Russland: Neue außenpolitische Konzeption sieht Zusammenarbeit mit der Kirche vor
In Russland ist am 31. März 2023 eine neue Konzeption der Außenpolitik in Kraft getreten. Darin werden die Russische Orthodoxe Kirche (ROK) und andere traditionelle Religionsgemeinschaften des Landes erwähnt, zudem wird der Schutz traditioneller moralischer Werte in der Welt als Aufgabe Russlands dargestellt. Außerdem sollen die russische Sprache und Kultur weltweit geschützt sowie gegen „Russophobie“ gekämpft werden.
In Artikel 43.4 des 76 Artikel umfassenden Dokuments heißt es, die Russische Föderation wolle der „Förderung der Entwicklung internationaler Beziehungen religiöser Organisationen, die zu den traditionellen Konfessionen Russlands gehören, und dem Schutz der ROK vor Diskriminierung im Ausland, darunter bei den Interessen beim Schutz der Einheit der Orthodoxie,“ besondere Aufmerksamkeit schenken. Dies soll unter anderem der Stärkung der Rolle Russlands „im weltweiten humanitären Bereich“ dienen, zu einem positiven Image im Ausland beitragen, die Position der russischen Sprache in der Welt stärken und Russophobie-Kampagnen feindlicher Staaten entgegenwirken. Bei der Vorbereitung und Umsetzung von außenpolitischen Entscheidungen soll die Regierung neben verschiedenen Behörden, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Akteuren auch mit der ROK und „anderen Religionsorganisationen traditioneller Konfessionen“ zusammenarbeiten, wird in Art. 75 festgehalten.
Damit sei die Orthodoxie zu einem Teil der russischen Außenpolitik geworden, sagte der Politologe und stellv, Direktor des Europa-Instituts der Russischen Akademie der Wissenschaften, Roman Lunkin, gegenüber der Nezavisimaja Gazeta. Noch in der letzten Version des Dokuments von 2016 sei die ROK nicht erwähnt worden, Religion sei vor allem im Zusammenhang mit dem Kampf gegen den Extremismus vorgekommen. 2008 hingegen seien bereits eine Zusammenarbeit mit der ROK, die Rückkehr des „religiösen Faktors“ und der interreligiöse Dialog thematisiert worden. In der Version von 2000 sei keine Rede von der Kirche gewesen, sondern nur vom Kampf gegen religiöse Feindschaft.
Mehrfach finden im Dokument auch die „traditionellen spirituell-moralischen Werte“ Erwähnung, deren Schutz Russland seit Jahren im In- und Ausland propagiert. So zählt die Konzeption zu den russischen Interessen in der Außenpolitik die „Stärkung traditioneller russischer spirituell-moralischer Werte und die Bewahrung des kulturellen und historischen Erbes des multiethischen Volks“ Russlands (Art. 15.8). Diese Werte werden auch als Grundlage für die Kontakte mit verschiedenen Weltregionen sowie als Gemeinsamkeit mit diesen genannt. Das ist auch im Abschnitt zur „muslimischen Welt“ der Fall. In Fragen der Sicherheit, Stabilität und Lösung wirtschaftlicher Probleme werden die „Staaten der befreundeten muslimischen Zivilisation“ zu immer gefragteren und verlässlicheren Partnern Russlands, heißt es in Art. 56. Angesichts einer multipolaren Welt eröffneten sich dieser „breite Perspektiven“, um zu einem „eigenständigen Zentrum der globalen Entwicklung“ zu werden.
Im einführenden Art. 6 heißt es über die russische Außenpolitik allgemein, sie habe einen „friedlichen, offenen, vorhersagbaren, konsequenten und pragmatischen Charakter“, der auf der Achtung der allgemein anerkannten Prinzipien und Normen des internationalen Rechts beruhe. Sie strebe eine „gleichberechtigte internationale Zusammenarbeit zur Lösung gemeinsamer Aufgaben und Förderung gemeinsamer Interessen“ an. (NÖK)