Nachruf zur seligen Entschlafung von Bischof Lavrentije (Trifunović)
Am 23. Januar 2022 verstarb in Belgrad Bischof Lavrentije (Trifunović) von Šabac und Valjevo kurz vor der Vollendung seines 88. Lebensjahres. Bestattet wurde er am Vorabend seines Geburtstages und des Festtags des Hl. Sava am 26. Januar 2022 an der Altarseite des Klosters zum Heiligen Nikolaus Soko in der Nähe der Kleinstadt Ljubovija. Das Kloster war auf Initiative von Bischof Lavrentije gegründet und als Bildungsstätte aufgebaut worden.
Fokus auf missionarische Tätigkeit
Živko Trifunović, so der bürgerliche Name des späteren Bischofs, wurde am Festtag des Hl. Sava am 27. Januar 1935 als Zwillingsbruder einer bäuerlichen Familie in Bogoštica, einem kleinen Ort im Westen Serbiens, geboren. Nach der Mittelschule besuchte er das Priesterseminar in Belgrad und studierte an der dortigen Orthodoxen Theologischen Fakultät orthodoxe Theologie. 1958 wurde er zum Mönchsdiakon und 1961 zum Mönchspriester geweiht. In der Folgezeit arbeitete er als Priester in Bosnien, danach als geistlicher Vater des bekannten Pilgerheiligtums Hl. Petka in der Belgrader Festung Kalemegdan. Gleichzeitig wurde er zum Professor der Priesterseminare in Krka in Dalmatien und in Belgrad berufen. Von seinem Bildungshorizont zeugt auch, dass er mehrere Fremdsprachen sprach.
Am 1. Juni 1967 wurde er zum Bischof geweiht und blieb bis 1969 Vikar Seiner Heiligkeit des serbischen Patriarchen German (Đorić). Während der schwierigen sozialistischen Zeit, in der die Serbische Orthodoxe Kirche (SOK) buchstäblich um ihr Überleben kämpfte, widmete sich Bischof Lavrentije vor allem missionarischen Aufgaben. Zusammen mit dem Patriarchen rief er die bis heute existierende Kirchenzeitschrift Pravoslavlje (Orthodoxie) ins Leben. Auch die kirchliche Wohltätigkeitsorganisation Versko dobrotvorno starateljstvo, die zu einem Wahrzeichen der diakonischen Arbeit der SOK geworden ist, verdankt sich seiner Initiative. Zudem fungierte er als Leiter und Redakteur Zeitschrift Pravoslavni Misionar (Orthodoxer Missionar).
Einsatz in der Diaspora
Die verschiedenen serbischen Migrantengruppen nach dem Zweiten Weltkrieg waren politisch tief zerstritten. Diese Konflikte strahlten auch auf die Kirche aus, so dass es 1963/64 mit der Gründung der „Freien Serbisch-Orthodoxen Kirche von Amerika“ zu einer Kirchenspaltung in der Diaspora kam. Von den Auseinandersetzungen waren auch die serbischen Gemeinden in Westeuropa betroffen. Vielfach entstanden Parallelstrukturen, Gemeinden spalteten sich und selbst in Familien kam es zu Konflikten. Vor diesem Hintergrund und angesichts der Arbeitsmigration von hunderttausenden sog. Gastarbeitern aus Jugoslawien nach Westeuropa, vor allem nach Deutschland, entschloss sich der Hl. Synod 1969 zur Gründung einer eigenen Eparchie für Westeuropa, Australien und Neuseeland. Zum Bischof der neuen Eparchie wurde Lavrentije bestimmt.
In der Botschaft von Patriarch German an den Klerus und das gläubige Volk in der Diaspora hieß es: „Der Hl. Synod der Kirche und ich als Patriarch haben Euch eine frohe Botschaft zu übermitteln: Wir überlassen Euch das Beste, was wir haben. […] Wir haben uns entschlossen, den derzeitigen Bischofsvikar Lavrentije zum ersten Bischof für Westeuropa, Australien und Neuseeland zu berufen und zu endsenden. Die Kirche und das Volk in der Heimat werden unter diesem Verlust zu leiden haben, aber Wir verstehen dies als unser aller Opfer zum Wohle der gesamten Kirche.“ Am 29. März 1969 wurde Lavrentije in der Kirche des Hl. Sava in London inthronisiert und auf den Weg in seine neue, bis dahin nichtexistierende Eparchie verabschiedet.
Aber wohin? Es gab keine Residenz, keine Administration, keine Bischofskathedrale, nur wenige Gemeinden, keine eigenen Gotteshäuser und politische Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen serbischen Migrantengruppen. Zunächst siedelte sich Bischof Lavrentije in London bei der dortigen gut organisierten Emigrantengemeinde an. Von dort aus organisierte er seine Tätigkeit in ganz Europa mit Schwerpunkt Deutschland, und darüber hinaus nach Australien und Neuseeland. Ihm stellten sich drei große Aufgaben: erstens das in der westlichen Welt zerstreute gläubige serbische Volk aufzufinden, zweitens der Aufbau der Seelsorge, der Pfarreien und der Finanzen, und drittens die Errichtung eines Diözesanzentrums. Nach einigen Jahren richtete er seinen zweiten Eparchialsitz in Düsseldorf ein, bis 1978 Hildesheim-Himmelsthür zu seinem neuen westeuropäischen Sitz wurde. Unter Lavrentijes Leitung wurde eine ehemalige evangelische Kirche erworben und zur Kirche der Entschlafung der Gottesmutter umgebaut.
