Die Rumänische Orthodoxe Kirche und der Aufstieg der extremen Rechten in Rumänien
Ionut Biliuta
Am 24. November 2024 gewann Cǎlin Georgescu, ein unabhängiger Kandidat mit prorussischen und anti-EU- und anti-NATO-Positionen, die erste Runde der rumänischen Präsidentenwahlen mit 22,94 Prozent der Stimmen. Aus seiner Bewunderung für die faschistische Eiserne Garde und ihre Märtyrer während des Kommunismus macht Georgescu keinen Hehl und erklärte bereits 2016, dass „unsere Helden-Märtyrer kanonisiert und zu Heiligen erklärt werden sollten, beginnend mit Mihai Viteazu, Valeriu Gafencu und Arsenie Boca“. Während Mihai Viteazu ein Fürst der Walachei im 16. war, waren Valeriu Gafencu und der orthodoxe Geistliche Arsenie Boca in der Zwischenkriegszeit als Mitglieder oder Sympathisanten der faschistischen Bewegung Rumäniens, bekannt als Eiserne Garde und Legion Erzengel Michael aktiv. Die profaschistischen Ansichten Georgescus sollten im Kontext einer anhaltenden faschistischen Tradition im heutigen Rumänien interpretiert werden. Die Nostalgie für die Eiserne Garde der Zwischenkriegszeit, die Präsenz von Faschisten in der geistlichen Hierarchie der Rumänischen Orthodoxen Kirche (RumOK) während der kommunistischen Zeit und das postsozialistische Wiederaufleben faschistischer Ideologien im orthodoxen Rahmen haben jüngere Generationen und orthodoxe Geistliche erfasst.
Die Landschaft des orthodoxen Faschismus im frühen postkommunistischen Rumänien
Der Zusammenbruch von Nicolae Ceauşescus nationalkommunistischem Regime Ende Dezember 1989 leitete eine schrittweise, aber instabile Demokratisierung der rumänischen Gesellschaft ein, die es auch verschiedenen traditionellen christlichen Konfessionen ermöglichte, sich öffentlich zu äußern. Als vorherrschende religiöse Institution in Rumänien war die orthodoxe Kirche mit beträchtlichen inneren Spannungen konfrontiert, die mit der Kollaboration einiger Bischöfe, Theologen und Priester mit der berüchtigten kommunistischen Geheimpolizei Securitate zusammenhingen. Dazu kamen neue Herausforderungen wie Säkularisierung, Modernisierung, sexuelle Emanzipation und Debatten um Abtreibung in einem demokratischen Kontext. Diskussionen über die orthodoxen Kollaborateure mit der kommunistischen Partei und ihren unterdrückerischen Institutionen behinderten sowohl einen inneren wie äußeren Dialog über die faschistischen Subkulturen, die unter dem Schutz orthodoxer Bischöfe und der Untätigkeit des Hl. Synods gediehen. Außerdem hatten einige frühere Mitglieder der rumänischen faschistischen Bewegung der Zwischenkriegszeit, insbesondere der Eisernen Garde, Positionen als Bischöfe, Erzbischöfe und Metropoliten im Hl. Synod inne, der vom betagten und angeschlagenen Patriarchen Teoctist (Arǎpaşu), selbst ein ehemaliger Sympathisant der Eisernen Garde, geleitet wurde. Diese Bischöfe hielten die ontologische Beziehung zwischen Nationalismus und religiöser Identität als grundlegendes Prinzip des öffentlichen Diskurses der orthodoxen Kirche aufrecht.
