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Serbien: Kontroverse zwischen katholischer und orthodoxer Kirche

05. Dezember 2016

An Kardinal Alojzije Stepinac (1898–1960), der von 1937 bis 1960 Erzbischof von Zagreb war, scheiden sich nach wie vor die Geister (s. RGOW 9/2015, S. 20–23). So löste der katholische Erzbischof von Belgrad, Stanislav Hočevar, einen Sturm der Entrüstung im Belgrader Patriarchat aus, als er Kardinal Stepinac, der 1998 von Papst Johannes Paul II. selig gesprochen worden war, mit Bischof Nikolaj Velimirović, den die Serbische Orthodoxe Kirche (SOK) 2003 kanonisiert hatte, verglich und auf Parallelen in den Biographien und Historiographien der beiden Kirchenführer hinwies.
Hočevar hatten gegenüber der serbischen Tageszeitung Politika erklärt, dass in der serbischen Öffentlichkeit das Bewusstsein wenig präsent sei, dass die Katholiken in Serbien nicht für die Handlungen Kroatiens verantwortlich seien. Vielmehr würden sie ständig darauf hingewiesen, dass ein Papstbesuch – den sich die Katholiken in Serbien seit langem wünschten – erst in Frage komme, wenn offene Fragen zu den Ereignissen während des Zweiten Weltkriegs auf dem Territorium des sog. Unabhängigen Staates Kroatien (1941–1945) geklärt seien. Die katholische Kirche tue viel zur Aufarbeitung der Vergangenheit, so der Erzbischof in Bezug auf die von Papst Franziskus eingesetzte Stepinac-Kommission (s. RGOW 8/2106, S. 4) weiter, während sie sich aber nicht in die Heiligsprechungsverfahren der SOK einmische. So sei der umstrittene Bischof Nikolaj Velimirović ohne weitere Untersuchungen heiliggesprochen worden.
Dieser Vergleich und die Zweifel an der Heiligkeit Velimirovićs veranlassten den Hl. Synod der SOK zu einer scharfen Stellungnahme, in der dieser die Unterschiede zwischen Velimirović, der während des Zweiten Weltkriegs interniert war, und Stepinac, der in der serbischen Öffentlichkeit als Kollaborateur des faschistischen kroatischen Ustascha-Regimes gilt, herausstrich. Der Hl. Synod warf Erzbischof Hočevar vor, die Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und der SOK verderben zu wollen. Den Willen zum Dialog, den der Erzbischof daraufhin betonte, begrüßte das Belgrader Patriarchat und erklärte, dass in Serbien alle Glaubensgemeinschaften die gleichen Rechte genössen. Zudem drückte es die Hoffnung aus, Hočevars Aussage, dass „heutzutage überall eine Minderheit und eine Mehrheit existieren“, weder als Schadenfreude noch als Drohung in Bezug auf die Situation der serbischen Minderheiten in der Region zu verstehen sei.
Kardinal Stepinac und seine bevorstehende Heiligsprechung sind seit längerem ein Streitpunkt zwischen der katholischen Kirche und der SOK. Stepinac war Kardinal-Primas zur Zeit des von Nazi-Deutschland abhängigen Unabhängigen Staates Kroatien (Nezavisna Država Hrvatska) und wird meist als Kollaborateur des kroatischen Faschismus im Zweiten Weltkrieg wahrgenommen. 2016 beauftragte Papst Franziskus eine gemischte kroatisch-serbische Kommission zur Untersuchung der Rolle von Stepinac vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg. Diese tagte im Sommer erstmals in Rom, ein zweites Treffen fand im Herbst in Zagreb statt. Ihren Bericht wird sie im Herbst 2017 vorlegen.

www.politika.rs, 28. Oktober; www.spc.rs, 3., 9. November; www.kc.org, 4. November; www.rts.rs, 4. November; Kathpress, 22. November – N. Z.