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Russland: Scharfe Kritik des Moskauer Patriarchats an Fiducia supplicans

04. April 2024

Die synodale biblisch-theologische Kommission der Russischen Orthodoxen Kirche (ROK) hat die Erklärung Fiducia supplicans des vatikanischen Dikasteriums für die Glauebnslehre grundsätzlich negativ beurteilt. Im Auftrag des russischen Patriarchen verfasste sie eine Stellungnahme mit dem Titel „Über das orthodoxe Verhältnis zur neuen Praxis der Segnung von ‚Paaren in unregulierten Situationen und gleichgeschlechtlichen Paaren‘ der römisch-katholischen Kirche“, die Ende März veröffentlicht wurde. Auch wenn die Deklaration ein internes Dokument der römisch-katholischen Kirche sei, fühle sich die ROK verpflichtet, auf „so radikale Neuerungen, die die von Gott offenbarten Normen der christlichen Moral verwerfen“, zu reagieren.

Einleitend schreibt die synodale biblisch-theologische Kommission, dass die Deklaration eine „erhebliche Abweichung von der christlichen Morallehre darstellt und eine theologische Analyse braucht“. Zunächst kritisiert sie, dass an die Gesegneten keine „moralischen Anforderungen“ gestellt würden, um „die Liebe Gottes nicht zu überschatten“. Diese Liebe könne aber nicht als Grundlage für die Segnung von Paaren in einer sündigen Gemeinschaft dienen, denn die Liebe Gottes rufe den Menschen dazu auf, sich von der Sünde loszusagen, die sein Leben zerstört. Deshalb müsse auch die Seelsorge einen „klaren Hinweis auf die Unzulässigkeit des sündigen Lebenswandels mit der Liebe, die zur Reue führt“, verbinden.

Die Kommission befürchtet, dass die Segnung indirekt das legitimiere, „was im Kern nicht legitim ist“. Fiducia supplicans impliziere, dass „ein sündiger Lebenswandel kein Hindernis für die Gemeinschaft mit Gott“ sei. Das Sakrament der Buße als „unabdingbare Quelle für die göttliche Gnade für alle, die in ihrem Leben alles korrigieren möchten, das mit dem göttlichen Willen unvereinbar ist“, werde völlig ausgelassen. Es sei wahrscheinlich, wenn ein Paar, das ohne den Wunsch, sich von seinem sündigen Lebenswandel loszusagen, um den Segen bitte, damit seine Beziehung legitimieren möchte, um sein Gewissen zu beruhigen.

Grundsätzlich ist die Kommission mit dem Eheverständnis der römisch-katholischen Kirche, wie es im katholischen Dokument formuliert ist, einverstanden. Mit der Ausweitung des Segens auf gleichgeschlechtliche Paare ist die Kommission jedoch nicht einverstanden: „Wenn der Segen dazu dienen soll, menschliche Beziehungen mit der Gegenwart des Heiligen Geistes zu heilen, dann kann im gegebenen Fall eine solche Heilung nur im Abbruch der sündigen Beziehungen bestehen. Um ‚in Treue zur evangelischen Botschaft zu reifen und wachsen‘, muss ein solches Paar die Beziehung aufgeben, die nicht in Einklang mit dieser Botschaft steht. Ansonsten wird der Segen zu einer Rechtfertigung der Sünde.“ Zudem werde zu wenig betont, dass der Sünder eine moralische Entscheidung für seine Situation getroffen habe.

In Fiducia supplicans würden gleichgeschlechtliche Beziehungen nicht als sündhaft definiert, bemängelt die Kommission weiter. Anders ist das in der Sozialkonzeption der ROK, in der „Homosexualität direkt und unzweideutig ‚sündige Verletzung der menschlichen Natur genannt wird, die mit spirituellen Bemühungen überwunden wird, was zur Heilung und zum persönlichen Wachstum des Menschen führt‘“. Insgesamt seien die Empfehlungen in Fiducia supplicans ein „Versuch, von der Anerkennung von ‚gleichgeschlechtlichem Zusammenleben‘ als sündig wegzukommen, Hinweise auf die Notwendigkeit, sich von einem sündigen Lebensstil loszusagen, zu vermeiden, und stattdessen eine Illusion zu schaffen, dass auch die bewusste Wahl eines sündigen Lebenswandels ein Paar nicht um den göttlichen Segen bringt“.

Mit Blick auf ihre abschließenden Einschätzungen weist die Kommission darauf hin, dass es auch innerhalb der römisch-katholischen Kirche negative Reaktionen auf das Dokument gegeben hat. Sie wirft dem Dokument vor, formal die Treue zum christlichen Verständnis des Ehesakraments und zur Praxis des Segnens zu verkünden, faktisch aber eine scharfe Abkehr von dieser Treue zu postulieren. Aus theologischer Sicht besonders gefährlich kritisiert sie das „einseitige und ungenügende Verständnis der Liebe Gottes zum Menschen“. Zudem könne Fiducia supplicans als „Schritt auf dem Weg zur vollständigen Anerkennung ‚gleichgeschlechtlicher Verbindungen‘ als Norm durch die römisch-katholische Kirche wahrgenommen werden, was schon in einer ganzen Reihe protestantischer Gemeinden passiert ist“, heißt es in der Stellungnahme weiter.

Die Kommission anerkennt, dass alle Gläubigen Seelsorge brauchen. Diese sollte aber nicht auf eine „Legitimierung des sündigen Lebenswandels“ zielen, sondern „auf das Seelenheil des Leidenden“. Zum Umgang mit homosexuellen Gläubigen verweist die Kommission erneut auf die Sozialkonzeption der ROK, gemäß der Homosexualität wie auch „andere Leidenschaften, die einen gefallenen Menschen quälen“, mit Sakramenten, Gebeten, Fasten, Buße, dem Lesen der Bibel und Gesprächen mit Gläubigen geheilt werde. Die Kirche könne „in keiner Form“ gleichgeschlechtliche Paare segnen, weil das „eine faktische Zustimmung der Kirche zu einer sündigen Verbindung bedeuten würde“. (NÖK)