Russland: Erzpriester Vsevolod Tschaplin plötzlich verstorben
Der prominente russisch-orthodoxe Erzpriester Vsevolod Tschaplin ist am 26. Januar unerwartet im 52. Lebensjahr an den Folgen eines Herzinfarkts verstorben. Tschaplin war von 2001 bis 2009 stellv. Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats, das in diesen Jahren vom künftigen Patriarchen, Metropolit Kirill (Gundjaev), geleitet wurde. Von 2009 bis zu seiner überraschenden Entlassung im Jahr 2015 wirkte er als Vorsitzender der Synodalabteilung für die Beziehungen zwischen Kirche und Gesellschaft. Als Grund für die Entfernung Tschaplins von diesem Amt galten seine zahlreichen radikalen, polarisierenden öffentlichen Aussagen und seine zunehmende Kritik an Patriarch Kirill. Seit dem Februar 2016 war Erzpriester Vsevolod Tschaplin Vorsteher der Moskauer Kirche des Hl. Theodor Studites.
In der Kirche des Hl. Theodor Studites fand am 29. Januar unter der Leitung von Protopresbyter Vladimir Divakov, dem Sekretär des Moskauer Patriarchen, auch die Totenliturgie statt. Mit ihm konzelebrierten vier Priester und ein Archimandrit, anwesend waren zudem Erzbischof Elisej (Ganaba) von Den Haag und den Niederlanden, Vladimir Legojda, Tschaplins Nachfolger als Leiter der Synodalabteilung für die Beziehungen der Kirche zur Gesellschaft und den Massenmedien, Igumena Ksenija (Tschernega), die Leiterin der Rechtsabteilung des Moskauer Patriarchats, der Vorsitzende des Bundes orthodoxer Bürger sowie weitere Kirchendiener, Verwandte und Freunde. Vsevolod Tschaplin wurde auf dem Troekurovskoe-Friedhof in Moskau beigesetzt.
Der Aussage, dass Patriarch Kirill anderen Erzbischöfen verboten habe, an der Abdankung teilzunehmen, wurde im Patriarchat widersprochen. Sie stammte von Sergej Tschapnin, dem gleichzeitig mit Tschaplin Ende 2015 entlassenen ehemaligen Chefredakteur des Journals des Moskauer Patriarchats, der Patriarch Kirill in einem Facebook-Beitrag scharf dafür kritisiert hatte, dass er seinem langjährigen engsten Mitarbeiter nicht einmal das letzte Geleit gewährte. Dies zeige, dass Patriarch Kirill ein herzloser, nachtragender, religiöser Mensch, aber kein Christ sei.
Vsevolod Tschaplin wurde am 31. März 1968 in Moskau geboren; er absolvierte seine Ausbildung am Moskauer Geistlichen Seminar und an der Moskauer Theologischen Akademie, die er 1994 mit einer Doktorarbeit über „Das Problem des Verhältnisses zwischen der natürlichen und von Gott offenbarten neutestamentarischen Ethik im modernen nicht orthodoxen und nicht christlichen Denken“ abschloss. Ab 1985 war er in der Verlagsabteilung des Moskauer Patriarchats tätig, ab 1990 im Außenamt des Moskauer Patriarchats, dessen stellvertretender Leiter er von 2001 bis 2009 war, als das Amt vom künftigen Patriarchen, Metropolit Kirill (Gundjaev) geleitet wurde. 1991 wurde er zum Diakon, 1992 zum Presbyter und 1999 zum Priester geweiht. Ab 2009 war er bis 2015 Vorsitzender der Synodalabteilung für die Beziehungen zwischen Kirche und Gesellschaft, bis 2015 stellvertretender Vorsitzender der Weltweiten Russischen Volksversammlung und von 2011 bis 2015 Mitglied des Höchsten Kirchenrats der ROK. Tschaplin war von 1990 bis 2000 auch Mitglied der Zentralausschüsse des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) und der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK). Er war Vorsitzender des „Experten-Rates“ für wirtschaftliche und ethische Fragen beim Moskauer Patriarchen und gehörte der Synodalkommission für biblische und theologische Fragen an.
Regula Zwahlen