Lavrentije war ein Prediger und ein Mann der Tat – mit leiser Stimme, aber einer enormen Wirkung. Sein Motto war: Herz zum Herz! Ein „seltsamer“ Bischof, der ständig mit schwer bepackten Koffern mit dem Zug durch seine Eparchie unterwegs war und nie ein eigenes Auto besaß.
Herausgabe des Gesamtwerks von Velimirović
Neben der Kirche errichtete er in Himmelsthür eine Buchdruckerei und einen Verlag und publizierte unzählige Missionsbücher und Schriften. Bleibende Verdienste erwarb sich Bischof Lavrentije mit der Herausgabe des Gesamtwerks des berühmten serbischen Bischofs Nikolaj (Velimirović), der ein großer Theologe, Religionsphilosoph, Dichter und Schriftsteller war und 2003 von der SOK heiliggesprochen wurde. Es ist zudem Lavrentije zu verdanken, dass die Gebeine von Nikolaj (Velimirović) 1991 von den USA nach Serbien überführt wurden.
Das Diözesanzentrum in Himmelsthür strahlte ein vielfältiges Leben aus. Es wurde zu einem Pilgerort von serbisch-orthodoxen Christen aus Deutschland und ganz Westeuropa. Dort fanden zahlreiche Seminare und Veranstaltungen für den Klerus und die Laien statt, insbesondere für Kinder und Jugendliche. Bischof Lavrentije gründete zudem den Verband der serbischen Ärzte und Mediziner in Westeuropa zu Ehren der Hl. Kosmas und Damianos.
1968 nahm er an der vierten Vollversammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen in Uppsala teil und wurde für sieben Jahre in das Zentralkomitee gewählt. Er war außerdem Vertreter des Kommission Europäischer Kirchen für Migrationsfragen, stellv. Vorsitzender der Europäischen und der Serbischen Bibelgesellschaft und Vorsitzender des Vereins der serbisch-deutschen Zusammenarbeit. Bischof Lavrentije war geistlicher Mitbegründer und Betreuer des berühmten Mühlenmuseums und des orthodoxen Handwerkszentrums mit der wunderschönen Kirche in Gifhorn bei Hannover. Die Stadt Hildesheim ernannte Bischof Lavrentije 1984 zu ihrem Ehrenbürger.
Ein besonderes Herzensanliegen Lavrentijes waren die ökumenischen Beziehungen zu den anderen christlichen Kirchen, aber auch der Dialog mit dem Judentum und dem Islam. Bischof Lavrentije schaffte so Vertrauen und wurde zu einem gefragten Gesprächspartner. Er wirkte auch an der Gründung des Freundeskreises orthodoxer, katholischer und evangelischer Christen Philoxenia mit.
Rückkehr nach Serbien
1989 ernannte die Bischofsversammlung der SOK Lavrentije zum Bischof der Eparchie von Šabac und Valjevo. Auch dort baute er wieder grundlegende Strukturen – Kirchen, Gemeindezentren, Klöster und soziale Einrichtungen – auf. Er gründete das Verlagshaus Glas Crkve (Stimme der Kirche), einen Kirchenradio- und -fernsehsender. Mit dem Jugendhilfswerk Moba (Gute Werke) vernetzte er die serbische Jugend in der ganzen Welt.
Während der jugoslawischen Zerfallskriegen in den 1990er Jahren organisierte er Hilfsgüter und versorgte in Zusammenarbeit mit dem Roten Kreuz Flüchtlinge. Er nutze seine Kontakte aus seiner Zeit in Deutschland und Westeuropa, um allen in Not geratenen Menschen, nicht nur Serben, zu helfen. Zusammen mit dem damaligen katholischen Bischof von Hildesheim Josef Homeyer bemühte sich Bischof Lavrentije, zwischen den Kriegsparteien in Belgrad, in Zagreb und Sarajevo zu vermittelten. Für seine Versöhnungsarbeit unter den Völkern des ehemaligen Jugoslawiens wurde Lavrentije vom Bundespräsidenten der Republik Österreich ausgezeichnet.
Lavrentijes Tod ist ein Verlust für die ganze Kirche, die Ökumene und den interreligiösen Dialog. Er war ein lebendiges Vorbild und unerlässlicher Brückenbauer. Der Herr möge seine Seele dorthin versetzen, wo die Gerechten ruhen. Ewiges Gedenken dem unvergessenen und lieben Diener Gottes und Bruder, Bischof Lavrentije!
Pfr. Slobodan Milunović, Erzpriester der serbischen-orthodoxen Kirchengemeinde in München.