Osteuropa: Kirchliche Reaktionen auf Corona-Epidemie
Rumänien
Der Pressedienst des Patriarchats der Rumänischen Orthodoxen Kirche hat in Zusammenhang mit der Verbreitung des Covid-19-Coronavirus zur strikten Einhaltung aller vom Gesundheitsministerium geforderten Maßnahmen aufgerufen. Die Pressemeldung vom 27. Februar gibt auch Empfehlungen in liturgischer und spiritueller Hinsicht: Menschen mit grippeähnlichen Symptomen sollen gut besuchte Orte einschließlich Kirchen meiden, um andere nicht der Ansteckungsgefahr auszusetzen. Sie werden auf die im Radio und TV ausgestrahlten Liturgien verwiesen. Menschen, die sich vor einer Ansteckung fürchten, können den Priester ausnahmsweise bitten, die Kommunion auf einem selbst mitgebrachten Löffel mit ihnen zu teilen. Man dürfe es vorübergehend auch vermeiden, die Ikonen in der Kirche zu küssen und stattdessen nur die eigenen Ikonen zuhause küssen. Die Kirche fordert auf zu Solidarität und Verantwortungsbewusstsein, aber vor allem zum Gebet um Gottes „Schutz und Segen, denn in erster und letzter Instanz ist er der Doktor unserer Seelen, unseres Körpers und unserer Gesundheit. Leben und Erlösung sind seine Gaben“.
Die Pressemeldung sorgte offenbar unter Geistlichen und Gläubigen für Verwirrung. Deshalb ließ Patriarch Daniel am nächsten Tag einen Hirtenbrief folgen, in dem er darauf hinwies, dass das Patriarchat mit der Meldung einer Aufforderung der Staatsbehörden nachgekommen sei und vor allem diejenigen angesprochen habe, „die im Glauben schwach“ sind (Röm 14,1). Das habe Befürchtungen geweckt, dass die vorübergehende Maßnahme als neue liturgische Regel für alle angewandt werde. Um weitere Polarisierung und Polemik zu vermeiden, wolle er „den orthodoxen Glauben entschieden bekräftigen, dass die heilige Eucharistie keine Quelle von Krankheit und Tod ist und niemals sein kann, sondern eine Quelle für neues Leben in Christus, für Vergebung der Sünden, für die Heilung von Körper und Seele. [...] Deshalb bleibt die Regel der Verteilung der heiligen Kommunion an den Klerus und die Gläubigen aus demselben Kelch unverändert, und die Priester werden allen Gläubigen erklären, dass diese Weise der Teilung der Eucharistie für niemanden je eine Gefahr darstellte und auch für sie keine ist.“ Wer immer noch Angst davor habe, solle seinen geistlichen Vater um Stärkung des Glaubens und Wachstum in der kirchlichen Gemeinschaft bitten. Was das Küssen von Ikonen betreffe, „haben Gläubige mit einem starken und lebendigen Glauben keine Angst vor Krankheit, sondern werden erquickt durch das Gebet und den Segen der Heiligen, die auf den Ikonen dargestellt sind“. Orthodoxe Gläubige, die Ikonen küssen und aus dem heiligen Kelch trinken, sollen dies aus freier Entscheidung tun, und nicht, weil sie dazu gezwungen würden.
Russland
Vertreter der Russischen Orthodoxen Kirche erklärten (ROK), dass in Russland aufgrund der Corona-Epidemie bisher keine Veränderungen an der gottesdienstlichen und Gebetspraxis vorgesehen seien. Gemäß Vladimir Legojda, dem Leiter der Abteilung für Beziehungen der Kirche zur Gesellschaft und den Medien, sollen alle den medizinischen Empfehlungen folgen und sich frühzeitig beim Arzt melden. Priester Maksim Koslov unterstrich den kirchlichen Glauben, dass bei der Kommunion kein Virus übertragen werden könne, durch die Präsenz eines kranken Menschen allerdings schon. Wer sich krank fühle, solle an die Konsequenzen für andere Menschen denken. Was die Geistlichkeit betreffe, so müsse sie unter allen Umständen vor dem Altar dienen.
Polen
Die Polnische Bischofskonferenz ermutigt alle Geistlichen und Gläubigen zur Vorsicht. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Stanisław Gądecki von Poznań, erinnerte daran, dass die geistliche Gemeinschaft ein Akt des Gebets sei, dessen Ziel die Vereinigung mit Jesus sei, die man aber auch außerhalb des Sakramentes seines Leibes und Blutes empfangen könne. Sie bestehe aus drei Elementen: dem Glauben an die reale Gegenwart Christi in der Eucharistie, der Liebe zu ihm und dem Wunsch, Jesus im eigenen Leben geistig zu empfangen. Wer Angst vor einer Ansteckung habe, solle auf das Wasser in den Weihwasserbecken verzichten. Ansonsten sei bei jeder Bedrohung des Lebens der menschlichen Gemeinschaft immer die Kraft des inbrünstigen Gebets und die Wirksamkeit der Sakramente angerufen worden, was er auch in diesem Fall tue.
Estland
Die Kirchen in Estland stocken aufgrund der Coronavirus-Epidemie ihren Vorrat an Gesichtsmasken und Desinfektionsmitteln auf und raten den Menschen, das Händeschütteln zu unterlassen, insbesondere beim Friedensgruß. Die lutherischen Gemeinden wurden angewiesen, das Trinken aus dem Kelch durch das Tunken des Brots im Kelch zu ersetzen.
Die beiden orthodoxen Kirchen Estlands warnen vor Panik und rufen die Gläubigen dazu auf, an der Kommunion teilzunehmen, raten aber Erkrankten zuhause zu bleiben. Erzpriester Mattias Palli von der Estnischen Apostolischen Orthodoxen Kirche kündigte an, dass die Oberflächen in der Kirche, die geküsst werden, häufiger desinfiziert werden.
Regula Zwahlen