Das allgegenwärtige Schweigen über die faschistische Vergangenheit einiger Geistlicher, kombiniert mit der Anziehungskraft nationalistischer Werte unter jüngeren Geistlichen, bestärkte frühere Mitglieder der Eisernen Garde, die als Priester und Mönche tätig waren, öffentliche Veranstaltungen zum Gedenken an die Opfer ihrer Kameraden während des Kommunismus zu organisieren. Sie veröffentlichten Memoiren und errichteten Klöster, die der jüngeren Generation, die zur Sache der Neo-Legionäre neigte, finanzielle Unterstützung bot. Die Archimandriten Iustin Pârvu, Abt des Klosters Petru Vodǎ, und Arsenie Papacioc, der geistliche Leiter des Frauenklosters Techirghiol, initiierten mit den Priestern Gheorghe Calciu, Constantin Voicescu und Vasile Moise eine Bewegung innerhalb orthodoxer fundamentalistischer Kreise, die beim Hl. Synod dafür warb, die in kommunistischen Gefängnissen umgekommenen Faschisten als Märtyrerheilige der RumOK zu kanonisieren. Mit finanzieller Unterstützung des Klosters Petru Vodǎ und seines Netzwerks monastischer und studentischer Vereinigungen der orthodoxen Jugend (ASCOR) in ganz Rumänien wurde der Einsatz für die Kanonisierung von Legionärsmärtyrern als Heilige, bezeichnet als Bewegung für „Gefängnisheilige“, erfolgreich von einer Generation an die nächste weitergegeben.
Neofaschistische Subkulturen innnerhalb der RumOK
2007 startete eine Gruppe Geistlicher und ihrer jüngeren Anhänger, darunter Claudiu Târziu, Danion Vasile, Dan Puric, Andrei Codrescu und Sorin Lavric, eine Medienkampagne mit öffentlichen Veranstaltungen. Die Gruppe richtete formell eine Petition für die Kanonisierung der im Kommunismus inhaftierten Legionärsmärtyrer als Märtyrerheilige an den Hl. Synod. Dieser reagierte jedoch nicht auf die Petition. Nach dem Tod von Archimandrit Iustin Pârvu 2011 wandten sich die neofaschistischen Mönche mit einigen der erwähnten Intellektuellen anderen öffentlichen Initiativen zu. Dazu gehörten der Widerstand gegen obligatorische Impfungen für Kinder, die Anfechtung von Rumäniens Beitritt zur EU, die Verurteilung der Verwendung von elektronischen Chips in Identitätskarten und Pässen, Kampagnen für das Referendum zur Änderung der verfassungsrechtlichen Definition der Familie 2018, die gleichgeschlechtliche Ehen ausgeschlossen hätte, sowie das Infragestellen von Schutzmaßnahmen der rumänischen Regierung während der Covid-19-Pandemie. Die Gruppe mobilisierte antimoderne und antiwestliche Narrative, die spezifisch auf aktuelle Sorgen angepasst wurden. Sie propagierte Verschwörungstheorien, die die EU als Manifestation jüdischer Interessen darstellten, argumentierte, dass die europäische Integration die nationale Identität und den orthodoxen Glauben untergrabe, und behauptete, dass die rumänischen staatlichen Institutionen ausländische Interessen über die Bedürfnisse ihrer orthodoxen Bürger:innen stellten. Die Gruppe vertrat die Auffassung, dass Rumänisch-Sein gleichbedeutend mit dem Orthodox-Sein sei, und förderte xenophobe, antisemitische und rassistische Gefühle. Solche Positionen erinnerte an die Rhetorik der Eisernen Garde während der Zwischenkriegszeit.
