise in Bulgarien und Russland, die darauf bestehen, dass wahrhaft Orthodox-Sein bedeute, unverkennbar andersartig zu sein, sich klar zu unterscheiden von anderen christlichen Gemeinschaften, die sie eher als Häretiker und/oder Schismatiker sehen. In beiden Ländern ist der Hauptgrund für den Widerstand gegen eine Kalenderveränderung und eine ökumenische Zusammenarbeit in der Überzeugung zu finden, dass Erlösung nur in der eigenen orthodoxen Kirche erfolgen und daher jeglicher Dialog mit anderen Glaubensgemeinschaften nichts anderes als ein fauler Kompromiss sein kann. Diese Haltung steht auch im Zusammenhang mit dem Mangel an interkulturellen und ökumenischen Kontakten und ökumenischer Bildung sowie mit der traurigen Erinnerung an die Exzesse der kommunistischen Ära; da die sozialistischen Regime solche internationale zwischenkirchliche Kooperation ausdrücklich förderten, hält man den aktiven Widerstand gegen Ökumene und Kalenderreform nun für wahre Orthodoxie. Natürlich sind auch in den orthodoxen Kirchen Hierarchen, Priester und theologisch gebildete Laien zu finden, die die Traditionen anderer Glaubensgemeinschaften gut kennen und sich für Dialog und ökumenische Öffnung einsetzen. Dennoch scheint es mir so, als ob sie derzeit nicht in der Überzahl sind.

Ein weiteres Problem besteht darin, dass die lokalen Hierarchen ihren orthodoxen Gläubigen kaum solide Informationen über die Resultate internationaler ökumenischer Dialoge präsentieren, an denen ihre eigenen Kirchen teilnehmen. Dies stellt sowohl ein ernsthaftes Hindernis als auch ein ambivalentes Phänomen dar. Einerseits postulieren offizielle pan-orthodoxe Konsultationen, dass die Zeit für eine Kalenderreform noch nicht gekommen sei und dem Volk Gottes noch mehr Information gegeben werden sollte. Andererseits werden auf lokaler Ebene, also innerhalb der orthodoxen Kirchen, solche Daten nur mangelhaft zur Verfügung gestellt, wenn überhaupt.

Dennoch sollten katholische und protestantische Glaubensgemeinschaften den orthodoxen Zweifeln an ihren Initiativen Aufmerksamkeit schenken. Sie tragen eine Bürde von Mission und Proselytismus unter den orthodoxen, orientalisch-orthodoxen und assyrischen Gemeinschaften. Besonders der langjährige Überlegenheitsanspruch und die Versuche der lateinischen Kirche, die Orthodoxie der päpstlichen Autorität zu unterwerfen, nährten bei Orthodoxen das Misstrauen gegenüber dem Katholizismus. Des Weiteren sieht ein großer Teil der griechischen, bulgarischen, serbischen und russischen orthodoxen Hierarchie – genauso wie viele Politiker und Gläubige – die Orthodoxie als Wächterin moralischer und nationaler Werte, die vor religiösem Pluralismus beschützt werden sollten. Religiöse Vielfalt und Multikulturalismus sind neue Konzepte und Phänomene, an die sie nicht gewöhnt sind und die daher für die meisten unerwünscht bleiben. Sie widersetzen sich der ‚Verwestlichung‘. Nicht wenige griechische und bulgarische Hierarchen fürchten, von der riesigen Europäischen Union absorbiert zu werden und als Konsequenz ihre Identität zu verlieren. Daher lehnen sie die ‚synkretistische Universalität‘ ab, welche ihnen zufolge keinen Unterschied zwischen Orthodoxie und Häresie macht. Ein strittiger Punkt wie die Kalenderreform und das Streben nach einem gemeinsamen Osterdatum für alle Kirchen gerät so in Gefahr, nur eine Schachfigur in der Auseinandersetzung von ‚Anti-Modernisten‘ und ‚Ökumenisten‘ zu werden. Allerdings haben orthodoxe Diasporagruppen, insbesondere in Westeuropa, Amerika und Australien, meist viel mehr Erfahrung mit Menschen aus anderen Glaubensgemeinschaften mit unterschiedlicher Religionszugehörigkeit und Weltanschauung.

Ein neuer Vorschlag und seine Probleme
Eine Art Paukenschlag, um die Sackgasse zu verlassen, war der Vorschlag, dass die römisch-katholische Kirche sich vorläufig der orthodoxen und orientalisch-orthodoxen Osterberechnung anschließen soll. Tatsache ist, dass vor etwa zehn Jahren eine Reihe katholischer Bischöfe und Theologen erwog, dass ihre Kirche vorläufig die orthodoxe und orientalisch-orthodoxe Tradition annehmen und Rom für eine Weile den meletianischen gemischten Kalender übernehmen sollte, um den Weg für ein gemeinsames gesamtchristliches Osterdatum zu ebnen. Dies ist gewiss eine bemerkenswerte Entwicklung, wenn man bedenkt, dass lange Zeit führende katholische Ökumeniker diese Möglichkeit stets zurückgewiesen haben. Der Vorschlag implizierte, dass die katholische Kirche den gregorianischen Kalender für die fixen Festtage wie Weihnachten oder Epiphanie beibehalten, aber die Zyklen der Großen Fastenzeit und des Osterfestes nach julianischer Berechnung feiern würde. Auch einige prominente orthodoxe Bischöfe schlugen vor, dass in Bezug auf Ostern die westliche Christenheit sich vorläufig der Orthodoxie anpassen sollte. Beispielsweise schlug Metropolit Ilarion (Alfejev) von Volokolamsk und Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats 2010 vor, dass für den Zeitraum eines Jahrzehnts alle Kirchen dem julianischen Kalender folgen und danach das Aleppo-Dokument umsetzen sollten.

