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Georgien: Kirche fordert Verbot von „LGBT-Propaganda“

14. Juli 2023

Die Georgische Orthodoxe Kirche (GOK) hat sich gegen die Durchführung der Pride Woche ausgesprochen, auch wenn die diesjährigen Veranstaltungen nicht im öffentlichen Raum stattfanden. Einen Tag vor der jährlichen Pride Woche in Georgien veröffentlichte die GOK am 1. Juli eine Erklärung auf Facebook, in der sie dazu aufrief, die „Regulierung des Problems [von queerer ‚Propaganda‘] mittels der Gesetzgebung“ in der Öffentlichkeit zu diskutieren.

In dem Statement heißt es, die „Versuche, einen pervertierten Lebensstil in unserem Land einzuführen“, dauerten an, wofür die Pride Woche ein Beleg sei. Aufgrund ihrer Ziele habe diese „unweigerlich negative Auswirkungen“, auch wenn die Veranstaltungen hinter geschlossenen Türen stattfänden. „LGBT-Propaganda“ sei unzulässig und inakzeptabel, vor allem in einem Land mit „tief verwurzelten christlichen Werten und einem jahrhundertealten Kulturerbe“. Eine Mehrheit der georgischen Bevölkerung sei gegen die Pride und deren „wiederholten Proteste“ zu ignorieren, bedeute, die „zentralen Werte der Nation“ zu missachten, und sei ein „klarer Versuch, moralischen Schaden anzurichten“. Neben der „Propaganda von Sünde“ seien „solche Aktivitäten“ auch eine Ursache von Unruhen und Spannungen, was an der zunehmenden Polarisierung der Gesellschaft bei LGBT-Veranstaltungen sichtbar sei.

In den letzten Monaten hat auch die homophobe Rhetorik in der Regierungspartei Georgischer Traum zugenommen, dazu gehören auch Warnungen vor „queerer Propaganda“. Mamuka Mdinaradze, der Vorsitzende der Parlamentsfraktion des Georgischen Traums, hatte zwar am 3. Mai erklärt, dass die Regierung kein Gesetz zu „queerer Propaganda“ verabschieden werde. Premierminister Irakli Gharigaschwili hingegen widersprach dem am 30. Juni in einer Parlamentssitzung. Er erklärte, „LGBT-Propaganda“ in Kindergärten und Schulen sei für ihn „inakzeptabel“. Das sollte in Georgien ein „Tabuthema“ sein. Eine gesetzliche Regulierung sei möglich, aber dazu seien Debatten und ein genereller Konsens nötig. Bei anderer Gelegenheit erklärte er, junge Menschen müssten „von Anfang an die richtige Orientierung“ haben, dabei spiele der Staat nach der Familie eine „sehr wichtige Rolle“.

Der Parteivorsitzende von Georgischer Traum, Irakli Kobakhidze, attestierte dem Gesetz über ausländische Agenten, das er entschieden unterstützt hatte, das aber zurückgezogen wurde, einen „wichtigen“ Effekt. Dank der Debatte seien Organisationen identifiziert worden, die in „Nichtregierungsaktivitäten“ verwickelt seien, dabei erwähnte er „queere Propaganda“. Über protestierende Studierende sagte er außerdem, ihre „Orientierung ist in jedem Sinn durcheinander“. Sie sollten auf die „richtige Bahn gebracht werden“, die „Jungen sollten Frauen finden, die Mädchen sollten heiraten, sich fortpflanzen“.

Mariam Kvaratskhelia, die Co-Direktorin der Tbilisi Pride, glaubt allerdings nicht, dass sich die zunehmenden homophoben Äußerungen nur gegen die Pride Woche richten, sondern sieht sie als Teil einer breiteren Wahlstrategie. Damit wolle der Georgische Traum bei den Wahlen im Oktober 2024 die Stimmen radikaler Konservativer gewinnen, vermutet sie. Zudem soll damit von echten, schwer lösbaren Problemen wie Armut, Arbeitslosigkeit, mangelnder Rechtsstaatlichkeit und der wachsenden Abhängigkeit von Russland abgelenkt werden.

Ein Festival, das im Rahmen der Pride Woche am 8. Juli hätte stattfinden sollen, musste abgesagt werden, weil die Polizei das Festivalgelände nicht beschützte. Trotz öffentlicher Statements, dass die Sicherheit der Veranstaltung gewährleistet werde, hielten die Einsatzkräfte vor Ort mehrere Tausend rechtsextreme Protestierende nicht davon ab, das Festivalgelände wenige Stunden vor dessen Beginn zu betreten. Während die Demonstranten Installationen zerstörten und plünderten, blieb die Polizei untätig. Die Organisatoren der Pride Woche warfen der Regierung Komplizenschaft bei dem Angriff auf das Festival vor. Der Parlamentssprecher hingegen lobte die Polizei, sie habe ihre Arbeit beim Schutz der Menschen getan, da niemand verletzt worden sei. Staatspräsidentin Salome Zurabischwili beklagte, dass das verfassungsmäßige Recht der Pride-Teilnehmenden auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit verletzt worden sei.

Spekulationen, dass die Regierung keine Absicht gehabt hatte, das Festival zu schützen, wurden dadurch genährt, dass die Polizei den Demonstrierenden keinen physischen Widerstand leitete. Dies, obwohl die rechtsextreme Gruppierung Alt Info ihre Pläne im Voraus angekündigt, sich wie angekündigt versammelt hatte und dann ungehindert vier Kilometer bis zum Festivalgelände marschiert war. 2022 hatte die Polizei ohne Schwierigkeiten eine ähnlich große Protestgruppe davon abgehalten, das damalige Festival zu erreichen. Zudem ist die georgische Polizei in den letzten Jahren in voller Kampfmontur mit Tränengas, Wasserwerfern und Schreckschusspistolen wenig zimperlich gegen regierungskritische Kundgebungen vorgegangen.

In ihrem Statement betonte die GOK, dass sie nie zu Gewalt aufrufe, sondern sich bemühe, den Frieden in der Bevölkerung zu bewahren. Allerdings werden immer wieder Priester an gewalttätigen Demonstrationen gesehen. Bei Kundgebungen gegen LGBTQI+-Anliegen kommt es in Georgien immer wieder zu Ausschreitungen. So griffen am Internationalen Tag gegen Homophobie, am 17. Mai 2013 Tausende Gegendemonstranten eine kleine Gruppe queerer Aktivist:innen an, angeführt wurden sie von orthodoxen Priestern. (NÖK)