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Russland: Patriarch und Präsident loben sich gegenseitig

14. Dezember 2023

Der russische Patriarch Kirill und Präsident Vladimir Putin haben an der Plenarsitzung des Allrussischen Volkskonzils die Zusammenarbeit zwischen der Russischen Orthodoxen Kirche (ROK) und dem russischen Staat gelobt. Das 25. Treffen des Volkskonzils fand am 27. und 28. November 2023 im Kremlpalast in Moskau statt. Unter den Anwesenden waren zahlreiche Vertreter:innen der Politik sowie aus Wirtschaft, Kultur und Religionsgemeinschaften. Geleitet wird das Volkskonzil von Patriarch Kirill.

Präsident Putin, der per Video zugeschaltet war, hielt in seiner Rede eine Schweigeminute für die gefallenen Russen im Angriffskrieg gegen die Ukraine. Danach bezeichnete er den Krieg als „Kampf für Souveränität und Gerechtigkeit“ sowie als „nationale Befreiung“, bei dem es um das „historische Recht, Russland zu sein“ gehe – ein „starker, unabhängiger Staat, eine Zivilisation“. Beim Kampf gehe es nicht nur um Russlands Freiheit, sondern die Freiheit der ganzen Welt. Beim Aufbau einer „gerechteren Weltordnung“ stehe Russland an vorderster Front. Ohne souveränes und starkes Russland sei keine „beständige und stabile Weltordnung“ möglich.

Dem Westen warf Putin vor, dass „Russophobie und andere Formen des Rassismus und Neonazismus“ schon fast zur „offiziellen Ideologie“ seiner Eliten geworden seien. Diese richte sich nicht nur gegen ethnische Russen, sondern gegen alle Völker Russlands. Die „Vielfalt und Einheit der Kulturen, Traditionen, Sprachen und Ethnien“ passe nicht in die „Logik der westlichen Rassisten und Kolonisatoren“. Deren Ziel sei es, Russland aufzuteilen und zu plündern. Er betonte, dass Russland jede „äußere Einmischung oder Provokation, um ethnische oder religiöse Konflikte auszulösen, als aggressive Akte gegen unseren Staat beurteilt, als Versuche, erneut Terrorismus und Extremismus als Waffe gegen uns einzusetzen,“ und Russland werde entsprechen reagieren.

Der Präsident wandte sich zudem an die anwesenden Unternehmer, um ihnen dafür zu danken, dass sie gemeinsam mit dem Staat die „beispiellose wirtschaftliche Aggression des Westens vereitelt haben“. Der „Sanktions-Blitzkrieg“ des Westens sei gescheitert. Laut Putin erarbeitet Russland neue Instrumente zur Wirtschaftsförderung, daher rief er die Unternehmer auf, in Russland zu investieren. Neben der Wirtschaft thematisierte Putin auch die demografischen Probleme Russlands und betonte den Wert der Familie. Er forderte die Bewahrung und Wiederbelebung der „wunderbaren Traditionen“ der kinderreichen Familien, die überall in Russland zur Norm werden sollten.

Vor allem in Bezug auf Familie und Bildung betonte Putin die Leistungen der ROK. Zwar seien Kirche und Staat in Russland getrennt, aber die Kirche „kann nicht von der Gesellschaft oder dem Volk getrennt werden“. Daher betonte er, wie wichtig es sei, dass sich „Vertreter aller traditionellen russischen Religionen“ an der Bildung und Erziehung der Jugend sowie der „Konsolidierung der spirituellen, moralischen und Familienwerte“ beteiligten. Ganz besonders bedankte er sich bei Patriarch Kirill für dessen „unermüdliche Arbeit“ für die „spirituelle Wiedergeburt Russlands“. Unter seiner Leitung leisteten die ROK, die Geistlichen und Laien viel in sozialen, wohltätigen und Freiwilligenprojekten. Zudem rühmte er die Unterstützung der ROK für die Soldaten und ihre Familien. Abschließend gratulierte er Patriarch Kirill zur Verleihung der Präsidentenauszeichnung 2023 für den Beitrag zur Stärkung der Einheit der russischen Nation.

Patriarch Kirill sprach der russischen Regierung und insbesondere Präsident Putin besonderen Dank „für die unverändert große Aufmerksamkeit für die spirituelle Komponente des Lebens des Volks und das Verständnis der besonderen historischen Rolle der orthodoxen Tradition bei der Entstehung und Entwicklung der russischen Kultur und russischen Staatlichkeit“ aus. Er erklärte zum wiederholten Mal, dass „wir tatsächlich in einer sehr günstigen Zeit leben“. Es sei eine seltene und einzigartige Chance, dass die ROK und andere Religionsgemeinschaften „konstruktive und wohlwollende Beziehungen“ zur Staatsmacht aufbauen könnten. In der Geschichte Russlands passiere das zum ersten Mal.

Wichtige Themen in Kirills Rede waren zudem die Wichtigkeit von Traditionen und als Teil davon die Familie. Dabei schilderte er auch seine Bemühungen im Kampf gegen Abtreibungen. In diesem Zusammenhang dankte er Präsident Putin dafür, das Jahr 2024 zum Jahr der Familie erklärt zu haben, und hoffte, die „staatliche Unterstützung für die Institution der traditionellen Familie“ werde sich auch auf die folgenden Jahre erstrecken. Zudem ging er auf die Immigration ein, die er als „ernste äußere Herausforderung für unsere Kulturtradition“ bezeichnete. Der Patriarch befürchtete eine „Deformation des einigen orthodoxen, kulturellen und sprachlichen Raums“ des Landes.

Ausführlich ging Kirill auf das Konzept der Russischen Welt ein. Diese dürfe nicht ethnisch verstanden werden, sie „schließt auch alle Völker ein, die anderen Religionen angehören, aber die gleichen Werte des Gesellschaftslebens mit dem russischen Volk teilen“. Russland habe über Jahrhunderte ein System der Koexistenz verschiedener Kulturen und Religionen mit gemeinsamen Werten geschaffen, die dabei ihre religiöse Eigenständigkeit bewahrten. Er empörte sich, dass die Russische Welt kritisiert werde, im Gegensatz zu anderen kulturellen und regionalen Sphären wie der Pax Romana. Insbesondere zielte er auf die USA und ihren Anspruch, der „Weltpolizist“ zu sein.

Russland pries der Patriarch als Ort der Toleranz und Vielfalt: Die „natürliche Güte des russischen Menschen, Toleranz und die Fähigkeit, sich ruhig mit anderen Völkern zu vertragen, ohne die eigenen Überzeugungen aufzuzwingen, bildeten das einzigartige Modell des staatlichen und gesellschaftlichen Aufbaus auf der Grundlage der Vielfalt der Ethnien und Kulturen sowie des gegenseitigen Respekts der Vertreter verschiedener religiöser Traditionen.“ Das große moralische Verantwortungsgefühl des russischen Volks habe das Bewusstsein geschaffen, dass das Schicksal Russlands untrennbar vom Schicksal der ganzen Welt sei. Daher rühre das Streben, Harmonie zu schaffen und soweit möglich auch Konflikte im Ausland zu schlichten.

Das Allrussische Volkskonzil wurde 1993 von der Russischen Orthodoxen Kirche ins Leben gerufen, um alle Russen ungeachtet ihres Aufenthaltsstaates und ihrer politischen Anschauungen zu vereinen. An ihm nehmen Vertreter aus Politik, Militär, Gesellschaft, Wissenschaft und Kultur sowie Geistliche verschiedener Religionsgemeinschaften teil. (NÖK)