Ein erstes und großes Problem dieses (bislang nicht gesamtkirchlich umgesetzten) Vorschlags scheint mir, dass er fürs Erste das Aleppo-Dokument mehr oder weniger eliminiert. Darüber hinaus lässt sich ein Osterdatum etwa Anfang Mai – wie dies im julianischen Kalender manchmal vorkommt und auch 2021 wieder der Fall sein wird (Ostern am 2. Mai) – wohl kaum mit den Vorschriften des ersten Konzils von Nizäa vereinbaren, das den ersten Sonntag nach dem ersten Vollmond nach der Frühlings-Tagundnachtgleiche vorschreibt. Eine zweite Herausforderung besteht darin, dass dieser Vorschlag das Kalenderproblem nicht zur Gänze zu lösen vermag, da der Unterschied zwischen dem julianischen und dem gregorianischen Kalender für die anderen Festtage wie Weihnachten weiterhin bestehen bleibt. Die dritte Herausforderung ist die Gefahr einer neuen Divergenz der Osterdaten: Wenn die römisch-katholische Kirche die Große Fastenzeit und Ostern nach dem julianischen Kalender feiern und die anglikanische Gemeinschaft, Altkatholiken und diverse Protestanten und Freikirchen weiterhin Ostern nach moderneren (und genaueren) Berechnungen begehen würden, würde dies zu einer neuen Trennung innerhalb der Christenheit führen, unter der insbesondere konfessionsverschiedene Ehen zu leiden hätten. Vor allem in Ländern, in denen Katholizismus und Protestantismus koexistieren, wie etwa in Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden, wäre dies ein neues und unerwünschtes Hindernis. Ziel der Ökumene kann schließlich nicht eine katholisch-orthodoxe Koalition ohne Teilhabe der anderen Westkirchen sein.  Ziel der Ökumene ist es, dass alle Kirchen gemeinsam die Einheit in Christus anstreben.

Bereitschaft aller Kirchen gefordert
Um sich in der dornigen Kalenderfrage anzunähern, bedarf es offensichtlich eines hohen Maßes an sorgfältiger Bildung und pastoraler Sensibilität. Es ist für die an diesem Prozess teilnehmenden Kirchen unabdingbar, die Hoffnung und Freude zu betonen, die ein gemeinsames Zeugnis zu Ostern/Pessach den Kirchen und der gesamten Welt bringen wird. Papst Franziskus hat bisher schon oft gezeigt, dass er unkonventionelle Wege beschreiten kann, die zum Ziel der Einheit führen, welche von so vielen Gläubigen ersehnt wird.

Ich fürchte dennoch, dass jeder Schritt in Richtung Einheit und die Veränderungen, die damit verbunden sind, auch zu neuen Spaltungen führen werden. Wenn auch kirchliche Zusammenschlüsse von großem Vorteil sein mögen, gibt es dabei immer Gruppen, die sich gefährdet fühlen und widersprechen. Dies gilt auch für die Fragen rund um den Kalender. Was den dornigen Weg zu einem gemeinsamen Osterdatum betrifft, so ist hier eine kenotische Spiritualität erforderlich, d.h. die Kirchen sollten eine Haltung der Bereitschaft einnehmen, ihre eigenen konfessionellen Identitäten nicht für absolut zu erklären, sondern im Geist der Einheit auch Opfer zu bringen. Katholiken, Orthodoxe, Orientalisch-Orthodoxe, Anglikaner, Protestanten und andere Christen und Christinnen sollten nicht von den anderen erwarten, dass diese Zugeständnisse machen oder den ersten Schritt in Richtung Einheit setzen. Ökumene dreht sich nicht um Gewinnen oder Verlieren. So wie sich Jesus entäußert hat (Phil 2,7), so brauchen auch die etablierten Kirchen eine Haltung der Selbst-Entäußerung, nicht bis zum Verlust der eigenen Haupteigenschaften, wie manche dies befürchten, sondern um ein Leben in Fülle zu erreichen.

Basilius Jacobus (Bert) Groen war bis 2018 ordentlicher Professor für Liturgiewissenschaft und Sakramententheologie an der Universität Graz, wo er auch den UNESCO-Lehrstuhl für Interkulturellen und Interreligiösen Dialog in Südosteuropa innehatte. Zudem ist er Gastprofessor an der Katholischen Universität Leuven und am Päpstlichen Ostkirchlichen Institut in Rom.

Bild: Eine Auferstehungsikone aus Ohrid (heute Nordmakedonien) aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts.