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Eine kleine, aber wahrhaft europäische Kirche: Griechisch-Katholische in Kroatien

04. November 2021

Im Oktober 2020 ist Milan Stipić zum neuen Bischof der griechisch-katholischen Eparchie von Križevci geweiht worden. Für welche Gläubige ist er verantwortlich?

Die Eparchie Križevci erstreckt sich nicht nur über Kroatien, sondern auch über Bosnien-Herzegowina und Slowenien. Zu Zeiten Jugoslawiens gehörten auch die Gläubigen des byzantinischen Ritus in Serbien und in Nordmakedonien dazu. Für die Gläubigen in diesen beiden Ländern existieren heute selbständige Eparchien.  Die Kirche von Križevci geht auf die Union von Marča 1611 zurück, später kehrte ein großer Teil der Gläubigen zurück zur Orthodoxie und nur im Žumberak-Gebirge (Sichelberg) zwischen Zagreb und Karlovac wurde die Kirchenunion bis heute bewahrt. Dort leben heute ca. 7000 Gläubige in den Städten um das Žumberak-Gebirge: in Zagreb, Samobor, Jastrebarsko und Karlovac, sie bilden den ältesten Stamm griechisch-katholischer Gläubigen in Kroatien.

Anfang des 18. Jahrhunderts kamen ruthenische griechisch-katholische Siedler in die Bačka (heutige Vojvodina/Serbien). Davon siedelte ein Teil nach Ostkroatien (Slawonien) um, ca. 7000 Gläubige. Anfang des 20. Jahrhunderts. kamen erneut griechisch-katholische Siedler in die Eparchie, diesmal aus Galizien (Ukraine). Diese Ukrainer, ebenfalls etwa 7000 Gläubige, lebten zum größten Teil in Bosnien unweit von Banja Luka, aber ein größerer Teil ist während des e Kriegs in den 1990er Jahren nach Kroatien geflohen und lebt heute in Zagreb und Slawonien. Milan Stipić stammt von den kroatischen Griechisch-Katholischen ab und steht allen griechisch-katholischen Gläubigen in den drei Ländern vor. In seiner bisherigen Amtszeit hat er das pastorale Angebot erweitert, indem verstärkt in Dalmatien, in den Städten Split und Zadar, aber auch in Ljubljana in Slowenien neue liturgische Zentren gegründet wurden. Somit versteht sich die Eparchie als missionarische Eparchie, die allen Katholiken, gleich welchen Ritus, das Angebot des Kennenlernens der östlichen Tradition machen möchte.

Wie kam es zur Gründung der Eparchie von Križevci?
1453 wurde Konstantinopel von den Osmanen erobert. In den folgenden Jahrzehnten breitete sich das Osmanische Reich auch auf die anderen griechischen, bulgarischen, serbischen, montenegrinischen, bosnischen und kroatischen Länder aus. Die Gebiete an der Grenzlinie zwischen dem Osmanischen Reich und Österreich wurden durch die Kämpfe verwüstet und zu einem regelrechten „Wilden Westen“, der von Gesetzlosigkeit und Armut gekennzeichnet war. Orthodoxe Bevölkerungsgruppen, Wallachen und Raitzen, waren bereit, gegen Land und Sicherheiten als Wehrbauern gegen die Osmanen zu kämpfen. Österreich war in einer misslichen Lage: Man hatte kein Geld, brauchte aber Soldaten. So wurden den „Uskoken“ (von uskočiti: „entspringen, entfliehen“), den orthodoxen Flüchtlingen, Land und Befreiung von Finanzabgaben zugesichert, dafür hatten diese die Grenze zu sichern. Eines der an die Uskoken gegebenen Privilegien war die Religionstolerierung. Nachdem die ersten Uskoken 1530 nach Sichelberg gekommen waren, folgten ihnen viele weitere und so stellten die Orthodoxen bald in einigen Grenzgebieten die Bevölkerungsmehrheit.

Die Initiative zur Kirchenunion von Marča war kein von katholischer Seite begonnenes Missionsprojekt, sondern ging von Simeon Vretanja, dem orthodoxen Bischof im Kloster Marča nahe dem heutigen Križevci, aus. Die Union wurde von anderen Uskoken zwar mitgetragen, doch wurde oftmals ein Aufzwingen der lateinischen Bräuche und eine Assimilation befürchtet. Während ein nationales Bewusstsein bei den Uskoken am Anfang kaum ausgeprägt war, wurde die Union zwischen kroatischen Katholiken und serbischen Orthodoxen bald zum Politikum und scheiterte letztlich am Zwang zur Vereinheitlichung von beiden Seiten. Nachdem am Ende des 17. Jahrhunderts der serbische Patriarch aus Peć geflohen war und in Ungarn Zuflucht gefunden hatte, kehrte ein Großteil der Unierten wieder in die Orthodoxe Kirche zurück. Die Orthodoxen brannten das Kloster Marča nieder und der griechisch-katholische Bischof floh in den ältesten Teil der Militärgrenze: nach Sichelberg. Aus diesem Grund blieb diese Region bis heute mehrheitlich griechisch-katholisch. Im Zuge der Kirchenreformen des frühen Josephinismus initiierte Maria-Theresia die Gründung einiger neuer griechisch-katholischer Eparchien, so im Jahr 1777 das Bistum Križevci für die Gläubigen der Union von Marča. Der Sitz der Eparchie wurde nach Križevci gelegt, weil man sich erhoffte, dass die orthodoxen Gläubigen vielleicht doch noch zur Union übertreten würden und im Umland dieser Stadt viel Missionspotential lag. Dies wurde jedoch nie verwirklicht. Zuwachs erhielt die kleine Kirche dagegen durch die griechisch-katholischen Ruthenen, die bereits zuvor von Wien in der Bačka angesiedelt worden waren, jedoch erst 1777 in die Eparchie von Križevci eingegliedert wurden. Davor hatten die Ruthenen in der Bačka, die in Südungarn und nicht in Kroatien lag, unter der Verwaltung des römisch-katholischen Erzbistums von Kalocsa gestanden.

