ZOiS Expert*innenstimme: Tbilisi Pride und die Orthodoxe Kirche in Georgien
Regina Elsner, 6. Juli 2021
Der für den 5. Juli geplante "March for Dignitiy" der Tbilisi Pride 2021 wurde aufgrund von Sicherheitsbedenken kurzfristig abgesagt. Im Laufe des Tages kam es zu Gegendemonstrationen, zu Vandalismus und zu Gewalt gegen das Organisationsbüro, Journalist*innen und Aktivist*innen. Regina Elsner, Expertin für Sozialethik der orthodoxen Kirchen, ordnet die Situation für das Zentrum Osteuropa- und internationale Studien ZOiS ein.
Wie ist die rechtliche und gesellschaftliche Situation für LGBTIQ* in Georgien verglichen mit anderen Ländern des postsowjetischen Raums?
Menschen, deren sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität nicht in die heterosexuelle Norm passt, haben es in den meisten postsowjetischen Ländern schwer. Zwar gibt es nicht in in allen Ländern ausdrücklich homophobe Gesetzgebungen – wie etwa das in Russland 2013 verabschiedete Gesetz gegen die Propaganda von Homosexualität – doch sind in den meisten Gesellschaften traditionelle Geschlechterrollen und Familienbilder tief verwurzelt. Alles, was sich von diesem Muster unterscheidet, gilt als fremd, westlich-dekadent und als eine Gefahr für die eigene Identität. In dieser Gegenüberstellung von angeblich westlichen, liberalen Werten mit traditionellen Werten wird das Engagement der EU für eine liberale Gleichstellungspolitik oft scharf kritisiert. Georgien hat darum rechtlich einen minimalen Diskriminierungsschutz verankert, allerdings gibt es keine Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, und Hassverbrechen gegen LGBTIQ* werden nicht strafrechtlich verfolgt. Seit vielen Jahren werden öffentliche Aktionen zur Solidarität mit LGBTIQ* - etwa die Tbilisi Pride oder Filmvorführungen – im Vorfeld unter Druck gesetzt und dann gewaltsam angegriffen. Die gesellschaftliche Einstellung zu Homosexualität in Georgien gehört zu den negativsten in ganz Europa.
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Bild: Tbilisi Pride