Als sie 2020 die Vergeblichkeit ihrer Aktionen und die Notwendigkeit einer politischen Stimme, die orthodoxe faschistische Ideale vertritt, erkannten, gegründeten sie eine neue politische Einheit: die Allianz für die Einheit der Rumänen (AUR). Die neofaschistische Partei nahm an den Parlamentswahlen im Dezember des gleichen Jahres teil und erhielt 9,2 Prozent der Stimmen. Verwurzelt im Ultranationalismus, positionierten sich ihre zentralen Ideologen, darunter Claudiu Târziu, als intellektuelle Nachfolger der Eisernen Garde. Sie propagierten Antiabtreibungs- und Familienwerte, den Schutz der orthodoxen Kirche gegen die westliche Säkularisierung, die proaktive Verteidigung der nationalen Identität gegen den Transnationalismus der EU sowie wirtschaftliche Autarkie. Die AUR arbeitete intensiv mit dem orthodoxen Klerus zusammen, um ihre Wählerunterstützung zu konsolidieren und weitere Anhänger zu gewinnen. Während die Bischöfe eine offizielle Distanz zur AUR wahrten und ihre Geistlichen anwiesen, dies ebenfalls zu tun, fühlten sich jedoch viele Kleriker von den traditionellen proeuropäischen politischen Parteien, die während fast drei Jahrzehnte dominiert hatten, übergangen. Daher suchten sie in der neofaschistischen AUR eine politische Alternative, die mit ihren ultranationalistischen und konservativen Werten übereinstimmte. Trotz des Widerstands der orthodoxen Kirchenleitung erhielten die AUR und andere neofaschistische Parteien bei den Parlamentswahlen 2024 fast 35 Prozent der Stimmen, getragen von der Unterstützung der Geistlichen, insbesondere in der rumänischen Diaspora in Mittel- und Westeuropa. Außerdem profitierte der neofaschistische Präsidentschaftskandidat Cǎlin Georgescu, der seine Bewunderung für Figuren wie den Anführer der Legion Erzengel Michael, Corneliu Zelea Codreanu, und Marschall Ion Antonescu sowie für die sog. „Heiligen der kommunistischen Gefängnisse“ äußerte, von den Mobilisierungsbemühungen der orthodoxen Gemeindepriester und ging im ersten Wahlgang in Führung.
Nicht warum, sondern wie ist es dazu gekommen?
Die Untersuchung der komplexen und verworrenen Geschichte der rumänischen Orthodoxie und des Neofaschismus in der postsozialistischen Zeit wirft eine wichtige Frage auf: Welche Faktoren haben zum Aufruhr und der ideologischen Verwirrung innerhalb des orthodoxen Klerus sowie zur andauernden Präsenz faschistischer Ideologien in orthodoxen Gemeinschaften beigetragen? In den ersten Jahren nach dem Zusammenbruch des Sozialismus diente die offene Äußerung antikommunistischer Gefühle als bequemer Deckmantel, um faschistische Sympathien zu verschleiern. Mehrere orthodoxe Geistliche mit Verbindungen zur Eisernen Garde der Zwischenkriegszeit nutzten das antikommunistische Narrativ, um ihre kontroversen Geschichten vor öffentlicher Untersuchung abzuschirmen. Dieses Phänomen wurde von einer generellen historischen Amnesie unter rumänischen Historikern verschärft, die oft den Kommunismus nicht angemessen als verbrecherisches Regime charakterisierten, während sie zugleich die Zwischenkriegszeit als goldenes Zeitalter romantisierten. Dieser Kontext förderte die Komplizenschaft zwischen faschistischen und nicht-faschistischen Geistlichen und ermöglichte es früheren Mitgliedern der Eisernen Garde, faschistische Ideologien zu verbreiten, ohne auf den Widerstand des Staats oder der Zivilgesellschaft zu stoßen. Folglich blieben radikale Erscheinungsformen des orthodoxen religiösen Faschismus bestehen.
Ein weiterer wichtiger Faktor, der zur Langlebigkeit des orthodoxen Faschismus innerhalb der rumänischen Orthodoxie beitrug, ist die bewusste Vermengung von Faschismus und Nationalismus sowie die Verschmelzung von terroristischem Fanatismus und mystischem Glauben. Die überlebenden Faschisten beschönigten ihre historischen Taten und stellten die Eiserne Garde als eine spirituelle Bewegung dar, die auf eine Wiederbelebung der rumänischen Orthodoxie zielte. Mitglieder, die wegen politischer Vergehen inhaftiert worden waren, wurden als Märtyrer des orthodoxen Glaubens dargestellt. Die historischen Berichte über gewalttätige Aktionen und antisemitische Zwischenfälle, die von der Eisernen Garde begangen wurden, wurden als Erfindungen der kommunistischen Feinde abgetan. Wie in anderen faschistischen Kontexten fiel diese Mythologisierung der Geschichte mit dem Glauben orthodoxer Gemeinschaften zusammen, dass die Eiserne Garde nicht nur eine politische Gruppierung, sondern ein Kollektiv von Nationalhelden und orthodoxen Märtyrern sei.
