Kroatien: Vorerst keine Heiligsprechung von Stepinac
Papst Franziskus hat auf der Rückreise von Nordmakedonien zum Heiligsprechungsverfahren des kroatischen Kardinals Alojzije Stepinac (1898–1950) Stellung genommen. Auf die Frage eines Journalisten der kroatischen Tageszeitung Večernji list erklärte Franziskus, Stepinac sei ein „tugendhafter Mensch“ gewesen. Deshalb sei er von der katholischen Kirche seliggesprochen worden, und man könne zu ihm beten. Aber es gebe einige historische Unklarheiten.
Während des Heiligsprechungsverfahrens seien „nicht geklärte Punkte“ aufgetaucht und er, der die Heiligsprechung unterschreiben müsse, habe gemerkt, dass er „den serbischen Patriarchen Irinej um Hilfe bitten“ müsse. Er verwies auf die gemeinsame Dialogkommission der Serbischen Orthodoxen Kirche (SOK) und der römisch-katholischen Kirche. Diese hatte jedoch ihre Arbeit im Sommer 2017 ohne Einigung abgeschlossen. Jetzt würden „andere Punkte“ erforscht, sie würden tiefergehend untersucht. Im Vordergrund stehe sowohl für ihn als auch für Irinej die „Wahrheit“ und keine „Fehler zu machen“. Eine Heiligsprechung diene niemandem, wenn die Wahrheit nicht klar sei.
In Kroatien, wo die Gläubigen seit längerem auf eine baldige Heiligsprechung des Kardinals warten, haben Franziskus‘ Aussagen ein breites Echo ausgelöst. Erzbischof Želimir Puljić von Zadar, der Vorsitzende der Kroatischen Bischofskonferenz, gab sich gegenüber der kroatischen katholischen Informationsagentur (IKA) zuversichtlich. Er sei „sicher“, dass „nichts Umstrittenes gefunden wird, das seine (Stepinac) Heiligkeit in Frage stellt“. Das Verfahren sei eigentlich abgeschlossen, nur die päpstliche Unterschrift habe noch gefehlt, als Patriarch Irinej in einem Brief die geplante Heiligsprechung des in Serbien höchst umstrittenen Kardinals kritisiert habe, worauf der Papst die Dialogkommission eingesetzt habe. Eine solche Einmischung sei „ungewöhnlich“, so Puljić.
Gegenüber dem Kroatischen Katholischen Radio sprach der Vorsitzende der Bischofskonferenz gar von einem Präzedenzfall, dass in einem Heiligsprechungsverfahren der katholischen Kirche die SOK konsultiert werde. Puljić kritisierte Irinejs Einmischung als politisch motiviert. In dem Interview ging er auch auf den jüngsten Brief der Kroatischen Bischofskonferenz an Patriarch Irinej ein, in dem diese schwere Vorwürfe gegen das Oberhaupt der SOK erhoben hatte. Dieses Vorgehen „haben wir als korrekt und ehrlich betrachtet“. Die Bemühungen um Ökumene und gute Beziehungen, gerade zu den orthodoxen Kirchen, seien groß, aber eine Politisierung der Figur Stepinac lehne man ab.
Bei den kroatischen Medien stießen insbesondere Franziskus positive Äußerungen über Irinej auf Ablehnung, den er an der fliegenden Pressekonferenz als „großen Patriarchen“ bezeichnet hatte. Der kroatische Theologe und Publizist Anton Šuljić widersprach Franziskus‘ Einschätzung in der kroatischen Zeitung Jutarnji list entschieden. Diese Meinung teilen in kirchlichen Kreisen laut der Zeitung viele, sie sprechen von „ökumenischer Korrektheit“. Franziskus‘ Aussagen bestätigten die in Kroatien schon länger verbreitete Vermutung, dass die Heiligsprechung trotz abgeschlossenem Verfahren nicht so bald erfolgen wird.
In anderen Medien wird denn auch spekuliert, dass unter Franziskus vermutlich keine Heiligsprechung von Stepinac erfolgen werde. Dabei spiele eine Rolle, dass eine Heiligsprechung für die ganze katholische Kirche gilt. Angesichts der Bemühungen des Vatikans um gute Beziehungen zu den orthodoxen Kirchen sei „ein einzelner Heiliger unwichtig“.
Stepinac war von 1937 bis 1960 Erzbischof von Zagreb. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der kommunistischen Machtübernahme wurde er in einem Schauprozess zu 16 Jahren Haft verurteilt, weil er während des Zweiten Weltkriegs mit den kroatischen Faschisten kollaboriert haben soll. Nach sechs Jahren Haft musste er die restliche Zeit bis zu seinem Tod in Hausarrest verbringen. In Serbien gilt Stepinac bis heute aufgrund seiner umstritteneren Rolle im faschistischen Unabhängigen Staat Kroatien als Kriegsverbrecher. (NÖK)
Katrin Boeckh zur (un)umstrittenen Rolle von Kardinal Stepinac
Die Person Alojzije Kardinal Stepinac (1898–1960) sorgt immer wieder für serbisch-kroatische Kontroversen. Prof. Dr. Katrin Boeckh vom IOS Regensburg spricht über das Leben des Kardinals und die Hintergründe der Auseinandersetzungen um Stepinac.
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