USA: Russische Auslandskirche beklagt ideologische Entwicklung in Russland
Der Hl. Synod der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland hat sich in einem Statement besorgt über den „extrem gefährlichen Weg“ gezeigt, den einige Teile des russischen Staats und der russischen Gesellschaft eingeschlagen hätten. Er erhebe seine Stimme aus „bitterer Notwendigkeit“, denn diese Kreise würden nicht „christliche Reue und Reinigung“ verkünden, sondern die „Rückkehr zu einer falschen, Gott entgegenstehenden Ideologie, die im letzten Jahrhundert herrschte“. Sollte sich diese Entwicklung fortsetzen, befürchtet der Hl. Synod, dass das moderne Russland als „dunkler Fleck unter den Nationen“ betrachtet werden könnte, statt als „leuchtendes Beispiel der orthodoxen Wahrheit“, was seine Berufung sei.
In dem Statement, das ein beträchtliches mediales Echo ausgelöst hat, gilt eine große Sorge der „Tendenz, die Verbrechen des atheistischen Regimes des 20. Jahrhunderts weißzuwaschen“. Dies sieht der Hl. Synod vor allem in der Revision des russischen „Konzepts der Staatspolitik des Gedenkens der Opfer von politischen Repressionen“, das ein Rückschritt sei und eine Tendenz zur Verschleierung zeige. Besonders sichtbar sei diese „Mentalität“ in der kürzlichen Errichtung von Statuen von Josef Stalin und Felix Dserschinski in Moskau sowie in der Ankündigung, das Lenin-Mausoleum auf dem Roten Platz zu restaurieren. Zudem würden Rehabilitationen von Personen, die zu kommunistischer Zeit unrechtmäßig verurteilt worden sind, widerrufen. Dabei würden keine neuen Beweise vorgelegt oder kritische Untersuchungen durchgeführt, es würden lediglich Urteile aus der Stalin-Zeit bestätigt. Außerdem würden diese Fälle sofort als geheim eingestuft und nicht öffentlich gemacht, bemängelt der Hl. Synod. Weiter missfällt ihm jegliche Kritik am letzten Zaren Nikolaj II. Vor allem bedauert er, dass das Moskauer Patriarchat zu keiner klaren Position betreffen der Reliquien der Zarenfamilie gekommen ist, obwohl die zuständige kirchliche Kommission sie für authentisch hält.
Zum Schluss bot der Hl. Synod seine Hilfe und Gebet an, um diesen Tendenzen überall entgegenzutreten. Er rief alle auf, „ihre authentische Geschichte, sowohl außerhalb und innerhalb Russlands anzuerkennen“. Die Russische Orthodoxe Kirche im Ausland verstehe seit mehr als 100 Jahren ihre Mission, in der „Mitte dieser Welt, frei von Verbindungen zu einem Staat, einer Partei oder Weltideologie, zu stehen und furchtlos die Wahrheit der Orthodoxie zu verkünden“. Schließlich rief der Hl. Synod alle Orthodoxen auf, ebenfalls diesen „besorgniserregenden Impulsen“ zu widerstehen und die bereits begangenen Fehler zu korrigieren.
Die Erklärung löste wegen ihrer Kritik an Russland gemischte Reaktionen aus. In russischen und orthodoxen Kreisen, die Russlands Krieg gegen die Ukraine ablehnen, weckte das Statement die Hoffnung, dass die Auslandskirche endlich den Krieg verurteilen würde. So fand Sergei Chapnin, Kommunikationsdirektor am Orthodox Christian Studies Center der Fordham University, das Statement „klingt nicht schlecht“. Die Argumente seien verständlich und die Schlussfolgerung gut, schrieb er auf Telegram, die Auslandskirche sei doch kein hoffnungsloser Fall. Der orthodoxe kanadische Blogger Giacomo Sanfilippo hingegen warnte, die Russische Orthodoxe Kirche im Ausland habe in keiner Weise den Krieg gegen die Ukraine kritisiert. Der Hl. Synod beklage eine Re-Sowjetisierung Russlands, benenne aber Vladimir Putin und Patriarch Kirill nicht als die zentralen Akteure, die für Russlands „Rückfall in die dunkelsten, blutigsten, tragischsten Kapitel seiner Geschichte“ verantwortlich seien. Das Schweigen der Bischöfe über die gezielte Auslöschung des ukrainischen Volkes und Russlands „illegale und antikanonische Einmischung in das politische und kirchliche Leben anderer Nationen und autokephaler orthodoxer Kirchen“ enthülle die „unerschütterliche Treue“ der Bischöfe zu „Russlands imperialistischer geopolitischer Strategie“. Die Journalistin und Orthodoxie-Expertin Ksenia Luchenko kritisierte das Statement ebenfalls. Die Auslandskirche setze auf ihr liebstes Pferd, den Antikommunismus. Aber sie mache nicht darauf aufmerksam, wer „gerade jetzt getötet wird“, das sei ihr zu schwierig, sondern nur darauf, wer vor 100 Jahren umgebracht wurde. (NÖK)