Diese Verquickung von faschistischem Nationalismus und religiösem Glauben, begleitet von der Manipulation der historischen Wahrheit, hat dank charismatischen Mönchen und Geistlichen unter jungen Menschen eine extremistische Ideologie aufrechterhalten. Zudem sind bestimmte faschistische Geistliche unter dem Vorwand hesychastischer Anleitung von den orthodoxen kanonischen Traditionen abgewichen, die Lehrlinge davon abhielten, die Ideale ihrer Mentoren zu übernehmen, und vermittelten so ihren Schützlingen den religiösen Faschismus der Zwischenkriegszeit.
Für viele, die ihre hesychastische Vergöttlichung anstrebten, wurde diese Ideologie akzeptabel gemacht und als der einzig gangbare Weg angesehen. Die anhaltende Untätigkeit des Hl. Synods in Bezug auf die Ausbreitung des Kults der Gefängnisheiligen und der faschistischen hesychastischen Spiritualität unter Geistlichen und Jungendlichen hat faschistische Geistlichen und ihre Laienanhängern ermutigt, ihre Propaganda zu intensivieren und sich auf Kulturkonflikte mit proeuropäischen und progressiven Teilen der Gesellschaft einzulassen. Bis die RumOK durch die Führung von Figuren wie Patriarch Daniel und ihrer offiziellen Sprecher versuchte, die ideologische Radikalisierung innerhalb fundamentalistischer Gemeinschaften und die Anziehungskraft der neofaschistischen AUR unter orthodoxen Geistlichen und Gläubigen einzudämmen, war es bereits zu spät, um sinnvolle Änderungen zu bewirken.
Letztlich hat die Nachsichtigkeit der Bischöfe in Verbindung mit anhaltenden Missionsbemühungen in der Diaspora dazu geführt, dass sich neofaschistisches Gedankengut in den orthodoxen Gemeinschaften sowohl in Rumänien als auch im Ausland ungehindert ausbreiten konnte. Die orthodoxe Verehrung der faschistischen Gefängnisheiligen hat sich über die rumänischen Grenzen hinaus verbreitet, begünstigt von der Verbreitung paraliturgischer Gottesdienste, in denen die faschistischen Märtyrer und ihre Wunder gepriesen wurden, sowie von der Überführung ihrer Reliquien in andere orthodoxe Gotteshäuser. Die zentralisierte Kontrolle des rumänischen Patriarchats erwies sich in Randregionen als ineffektiv, was zu einem unkontrollierten Wachstum neofaschistischer Ideologien in der rumänischen Diaspora und in den sozialen Medien führte. Zahlreiche orthodoxe Priester, die in Westeuropa leben und arbeiten, haben offen die antiwestlichen, antimodernen, prorussischen und neofaschistischen Agenden von Personen wie Cǎlin Georgescu, George Simion und Diana Şoşoacǎ durch die jeweiligen Facebook-Seiten ihrer Gemeinden unterstützt. Finanziell unabhängig von ihren Bischöfen und frei von Einschränkungen durch das Patriarchat haben sich viele orthodoxe Priester und Mönche in der Diaspora als Hauptbefürworter des Neofaschismus unter ihren Gemeindemitgliedern erwiesen.
Ionut Biliuta, Dr., Historiker und Forscher am Gheorghe Sincai Institut für Sozialwissenschaften und Geisteswissenschaften der Rumänischen Akademie in Târgu Mureş.
Übersetzung aus dem Englischen: Natalija Zenger.
Bild: Wahlplakate des Präsidentschaftskandidaten Cǎlin Georgescu und der rechtsextremen Partei AUR. (© Shutterstock)