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Belgien: Kritik an Stepinac-Konferenz in Brüssel

06. April 2023

Eine Konferenz zu Alojzije Stepinac, der während des Zweiten Weltkriegs Erzbischof von Zagreb war, hat bei offiziellen Stellen in Serbien kritische Reaktionen ausgelöst. Die Konferenz fand am 21. März in Räumen des Europäischen Parlaments in Brüssel unter dem Titel „Der selige Alojzije Stepinac – ein Zeugnis von Glauben, Beharrlichkeit und Hoffnung“ statt, organisiert wurde sie von der kroatischen Abgeordneten Željana Zovko. Unter den Rednern waren Kirchenhistoriker und Vertreter der römisch-katholischen Kirche.

Erzbischof Stepinac habe sich unter den Umständen des „dunkelsten Totalitarismus“ als „rechtschaffener Mann“ erwiesen, erklärte Zovko. Mit der Konferenz wolle sie zur Bewahrung der Figur des Erzbischofs beitragen und die „Wahrheit über sein Leben und Erbe“ fördern. Der Priester und Kirchenhistoriker Juraj Batelja, der auch Postulator des Selig- und Heiligsprechungsverfahrens für Stepinac ist, warf der „großserbischen und kommunistischen Propaganda“ vor, während Jahrzehnten Lügen und Halbwahrheiten über den Erzbischof verbreitetet und die römisch-katholische Kirche als faschistische und antisemitische Institution diskreditiert zu haben. Er betonte, dass Stepinac ab 1936 Juden, die aus Deutschland und Polen nach Zagreb kamen, unterstützt habe. An der Konferenz wurde auch die englische Übersetzung von Bateljas Buch „Der selige Alojzije Stepinac – Rettung von Juden und Serben im Zweiten Weltkrieg“ vorgestellt. Hrvoje Škrlec, Berater der Apostolischen Nuntiatur bei der EU, betonte die auseinanderklaffende Wahrnehmung des Erzbischofs. Während „im Ausland“ viele an seine Unschuld glaubten, hielten ihn die meisten Priester und Bischöfe der Serbischen Orthodoxen Kirche (SOK) und die öffentliche Meinung in Serbien für schuldig. Eine kritische Auseinandersetzung mit der juristischen Verurteilung Stepinac‘ nach dem Zweiten Weltkrieg in Jugoslawien sei in Serbien weiterhin „fast ein Tabu“.

Alojzije Stepinac war von 1937 bis 1960 Erzbischof von Zagreb. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der kommunistischen Machtübernahme wurde er in einem Schauprozess zu 16 Jahren Haft verurteilt, weil er während des Zweiten Weltkriegs mit den kroatischen Faschisten kollaboriert haben soll. Nach sechs Jahren Haft musste er die restliche Zeit bis zu seinem Tod in Hausarrest verbringen. In Serbien gilt Stepinac bis heute aufgrund seiner umstritteneren Rolle im faschistischen Unabhängigen Staat Kroatien (NDH, 1941–1945), einem Satellitenstaat Nazideutschlands, als Kriegsverbrecher. Papst Johannes Paul II. hat Stepinac 1998 seliggesprochen. Eine gemeinsame Dialogkommission der SOK und der katholischen Kirche hat ihre Arbeit 2017 ohne Einigung abgeschlossen, aus diesem Grund will Papst Franziskus vorerst mit der Heiligsprechung von Stepinac warten.

Der serbische Außenminister Ivica Dačić bezeichnete die Konferenz als inakzeptabel. Es sei ein Versuch, eine „Bewegung, die auf der Seite des Faschismus stand, historisch zu relativieren und rehabilitieren“. Die Bewegung, gemeint ist die kroatische faschistische Ustaša-Bewegung, symbolisiere den „Genozid an Serben, Juden und Roma“ und „bedeutete die Konversion von Serben zum katholischen Glauben“. Auch die serbische Mission bei der EU drückte ihr Bedauern über die Sichtbarmachung des kontroversen Erzbischofs aus, die in Serbien „schmerzhafte Kapitel der Vergangenheit“ öffne. Solche Konferenzen dienten nicht der Verbesserung der Beziehungen zwischen Serbien und Kroatien und der Überwindung von Differenzen.  In einem Statement erklärte auch derDirektor des Jerusalemer Simon Wiesenthal Center, jeder Versuch, Figuren, die die genozidale Herrschaft NDH unterstützt hatten, zu ehren oder glorifizieren, sei eine Schande.

Ein anderer kroatischer Abgeordneter, Fred Matić, bezeichnete die Veranstaltung im Vorfeld als Versuch Zovkos, ihre öffentliche Sichtbarkeit zu erhöhen. Die Konferenz werde von Mitgliedern der kroatischen mitte-rechts Partei HDZ, deren Mitglied Zovko ist, und „einigen ihrer Freunde“ besucht werden und habe in Brüssel kein politisches Gewicht. Sie diene innenpolitischen Zwecken, denn in Kroatien stehen Wahlen bevor und die „Kirche ist in Kroatien sehr einflussreich“, so Matić, der im Europäischen Parlament der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten angehört. (NÖK)

Katrin Boeckh zur (un)umstrittenen Rolle von Kardinal Stepinac
Die Person Alojzije Kardinal Stepinac (1898–1960) sorgt immer wieder für serbisch-kroatische Kontroversen. Prof. Dr. Katrin Boeckh vom IOS Regensburg spricht über das Leben des Kardinals und die Hintergründe der Auseinandersetzungen um Stepinac.