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Konferenzbericht: Europa wohin?

22. März 2018
Angesichts der zahlreichen Krisen und Herausforderungen in Europa sei ein aktives Engagement von Kirchen und Gläubigen mehr denn je wünschenswert, lautete eine mehrfach ausgesprochene Anregung an der Konferenz „Europa – wohin?“. So rief der Präsident der Tschechischen Christlichen Akademie, Prof. Tomáš Halík, in seinem Referat die Kirchen dazu auf, neue Wege zu suchen, denn „das Christentum von gestern kann schwerlich eine Hoffnung für das Europa von heute oder morgen sein“.

Während drei Tagen diskutierten Vertreter aus Kirche, Wissenschaft und Politik aus 14 europäischen Ländern über die Zukunft Europas und wie mit den Herausforderungen für Kirche und Gesellschaft umgegangen werden könnte. Ein Nachmittag war der Diskussion der Situation in verschiedenen osteuropäischen Ländern gewidmet, die dank kleineren Gruppen einen intensiveren Austausch ermöglichten. In den Podiumsdiskussionen waren sowohl EU-Mitgliedstaaten wie Tschechien, Bulgarien oder Rumänien vertreten als auch Beitrittskandidaten wie Serbien und Albanien, aber auch Nicht-EU-Staaten wie Russland, die Ukraine oder Georgien.

Weihbischof Krzysztof Zadarko, der in der Polnischen Bischofskonferenz für Flüchtlingsfragen zuständig ist, distanzierte sich von der Haltung des polnischen Staates in dieser Frage. Die Kirche stehe der Aufnahme von Flüchtlingen keineswegs so ablehnend gegenüber, wie der Staat. Bereits 2015 habe die Bischofskonferenz die Aufnahme von Flüchtlingen befürwortet, allerdings sei hierfür der Staat zuständig. Er gab zu bedenken, dass die meisten Flüchtlinge gar nicht nach Polen wollten, sondern weiter nach West- und Nordeuropa.

Sehr kritisch äußerte sich András Máté-Tóth, Professor für Religionswissenschaft an der Universität Szeged, über die aktuelle ungarische Politik. Die jetzige Regierung unter Viktor Orbán betreibe eine Politik des Hasses gegen Muslime, Einwanderer, George Soros, die Zivilgesellschaft und unabhängige Journalisten. Er hoffe, die nächsten Wahlen am 18. April 2018 würden neue Mehrheitsverhältnisse im Parlament schaffen und eine Korrektur des politischen Kurses ermöglichen.

Die Phänomene Nationalismus und Populismus analysierte der Publizist und Autor Reinhold Vetter und schrieb dabei der Geschichtspolitik eine wichtige Rolle zu. Ebenso zeige „ein Blick nach Ungarn, dass Panikmache, Fremdenfeindlichkeit und eben auch Antisemitismus zum Repertoire nationalistischer und populistischer Politiker gehört“. Er stellte „Anzeichen für neue Gräben vor allem zwischen Ost- und West“ fest. Die „Konfliktfelder sind vor allem unterschiedliche Auffassungen von Staat und Recht, um multikulturelle oder homogene Modelle von Volk und Nation, um unterschiedliche Auffassungen von Moral und Lebensformen, um den Zugang zur Geschichte. Politische Sprengkraft haben insbesondere der Streit über die Flüchtlings- und Asylpolitik sowie der Streit um die Rechtsstaatlichkeit.“ Dabei vermisste Vetter eine ehrliche Debatte über die tatsächlichen Probleme der EU.

Wesentlich positiver hatte sich am ersten Tag der Südosteuropa-Historiker Konrad Clewing geäußert. Er sprach zwar von einer „mehrschichtigen Integrationskrise“ im heutigen Europa, verwies aber auch auf den doppelten Erfolg der EU als „Friedensprojekt“ und ein Instrument, das „Wohlstand für viele“ bringe. Auch Prof. Ingeborg Gabriel von der Universität Wien gab sich hoffnungsvoll, als sie über sozialethische Herausforderungen der Kirchen angesichts der europäischen Krise sprach.

Die Konferenz wurde von Pro Oriente, Renovabis und dem Institut G2W organisiert und fand vom 14. bis 16. März in der Diplomatischen Akademie Wien statt.

Natalija Zenger, Redakteurin NÖK.

Foto: Thomas Hartl.