Ungarn: Altbischof kritisiert verbreitetes "Kulturchristentum"
Der emeritierte ungarische Bischof Miklós Beer beklagt ein verbreitetes „Kulturchristentum“ in seinem Heimatland. „Wir leben unser friedliches kulturchristliches Leben in der Welt der schönen Fresken unserer Kirchen und bemerken gar nicht, wie weit wir uns von Christus entfernt haben“, sagte der 77-jährige Altbischof von Vác in einem Interview des Nachrichtenportals 24.hu. Der Missionsauftrag der Kirche bedeute, Jesus unter die Menschen zu bringen, erklärte Beer. Europa werde nicht davon christlich, „dass noch mehr Basiliken renoviert werden, oder wenn noch mehr Politiker über den Schutz des Christentums sprechen“.
Im Alltag könne er oft kaum einen Unterschied zwischen Messbesuchern und Nicht-Gläubigen erkennen, beklagte der emeritierte Bischof in dem zum Erscheinen seines neuen Buches „Ich gehe zu Dir“ („Hozzád megyek“) geführten Interview. Christen müssten durch ihr Leben ein Zeichen für die Welt setzen. Er habe aber häufig das Gefühl, „als ob wir Jesu mit Prozessionen die Möglichkeit bieten wollen, die Welt zu bekehren, anstatt ihn glaubwürdig zu vertreten“.
Beer, der nach einer Zeit als Weihbischof in Budapest von 2003 bis 2019 als Diözesanbischof an der Spitze der Diözese Vác stand, erneuerte auch seinen langjährigen Ruf nach Reformen in der Kirche. Aus Angst davor, „das System würde zusammenbrechen“, traue man sich nicht über manche Fragen zu sprechen und halte an Regelungen fest, die Menschen auseinander brächten anstatt zusammen, meinte der Altbischof, der schon in der Vergangenheit u.a. für eine stärkere Einbindung von Laien in die Leitung von Kirchengemeinden und einen Fokus auf die sozialen Nöte der Menschen eingetreten ist.
Er „bange“ um die Kirche und wolle mit seiner Kritik zu Verbesserungen beitragen, sage Beer in dem Interview. Er stimme Papst Franziskus zu, der eine arme Kirche und eine „Kirche der Armen“ wolle, so der emeritierte Bischof. Der „raue Tonfall“ mancher innerhalb der Kirche gegenüber dem Papst sei bedauernswert und wohl „Unwissenheit oder Emotion“ zuzuschreiben. (Quelle: Katholische Presseagentur Kathpress, www.kathpress.at)