Neben den bereits erwähnten, Anfang des 20. Jahrhunderts hinzugekommenen Ukrainern aus Bosnien und den Makedoniern aus Strumica (Nordmakedonien), wären noch die kleinen rumänischen Gemeinden in Ostserbien zu nennen, die im sozialistischen Jugoslawien vom Bistum Križevci betreut wurden. Nachdem der orthodoxe Priester in den serbisch-rumänischen Grenzdörfern von den rumänischen Kommunisten ermordet worden war, versorgte – ein ökumenisches Unikum! – der griechisch-katholische Pfarrer sowohl seine Pfarreien als auch die vakant gewordenen orthodoxen. Erst nach dem Fall des Eisernen Vorhangs konnte ein orthodoxer Priester dorthin entsandt werden. Dies zeigt, dass aus der ehemals kroatischen Eparchie eine wahrhaft europäische und betont katholische (allumfassende) Kirche geworden ist. Auch heute werden enge Beziehungen zu den eigenständig gewordenen griechisch-katholischen Nordmakedoniern gepflegt.

Vor welchen Herausforderungen steht die griechisch-katholische Kirche in Kroatien heute?
Die Menschen sind mobiler und globalisierter geworden. Eine erste Antwort auf diese Entwicklung sind die neuen pastoralen Zentren in den großen Küstenstädten Dalmatiens und in Ljubljana in Slowenien, die von Bischof Stipić ins Leben gerufen worden sind. Statt nur die Pastoral in den historisch bedeutenden Pfarreien weiterzuführen, hat man erkannt, dass der byzantinische Ritus ein geistiger Reichtum für alle Menschen ist, unabhängig von ihrer nationalen oder kirchlichen Zugehörigkeit.

Wichtig ist insbesondere die Gründung des Klosters Kričke in Dalmatien. Die Kirche und das Pfarrhaus waren im Zweiten Weltkrieg angezündet und zerstört worden, im Krieg in den 1990er Jahren wurden die Überreste gesprengt. Es sah so aus, als ob dort nie wieder griechisch-katholisches Leben einziehen würde. Bischof Stipić hat noch in seiner Zeit als Pfarrer die Kirche und das Pfarrhaus wiedererrichtet und nun als Bischof dort eine kleine Klostergemeinschaft gegründet. Dass ist aus zwei Gründen wichtig: Zum einen lebt eine ostkirchliche Eparchie aus dem Mönchtum. Das geistige Leben wird von den Mönchen durch die radikale Lebensverwirklichung als Christ vorgelebt und begeistert die Menschen. Zum zweiten zeigt die Gemeinschaft, dass kein Hass Menschen trennen darf. Heute sind serbische Orthodoxe genauso willkommen wie lateinische Kroaten. Diese Idee auf den zerklüfteten Balkan auszuweiten, wäre eine zukunftsträchtige Vision von Kirche-Sein: Ut unum sint. Bischof Stipić hat wie keiner seiner Vorgänger Mut gezeigt, das Evangelium über nationale Interessen zu stellen.

Die Menschen sind zudem von der postsozialistischen Transformation herausgefordert: Der Turbo-Kapitalismus zerfrisst die Gesellschaft. Die Wiederbelebung des geistigen Erbes von Byzanz in Kroatien könnte ein Beitrag sein, den Horizont von einem nur irdischen hin zu einem himmlischen, wie Erzpriester Alexander Schmemann zu sagen pflegte, zu weiten. Eine geistige Antwort auf die weltlichen Sorgen der Gegenwart zu finden, ist eine zentrale Aufgabe jedes Bistums und jeder Landeskirche. Dabei haben wir alle unsere Schwierigkeiten, aber mir scheint, die byzantinischen Kirchen verwahren mit dem Schatz ihrer Göttlichen Liturgie ein recht gutes Unterpfand. In der Coronakrise waren die griechisch-katholischen Gemeinden sehr aktiv und haben schnell zu unorthodoxe pastorale Angeboten gefunden: Beichte und Liturgie unter freiem Himmel, Online-Übertragungen schon seit den ersten Tagen der Pandemie und spezielle Coronaliturgien für Erkrankte. Der vergleichsweise junge Klerus der Eparchie zeigte sich als recht kreativ und versuchte, ein Ohr für die Gläubigen zu haben.

 Hinweisen möchte ich auch noch darauf, dass das starke Erdbeben in Zagreb im März 2020 das Priesterseminar und die Zentralpfarrei in der kroatischen Hauptstadt stark getroffen hat – und ich wage zu sagen, fast völlig zerstört. Der Wiederaufbau verläuft zwar gut, aber die Revitalisierung des Gemeindelebens wird eine große Herausforderung für die nächsten Jahre sein.

Robert Rapljenović, Dr., Repetitor am Collegium Orientale Eichstätt.

Bild: Kirchgemeinde Pribić in Žumberak (© Robert Rapljenović)