Frankreich/Konstantinopel: Ökumenisches Patriarchat löst russisches Exarchat auf
Das Ökumenische Patriarchat hat entschieden, das „Erzbistum der orthodoxen Gemeinden russischer Tradition in Westeuropa“ aufzulösen. An ihrer letzten Sitzung Ende November erklärte die Hl. Synode, den Status des Exarchats mit Sitz in Paris auf Empfehlung von Patriarch Bartholomaios „reorganisieren“ zu wollen. Das Exarchat geht auf die Emigration orthodoxer Russen nach der Revolution 1917 zurück. 1931 hatten sich die russischen Gemeinden in Westeuropa unter der Leitung ihres Metropoliten dem Patriarchat von Konstantinopel unterstellt.
In ihrer ausführlichen, auf den 27. November datierten Stellungnahme begründete die Hl. Synode von Konstantinopel ihren Schritt mit den veränderten „pastoralen und spirituellen Bedürfnissen unserer Zeit“. Sie widerrief daher den Tomos von 1999, mit dem dem Erzbistum der Status eines Exarchats übertragen worden war. Die Entscheidung ziele darauf, die „Verbindung der Gemeinden russischer Tradition mit der Mutterkirche des Patriarchats von Konstantinopel zusätzlich zu stärken“. Aus „pastoraler Fürsorge“ habe das Patriarchat beschlossen, die Gemeinden den lokalen Metropolien des Ökumenischen Patriarchats einzugliedern. Die „Mutterkirche garantiert weiterhin den Erhalt ihrer liturgischen und spirituellen Tradition“, heißt es in dem Kommuniqué weiter.
In einer ersten Stellungnahme erklärte das Erzbistum, in keiner Weise um diesen Schritt gebeten zu haben. Erzbischof Jean (Renneteau) von Charioupolis sei vor der Entscheidung nicht konsultiert worden. In einem ausführlichen Kommuniqué erklärte das Erzbistum, die „unerwartete Entscheidung“ verlange „tiefgreifende Überlegungen innerhalb des Erzbistums“. „In der Treue zur ursprünglichen Identität des Erzbistums“ werde eine Beratung mit dem leitenden Erzbischof in den Gremien, die von den Statuten vorgesehen und vom Hl. Synod bestätigt seien, stattfinden. Für den 15. Dezember lädt Erzbischof Jean die Priester zu einer Pastoralversammlung ein, danach soll eine Generalversammlung, an der alle Kleriker und gewählten Laiendelegierten der Gemeinden teilnehmen, einberufen werden.
Aufgrund seiner „Verwurzelung in den Gesellschaften Westeuropas“ habe das Erzbistum teils deren Kultur übernommen, insbesondere eine Verbundenheit mit demokratischen Werten, darunter das Prinzip einer Diskussion vor jeder Entscheidung. Die Gemeinden, die das Exarchat zu verlassen wünschten, müssten sich an die kanonische Ordnung halten und die „Entlassung bei Erzbischof Jean erbitten“. Es wurde noch einmal betont, dass der Erzbischof weder die Abschaffung des Status des Pariser Exarchats noch seine eigene Abberufung verlangt habe. Daher bleibe er für die Gemeinden verantwortlich.
Das Moskauer Patriarchat hat die russischen Gemeinden in Westeuropa aufgerufen, sich seiner Jurisdiktion zu unterstellen. Erzpriester Nikolaj Balaschov, stellvertretender Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats, erinnerte daran, dass 2003 der damalige Patriarch Alexij II. die Bischöfe und Gemeinden russischer Tradition in Westeuropa aufgefordert hatte, sich der selbstverwalteten Metropolie der Russischen Orthodoxen Kirche anzuschließen. Nun sei es Zeit, diese „damals nicht von allen erhörte“ Aufforderung wieder zu bedenken. Er zeigte sich von der Auflösung des Exarchats nicht überrascht. Schließlich habe Konstantinopel auch die „Bischöfe, Geistlichen, Mönche und Laien der Ukrainischen Orthodoxen Kirche nicht gefragt“, ob sie die Autokephalie wollten. Bereits im Oktober hatte die Gemeinde der Geburt Christi und des Hl. Nikolaus in Florenz aufgrund der Entscheidungen des Ökumenischen Patriarchats in der ukrainischen Kirchenfrage das Pariser Exarchat verlassen und sich der russischen Auslandkirche (ROCOR) angeschlossen.
Zum Pariser Exarchat gehören über 120 Pfarrgemeinden, von denen mehr als 40 in Frankreich liegen. Die 112 Priester betreuen knapp 100‘000 Gläubige, die einen sehr unterschiedlichen nationalen Hintergrund haben. Neben den Nachfahren russischer Emigranten sind auch zahlreiche Konvertiten in den Gemeinden vertreten. So werden in der Liturgie neben dem Altkirchenslawischen zunehmend auch die modernen westeuropäischen Sprachen verwendet. (NÖK)